Mehr als 15'000 Autos fahren täglich durch die Axenstrasse. Das Gewerbe, Pendler und der Durchreiseverkehr sind auf die Verkehrsachse angewiesen. Die Strecke verbindet nicht nur die Kantone Schwyz und Uri, sondern ist für viele Ostschweizer der direkteste Weg zum Gotthard.
Doch aktuell geht auf einer der wichtigsten Verkehrsachsen der Schweiz nichts mehr. Steinschlag-Gefahr! Am 28. Juli donnerte ein 12 Tonnen schwerer Felsbrocken den Berg hinunter und verfehlte die Strasse nur knapp. Das Risiko weiterer Murgänge ist gross. Für die Räumungsarbeiten fliegt deshalb der Helikopter extra Spezialisten ins Gefahrengebiet, die am Seil hängend Felsen sprengen. Dafür braucht es trockenes Wetter und Zeit. Deshalb bleibt die Strasse bis auf weiteres zu.
Chaos, Staus und Kollaps auf der A2
Das führt zu Chaos auf den Autobahnen am Vierwaldstättersee. Der gesamte Verkehr der Axenstrasse muss nun über die A2. Das Resultat: immer wieder Stau! Besonders hart trifft es den Abschnitt zwischen Hergiswil und Beckenried (beide NW) sowie die A14 zwischen Emmenbrücke LU und Rotkreuz ZG. Wenn dann sogar noch die A2 gesperrt ist, kommt es zum totalen Verkehrskollaps. So geschehen vor gut zwei Wochen, als es im Seelisberg-Tunnel einen Kurzschluss gab (BLICK berichtete).
Dabei gäbe es seit Jahrzehnten eine Lösung. Die alte Axenstrasse soll durch zwei Tunnels ersetzt werden, die zusammen die neue Verkehrsachse bilden (siehe Grafik). Der Bundesrat genehmigte das 980-Millionen-Franken-Projekt im Januar 2009. Auch die Kantone Schwyz und Uri sagten Ja dazu. Die Einheimischen wissen: Die alte Strasse gewährleistet weder Sicherheit noch Verfügbarkeit.
Trotzdem verzögert sich der Bau der neuen Tunnel massiv. Umweltschutz-Organisationen und Private torpedieren das Vorhaben mit Einsprachen. Bauingenieur Paul Gerber leitet das Projekt «Neue Axenstrasse» und erklärt BLICK: «Die Bauzeit dauert achteinhalb Jahre. Wenn alles nach Plan verläuft, können wir Ende 2021 mit den Hauptarbeiten loslegen.» Heisst: Die neue Axenstrasse öffnet frühestens in zehn Jahren.
Derzeit liegt der Ball beim Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr und Energie (Uvek). 2020 sollte die Plangenehmigungsverfügung vorliegen. Diese braucht es zwingend für den Baustart. Jedoch können Einsprecher die Verfügung weiterziehen, vors Bundesverwaltungs- und Bundesgericht. Für Projektleiter Gerber wäre dies das schlimmste Szenario: «Der Weg vors Bundesgericht kann Jahre in Anspruch nehmen. Das Planungsteam müsste anderen Aufgaben nachgehen.»
Gerber ist klar, dass sich Verfahren nicht beschleunigen lassen. Trotzdem sagt er: «Aus Sicht der Bevölkerung muss die neue Axenstrasse rasch gebaut werden.» Anders sehen das die Umweltverbände Alpenschutz-Initiative, der regionale Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) und der Verein Ärztinnen und Ärzte für den Umweltschutz. «Ja, wir haben Einsprache gegen das überrissene Grossprojekt eingereicht», sagt Django Betschart vom Verein Alpenschutz-Initiative. «Wir verlangen, dass die Nutzung der alten Strasse eingeschränkt wird.»
Die Sorge der Umweltschützer: Die neue Axenstrasse bedeutet mehr Verkehr. Für Betschart ist klar: «Ein Ausbau von zwei auf vier Spuren führt zu mehr Fahrzeugen, und auch der Transitverkehr könnte zunehmen.»
Kanton zahlt für Lohnausfälle
Das sieht der Urner Volkswirtschaftsdirektor Urban Camenzind anders: «Momentan befindet sich Uri wegen der gesperrten Axenstrasse in einer herausfordernden Situation.» Besonders hart trifft es den Tourismus. «Für einige Gastronomie-Angestellte gelten verkürzte Arbeitszeiten», so Camenzind. «Die öffentliche Hand übernimmt einen Teil dieser Lohnausfälle über die Arbeitslosenkasse.»
Auch regionale Handwerker, die ihr Material mit dem Auto transportieren, haben wegen der Sperre finanzielle Einbussen. Genauso hart trifft es Pendler. Bäcker etwa können wegen Randarbeitszeiten nicht auf den ÖV ausweichen. Sie müssen sich nun ausserhalb des Kantons Uri ein Zimmer mieten.
Regierungsrat Camenzind betont: «Die neue Axenstrasse würde Uris Attraktivität als Wohn- und Wirtschaftskanton steigern. Für uns Urner ist es wichtig, dass die geplanten Tunnels schnell gebaut werden.» Denn weitere Murgänge sind sehr wahrscheinlich. In den letzten zehn Jahren gab es auf der Axenstrasse 20 dokumentierte Steinschläge.