Häufig entscheiden wenige Sekunden über Leben und Tod. Und genau diese Sekunden werden den Rettungssanitätern geraubt, wenn Autofahrer im Stau keine Rettungsgasse bilden und die Ambulanz nicht zum Unfallort durchkommt.
Um Lenker für dieses Problem zu sensibilisieren, lancierte der Verein Helfen helfen zusammen mit der Kantonspolizei Bern, der Feuerwehr Biel und Astra Schweiz die Kampagne «Rettungsgasse Schweiz» (BLICK berichtete).
«Wir fahren mehrmals im Monat zu Einsätzen auf der Autobahn. In drei Vierteln der Fälle klappt es mit der Rettungsgasse nicht. Das ist sehr schade. Denn wir wollen doch so schnell wie möglich an der Unfallstelle sein, um helfen zu können», sagte der Rettungssanitäter und Mediensprecher des Projekts, Jan Tisato (35), im Oktober zu BLICK.
«Massiver Nachholbedarf»
Hat sich die Situation seither gebessert? «Es besteht nach wie vor massiver Nachholbedarf. Die Resonanz bei Feuerwehr, Ambulanz und Polizei zeigt: Die Mehrheit der Rettungsgassen funktioniert immer noch nicht», sagt Tisato.
Ein Video auf der Facebook-Seite der Kampagne, das am 11. Dezember in einem Ambulanzwagen aufgenommen wurde, zeigt eine schlecht gebildete Rettungsgasse. Leider seien diese Aufnahmen keine Ausnahme, betont Tisato.
500 Franken Busse gefordert
Deswegen plädiere man für einen Artikel im Strassenverkehrsgesetz, der die Autofahrer dazu verpflichtet, eine Rettungsgasse zu bilden, so wie es in Österreich und Deutschland der Fall ist. «Wir wollen nicht den Mahnfinger heben. Aber es geht darum, dass wir alle zusammenarbeiten. Es nützt nichts, wenn nur einer zur Seite fährt und alle anderen nicht.»
Wer sich nicht an die Regelung hält, solle mit einer Busse rechnen müssen. Ab 500 Franken aufwärts hält Tisato für angemessen. «40 Franken tun nicht so sehr weh», sagt er.
Derzeit gibt es keine richtige Gesetzesgrundlage in der Schweiz. Im Strassenverkehrsgesetz heisst es zwar, dass man die Strasse den Feuerwehr-, Sanitäts-, Polizei- und Zollfahrzeugen beim Wahrnehmen der besonderen Warnsignale sofort freizugeben hat. Eine Rettungsgasse ist aber nicht explizit erwähnt. Gebüsst werden nur die ganz Dreisten: Immer wieder hängen sich Autofahrer an Ambulanzen – und donnern mit ihnen durch die Rettungsgasse.
Das Ziel sei weiterhin, eine Grundmotivation in Bewegung zu bringen. «Ohne Unterstützung aus der Politik wird der Lernprozess mehrere Jahre andauern.» Deswegen arbeitet man daran, nicht nur die grossen Rettungsdienste der Schweiz, sondern auch Politiker mit ins Boot zu holen. Rund 50 Politiker aus der Deutschschweiz würden die Kampagne bereits unterstützen, meint Tisato.
Wenn keine ordentliche Rettungsgasse gebildet wird, verlieren die Sanitäter im Schnitt zwei Minuten, bis sie zum Unfallort gelangen. «Das mag nach wenig klingen. Aber wenn in dieser Zeit ein Kind stirbt, dann sind es zwei Minuten zu viel», sagt Jan Tisato.
Informationen zum korrekten Bilden einer Rettungsgasse finden sich unter: www.rettungs-gasse.ch