Einzig die Kantone Nid- und Obwalden, Schwyz, Uri, Appenzell Innerrhoden und das Tessin stimmten der Durchsetzungsinitiative zu. Trotz des Neins werden straffällige Ausländerinnen und Ausländer in Zukunft automatisch des Landes verwiesen. Denn jetzt wird die vom Parlament beschlossene Umsetzung der Ausschaffungsinitiative in Kraft gesetzt.
Diese SVP-Initiative hatten Volk und Stände 2010 angenommen. Das Gesetz sieht ebenfalls automatische Landesverweisungen vor. Nur ausnahmsweise kann darauf verzichtet werden, um einen schweren persönlichen Härtefall zu vermeiden.
Über die Gründe für das Scheitern der Durchsetzunginitiative werden erst die Abstimmungsanalysen Aufschluss geben. Die starke Mobilisierung der Gegner in den letzten Wochen dürfte aber eine entscheidende Rolle gespielt haben.
Parteien, Justiz, Wirtschaft, Medien und Kulturschaffende traten nahezu geschlossen gegen die Initiative an. Fast 300 amtierende und frühere Bundespolitiker richteten einen Appell an die Stimmbevölkerung. Wissenschaftler wagten sich aus dem Elfenbeinturm und mischten sich vernehmlich in die Politik ein. Kunstschaffende und Intellektuelle warnten eindringlich vor der Initiative.
Die öffentliche Debatte wurde über weite Strecken sachlich geführt. Breit wurde über abstrakte Begriffe wie Verhältnismässigkeit, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltentrennung diskutiert. Doch es gab auch Gehässigkeiten und schrille Töne in der Kampagne - etwa das zum Hakenkreuz degenerierte Schweizer Wappen.
Mit dem Nein kann der Bundesrat nun die vom Parlament beschlossene Umsetzung der Ausschaffungsinitiative. An einer Medienkonferenz in Bern sagte Bundesrätin Simonetta Sommaruga, sie werde dem Bundesrat am nächsten Freitag einen entsprechenden Antrag unterbreiten. Als spätester Zeitpunkt der Inkraftsetzung nannte sie den 1. Januar 2017.
Sommaruga sieht im Nein zur Durchsetzungsinitiative ein Bekenntnis zu den Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz - insbesondere zu den Secondos. Für eine Mehrheit seien diese nicht nur geduldet, sondern Teil der Schweiz, sagte sie. Sie sprach von einem «wichtigen Tag für den Rechtsstaat». Die Mehrheit habe eingesehen, dass auch in einer direkten Demokratie niemand allmächtig werden dürfe, auch nicht die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger.
Und sie habe es abgelehnt, nationales Recht über die Menschenrechte zu stellen. «Das ist ein Zeichen von Reife, von demokratischer Mündigkeit», sagte Sommaruga. «Unsere Demokratie funktioniert.»
Das klare Nein zur Durchsetzungsinitiative ist laut SVP ein Grund zur Sorge: «Die Härtefallklausel wird missbraucht werden», sagte Fraktionschef Adrian Amstutz im Radio SRF. Der Praxistest für das vom Parlament verabschiedete Ausschaffungsgesetz stehe noch aus. Er hoffe, dass seine Prognose nicht eintreffe, wonach Ausschaffungsentscheide der Richter weiterhin die Ausnahme als die Regel blieben.
«Gegner und Befürworter der Initiative sind sich alle einig darin, dass Schwerkriminelle ausgeschafft werden müssen», sagte auch der designierte SVP-Präsident Albert Röst. Die FDP habe von einer pfefferscharfen Umsetzung gesprochen - «wir nehmen sie beim Wort.»
Rösti erklärte die klare Niederlage seiner Partei damit, dass in den vergangenen Wochen die grosse Gegnerschaft angewachsen sei. «Viele hatten wohl den Eindruck, diese SVP dürfe nicht noch einmal gewinnen.» Zudem sei man sich beim Umgang mit Bagatelldelikten nicht einig geworden mit den Gegnern.
Das Nein und die Niederlage seien aber zu akzeptieren, sagte Rösti. «Die Debatte war sehr positiv, es ging um die Sicherheit der Schweiz.»
Dass die Durchsetzungsinitiative klar abgelehnt wird, hat laut dem Berner SP-Ständerat Hans Stöckli einen einfach Grund: «Wir haben die Ausschaffungsinitiative im Parlament umgesetzt», sagte er gegenüber Radio SRF. Das Gesetz müsse bald in Kraft gesetzt werden.
Stöckli hofft, dass das Gesetz zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative spätestens Anfang 2017 in Kraft tritt. «Die Kantone müssen noch an der kantonalen Gesetzgebung arbeiten.» Danach könne das Gesetz in der gesamten Schweiz seine Wirkung entfalten.