Eigentlich sollten über 65-Jährige und Menschen mit Vorerkrankungen daheimbleiben. Sie sind besonders anfällig für schwere Verläufe des Coronavirus. Doch: Längst nicht alle Rentner nehmen die Warnungen ernst. Manche halten immerhin Abstand oder machen einen Solo-Spaziergang an der Sonne. Doch andere scheinen unbelehrbar. Sie unterschätzen das Risiko massiv. Und ignorieren Warnhinweise ganz bewusst.
Zwei von ihnen sind Trudi und Heidi, beide pensioniert. Sie marschieren sorglos durch Frauenfeld, als gäbe es keine Corona-Krise. «Was sollen wir zu Hause versauern und blöd werden? Wir gehen auch weiterhin raus, gestern waren wir in Appenzell – mit dem ÖV –, und heute haben wir auch einen Ausflug gemacht», so ihre Erklärung. Zu Hause eingesperrt herumzusitzen, schlage ihnen auf die Psyche. Fazit: «Wir werden uns auch weiterhin nicht einsperren lassen!»
Ausflüge an den Vierwaldstättersee
Viele der älteren Leute machen sich schon Gedanken. «Wir halten Abstand und meiden grosse Gruppen. Schliesslich wissen wir nicht, wie lange wir den Notstand noch aushalten müssen», sagen Mike Stoll (76) und Roland Amend (75) aus Luzern. Auch habe man sich in der Nachbarschaft organisiert, um die Einkäufe zu tätigen. Denn: Die Frau von Roland Amherd hat Vorerkrankungen. Steckt sie sich an, wird es schnell lebensbedrohlich – das weiss eigentlich auch ihr Mann.
Manchen Rentnern scheint die Corona-Krise völlig egal zu sein. Wie einem 74-Jährigen, den BLICK an der Luzerner Seepromenade trifft. Zwar sei er seit einer Herz-OP vor drei Jahren geschwächt, erzählt er. Aber: «Ich zähle mich nicht zur Risikogruppe.» Und ärgert sich, dass seine Wäscherei geschlossen ist: «Das sehe ich überhaupt nicht ein!»
Ein Schwatz auf dem Dorfplatz mit anderen Rentnern
Andere wiederum möchten nicht auf soziale Kontakte verzichten. «Was mache ich nur einen ganzen Tag lang alleine zu Hause?», fragt Fritz Candinas (73) aus Küsnacht ZH. Deshalb ist er am Donnerstag entgegen der Empfehlung des Bundesrats mit seinen Rentner-Freunden im Dorfkern anzutreffen. Ein Schwatz sei Pflicht: «Ich bin ein Mensch, der schon immer gerne draussen war. Wäre ich eingesperrt, würde ich das nicht überleben.» Trotzdem hofft der Senior, sich das Coronavirus nicht einzufangen.
Was passieren kann, wenn renitente Rentner einfach nicht hören wollen, hat man am Donnerstag im Kanton Uri gesehen. Dort herrscht seit dieser Woche eine strikte Ausgangssperre für über 65-Jährige. Es geht dabei nicht nur um die Rentner selber. Jeder belegte Platz auf der Intensivstation fehlt vielleicht einem jungen Unfallopfer – oder einer Mutter, die Komplikationen bei der Geburt hatte.
Ein Attest als vermeintlicher Freibrief
Paul Vogel (80) sieht das nicht ein. «Ich bin in einem Alter, wo der Tod näher ist als das Leben. Zwei Wochen drinnen bleiben, kommt nicht in Frage. Ich habe ein ärztliches Attest, dass ich mich jeden Tag mindestens eine Stunde bewegen muss. Frische Luft stärkt mein Immunsystem», so der pensionierte Publizist.
Noch dürfen sie trotz Warnungen vor die Tür. Der Bundesrat hat eine generelle Ausgangssperre noch nicht ausgesprochen. Man setzt weiter auf den gesunden Menschenverstand – auch bei älteren Semestern.