40 Jahre Deutscher Herbst
RAF wollte Schweizer Botschafter entführen

Die deutschen Linksterroristen nahmen auch die Schweiz ins Visier. Das legt ein vertrauliches Dokument aus jener Zeit nahe.
Publiziert: 10.09.2017 um 17:10 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 10:15 Uhr
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Köln, Vincenz-Statz-Strasse: vor 40 Jahren Tatort der Schleyer-Entführung.
Foto: Imago
Reza Rafi

Vor genau vierzig Jahren erlebte die Bundesrepublik Monate der nackten Gewalt. Am 5. September 1977 entführte die Rote-Armee-Fraktion (RAF) Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer. Die Kidnapper wollten ihn gegen gefangene Genossen austauschen – Höhepunkt einer Eskalation, die als Deutscher Herbst in die Geschichte einging.

In wenigen Wochen geschahen die Ermordung Schleyers und seiner vier Personenschützer, die Entführung der Lufthansa-Maschine Landshut durch ein palästinen­sisches Kommando und der Selbstmord der RAF-Spitze im Gefängnis Stuttgart-Stammheim am 18. Oktober 1977.

Das Drama der ersten RAF-Generation, die durch die Schleyer-Entführung befreit werden sollte («Big Raushole»), begann am 1. Juni 1972 nach der Verhaftung von Andreas Baader in Frankfurt. Nur Tage später stand auch die Schweiz im Fadenkreuz der Terroristen. Das geht aus einem vertraulichen diplomatischen Dokument hervor.

Entführung des Schweizer Botschafters geplant

Bei dem Schreiben handelt es sich um eine Depesche, die ein Mitarbeiter der Schweizer Vertretung in Bonn am 19. Juni 1972 ans Aussendepartement in Bern kabelte. Der brisante Inhalt, der jetzt auf der Webseite der unabhängigen Forschungsstelle Dodis einsehbar ist: Die RAF-Anführer um Baader und Ulrike Meinhof sollen die Entführung des Schweizer Botschafters in Westdeutschland, Hans Lacher, geplant haben.

Baader und Meinhof sassen damals in Köln im Gefängnis, wo sie von einem Mitgefangenen belauscht wurden, der sich an die Kölner Polizei wandte. Die Behörden fackelten nicht lange und warnten die Schweizer.
Diplomat Lacher stand daraufhin «ununterbrochen» unter Polizeischutz, wie dem Papier zu entnehmen ist.

Darin heisst es: «Der Denunziant will bei einem kurzen Gespräch zwischen einzelnen Bandenmitgliedern zugegen gewesen sein, in dessen Verlauf die Geiselnahme von Botschaftern – es war vom schweizerischen und spanischen Botschafter die Rede – als Mittel zum Freikauf der inhaftierten Bandenchefs empfohlen wurde.»

Banküberfall in Zürich

Die Deutschen hielten den Informanten für glaubwürdig. Dieser habe sich «schon in einem anderen Fall bewährt», wie der Schweizer Botschaftsmitarbeiter zu berichten weiss.

Zur Entführung Hans Lachers kam es nicht – was auch immer die Gründe waren.

Ganz verschont blieb die Schweiz vom deutschen Linksterror dennoch nicht: 1979 überfielen RAF-Mitglieder an der Zürcher Bahnhofstrasse eine Bank und erbeuteten 213'000 Schweizer Franken. Bei der anschliessenden Schiesserei im Shopville unter dem Hauptbahnhof kam eine 56-jährige Passantin ums Leben, ein Polizist wurde verletzt.

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