Der Beziehungsstreit mit seiner Ex-Frau endete für Hans Simon (75) fatal. Sie beschuldigte ihn am 23. April 1999 des sexuellen Missbrauchs an den beiden gemeinsamen Kindern Nathalie* und Thomas* (damals 8 und 4). Die Staatsanwaltschaft eröffnete ein Verfahren gegen den Vater. Danach durfte er seine Kinder nur noch einmal pro Monat und unter Begleitung sehen.
«Man schimpfte mich Kinderschänder»
Für Simon bricht eine Welt zusammen. Er verliert seine Kinder, Freunde wenden sich von ihm ab, und auf der Strasse wird er angefeindet. «Beim Einkaufen schimpfte man mich Kinderschänder», sagt er zu BLICK. «Ich bekam anonyme Drohungen per Telefon.»
Die Vorwürfe treffen ihn auch existenziell. Der selbständige Spengler verliert rund 60 Prozent seiner Kunden. Sein rentables Geschäft wird defizitär. Zusammen mit den Kosten für Unterhalt und Verfahren resultiert daraus ein finanzieller Teufelskreis, der bis heute anhält.
Nun ist ein Teil seines Lebens verpfuscht, obwohl sich die Missbrauchsvorwürfe als haltlos erwiesen. Nach drei Jahren und drei Monaten, am 24. September 2002, wurde das Strafverfahren eingestellt, nachdem ein Gutachter Akten und Videobänder der Zeugenbefragung analysierte.
Sein Fazit: «Die Aussagen der Kinder fanden in einem sehr suggestiven Klima bei einer quasi inquisitorischen Befragung durch die Mutter statt.» Ein zweiter Gutachter kommt zu einem ähnlichen Schluss: «Wonach Angaben über sexuelle Übergriffe durch den Vater einer Erlebnisgrundlage bei den Kindern entbehren und eher das Resultat einer starken suggestiven Beeinflussung sind.»
Tochter zieht Anschuldigung zurück
Zwei Jahre später, am 7. Juli 2004, erklärt Tochter Nathalie (damals 14) einer Mitarbeiterin der ehemaligen Abteilung für Kinder und Jugendschutz, dass die Mutter sie immer wieder zu einer Falschaussage gegen den Vater gezwungen habe, auch mit Schlägen.
Heute kritisiert Hans Simon das Verhalten der Behörden: «Man hat mir ein Unrecht angetan. Mit mehr als drei Jahren dauerte das Verfahren viel zu lange.» Und: «Es wurde einseitig geführt. Ich wurde nie richtig angehört. Ich war machtlos gegenüber den Ämtern.»
Jahrelang kämpft er für seine Rehabilitation, will endlich Gerechtigkeit. Mit mässigem Erfolg. Laut Gericht genügt die Aussage seiner Tochter nicht für die Feststellung der erwiesenen Unschuld. Wegen dem Konflikt der Eltern sei sie nicht als objektive Zeugin qualifiziert.
Doch selbst der frühere Basler Ombudsmann gibt in seinem Bericht vom 31. Januar 2014 dem zu Unrecht verdächtigten Vater in vielen Punkten recht: «Es ist nachvollziehbar, dass Herr Simon durch die Angelegenheit einen nicht wiedergutzumachenden wirtschaftlichen Schaden und eine tiefe Verletzung seiner persönlichen Integrität erlitten hat», heisst es im Schreiben, das BLICK vorliegt. Er stellt klar: «Die Versuche einer Rehabilitation sind bis anhin fehlgeschlagen.»
Der Ombudsmann liefert sogar Vorschläge. Der Staatsanwaltschaft und dem Kinder- und Jugenddienst legt er nahe, sich für eine faire Wiedergutmachung einzusetzen. Der Kanton als Staatsträger soll zudem die Steuerschulden von Herrn Simon bis 2013 löschen. Ebenso bittet er die Opferhilfe um Unterstützung.
Psychiater Tschan kritisiert Kanton Basel-Stadt
Passiert ist bis heute nichts. Deshalb geht Simon nun zusammen mit seinem Psychiater Werner Tschan (64) an die Öffentlichkeit. «Mein Patient soll endlich rehabilitiert werden», sagt der Facharzt. «Für was gibt es einen Ombudsmann, wenn seine Empfehlungen nicht weiterverfolgt werden?»
Nun hat Simon wieder etwas Hoffnung. Der Regierungsrat von Basel-Stadt hört ihn heute Morgen im Rathaus an. Allenfalls kommt es nach all den Jahren also doch noch zu einer Entschuldigung samt Wiedergutmachung.
* Namen geändert
Strafrechtler Martin Killias zur Vorverurteilung von Hans Simon
Hans Simon (75) wurde von seiner Ex-Frau beschuldigt, die beiden gemeinsamen Kinder missbraucht zu haben. Danach war sein Ruf als Mensch und Unternehmer zerschlagen. Seine Kinder durfte er nicht mehr sehen. Später stellte sich heraus, dass die Vorwürfe haltlos sind. Kriminologe und Strafrechtler Martin Killias kommentiert den Fall für BLICK. Das Problem liegt aus seiner Sicht beim Gutachter, der für seinen Bericht fast drei Jahre brauchte. «In einem Fall, wo es für andere Menschen um derart wesentliche Fragen geht, ist das zu lange», sagt Killias.
Der Strafrechtler versteht, dass Vater Simon seinen Ruf noch immer als zerstört empfindet. «Das Verfahren wurde eingestellt. Damit war – nachdem das Gutachten endlich vorlag – eine schnelle Erledigung möglich. Und die Staatsanwaltschaft hat dies auch rasch getan.» Allerdings fügt er an: «Eine Einstellung ist diskreter und unter Umständen weniger rehabilitierend als ein Urteil.» Der Justiz macht er in diesem Punkt aber keinen Vorwurf: «Wenn die Staatsanwaltschaft selber nicht mit einer Verurteilung rechnete, war dieser Weg angezeigt.»
Killias stellt klar: «Unser System hat Mechanismen, wie man mit Fehlurteilen umgeht. Doch diese greifen bei einer Einstellung mangels hinreichenden Tatverdachts nicht wirklich.» Aus seiner Sicht kann man höchstens bedauern, «dass nicht schon lange versucht wurde, dem betroffenen Vater zu sagen: Hier ist etwas Schlimmes passiert ist.»
Dass Hans Simon seine Kinder während der Strafuntersuchung längere Zeit nicht mehr sehen durfte, versteht Killias: «Wenn ein solcher Missbrauchsvorwurf im Raum steht, muss natürlich alles unternommen werden, damit die Opfer geschützt sind.» Zusammenfassend sagt der Experte: «Dieser Fall ist sehr tragisch, aber nicht untypisch.» Sondern er illustriere leider sehr anschaulich, was man mit leichtfertig erhobenen Missbrauchsvorwürfen anrichten könne.
Strafrechtler Martin Killias zur Vorverurteilung von Hans Simon
Hans Simon (75) wurde von seiner Ex-Frau beschuldigt, die beiden gemeinsamen Kinder missbraucht zu haben. Danach war sein Ruf als Mensch und Unternehmer zerschlagen. Seine Kinder durfte er nicht mehr sehen. Später stellte sich heraus, dass die Vorwürfe haltlos sind. Kriminologe und Strafrechtler Martin Killias kommentiert den Fall für BLICK. Das Problem liegt aus seiner Sicht beim Gutachter, der für seinen Bericht fast drei Jahre brauchte. «In einem Fall, wo es für andere Menschen um derart wesentliche Fragen geht, ist das zu lange», sagt Killias.
Der Strafrechtler versteht, dass Vater Simon seinen Ruf noch immer als zerstört empfindet. «Das Verfahren wurde eingestellt. Damit war – nachdem das Gutachten endlich vorlag – eine schnelle Erledigung möglich. Und die Staatsanwaltschaft hat dies auch rasch getan.» Allerdings fügt er an: «Eine Einstellung ist diskreter und unter Umständen weniger rehabilitierend als ein Urteil.» Der Justiz macht er in diesem Punkt aber keinen Vorwurf: «Wenn die Staatsanwaltschaft selber nicht mit einer Verurteilung rechnete, war dieser Weg angezeigt.»
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