Das Coronavirus ist für das Schweizer Bildungssystem der ultimative Stresstest: Von heute auf morgen mussten Lehrpersonen, Eltern und Schüler auf Fernunterricht switchen. Wohnzimmer wurden zu Schulzimmern, bloss ohne Tafel, Lehrbücher – und ohne echten Plan.
Die undankbare Aufgabe der Eltern: die Kinder weiterhin im Schulalltag zu halten, so gut es eben geht. Vielerorts klappt das mehr schlecht als recht. So verbringen die Eltern einen grossen Teil der Zeit im Switch-Modus. Ein wilder Wechsel verschiedener Apps, Plattformen, Tutorial-Videos, Liveunterricht. Dazu werden sie geflutet mit Aufträgen der jeweiligen Fachlehrer.
Aber auch die Lehrkräfte selber sind in dieser Zeit extrem gefordert. Einerseits müssen auch sie das Homeoffice-Leben in der eigenen Familie organisieren, andererseits nahe bei der Schulklasse bleiben. Selbst wenn die technischen Voraussetzungen dafür entweder gar nicht – oder nur behelfsmässig gegeben sind. Das Wirrwarr nahm bizarre Blüten an: Einige Lehrer verteilten ihre Aufgaben zwar per Mail, andere steckten Arbeitsblätter aber auch in Couverts und verschickten sie den Eltern per Post – als gäbe es noch keine Computer.
Überstürzte Umstellung
Das Resultat: Überforderung pur. Bei den Eltern, aber auch den Lehrern, dazu kommen vielerorts mangelnde Infrastruktur aufseiten der Schulen. Kein Wunder: E-Schooling gehörte in der Schweiz vor Corona nicht zum Alltag – entsprechend mühsam und aufwendig gestaltete sich die überstürzte Umstellung nach den Schulschliessungen am 14. März.
Für Franziska Peterhans, Zentralsekretärin des Lehrer-Dachverbandes LCH, ist klar: Die Corona-Krise zeigt nochmals deutlich, wie nötig die Digitalisierung des Schulbetriebs geworden ist. «Ich bin überzeugt, dass auch für die Schulen ein grosser Lerneffekt aus dieser Situation mit Fernunterricht resultiert und dass die Gemeinden und Kantone das Thema deutlich ernster nehmen werden», sagt sie zu BLICK.
Durcheinander: Kantone sind unterschiedlich weit
Dabei steht die Digitalisierung der Schule schon länger als grosses Ziel der Schulen fest. 2014 feierten die 21 Deutschschweizer Kantone mit der Verabschiedung des Lernplans 21 einen Fortschritt in diesem Bereich. Nebst der Vereinheitlichung des Schulstoffs müssen die Lehrkräfte nämlich auch das Fach «Medien und Informatik» in den Schulalltag einbinden. Die ersten Kantone haben den Lehrplan im Schuljahr 2015/2016 eingeführt, als letzter Kanton führt der Aargau den Lehrplan 21 im nächsten Schuljahr ein.
Grosse Unterschiede bei der Digitalisierung gibt es aber nicht nur zwischen den Kantonen, sondern auch bei einzelnen Schulen innerhalb eines Kantons. Einen roten Faden sucht man vergeblich.
Nicht alle Schulen sind ausgerüstet
Aber warum sind viele Schulen in der Corona-Krise gescheitert? Franziska Peterhans vom Lehrerdachverband nimmt ihre Kollegen in Schutz. «Mit grossem Engagement und Aufwand haben sie auf diese nicht zu erwartende Situation reagiert. Wie in vielen anderen Bereichen musste auch vieles für den Fernunterricht neu organisiert und erfunden werden. Dabei ist augenscheinlich, dass nicht alle Schulen den Fernunterricht vom gleichen Stand aus starten konnten», sagt sie.
Ein grosses Problem sei, dass viele Schulen noch gar nicht auf den rein digitalen Unterricht ausgerichtet sind: «Selbst Lehrpersonen sind von ihrem Arbeitgeber nicht für den Fernunterricht aus dem Homeoffice ausgestattet und müssen teilweise auf private Geräte zurückgreifen.» In Zeiten der Corona-Pandemie habe die fehlende Ausrüstung dann ein besonderes Gewicht bekommen.
Equipment ist aber eine Geldfrage. Um vernünftiges E-Learning betreiben zu können, brauche es auch dringend mehr Geld, so Peterhans: «Die Investitionen bisher reichen nicht aus. Die Schulen in einer digitalen Welt brauchen eine zeitgemässe Infrastruktur und der Support sowohl technisch wie auch didaktisch muss sichergestellt sein. Zudem benötigt es ausreichende Aus- und Weiterbildung sowie innovative Lehrmittel, die mit dem Lehrplan 21 kompatibel sind.»
Hoffnung: Die Krise bringt Schulen weiter
Immerhin: Peterhans ist davon überzeugt, dass die Schulen an dieser Krise wachsen werden. «Es ist sicher ein Ruck durch viele Schulen gegangen, und das digitale Lernen hat einen Auftrieb erhalten. Schön, wenn eine derart grosse Krise, die viele Menschen in Nöte und Bedrängnis bringt, auch ihre positiven Auswirkungen hat», sagt sie. Und doch – für das digitale Lernen und das Einrichten von Fernunterricht zeigten die vergangenen Wochen: Es gibt viel nachzuholen in Sachen E-Schooling. Besser heute als morgen.
Braucht es einheitliche Lernplattformen und Geräte?
Für Franziska Peterhans vom Lehrerdachverband ist die Antwort klar: Bei den Lernplattformen braucht es das nicht. «Die Programme müssen aber auf Datensicherheit überprüft werden – das ist eine wichtige Aufgabe der Schule.» Einige Plattformen, mit denen Schulen arbeiten, haben mit Blick auf den Datenschutz keinen guten Ruf. Bei der Hardware, also den Geräten, wären Einheitslösungen jedoch besser, sagt Peterhans: «Das ist zeitsparender für Wartung, Support und Sicherheit. Mit einheitlichen Geräten ist deren Einsatz jederzeit garantiert, ein Gerät kann jederzeit auch zurückgesetzt oder ausgewechselt werden und sensible Daten auf alten Geräten werden fachgerecht vernichtet.»
Können einheimische Anbieter mit Know-how helfen?
«Schweizer Lösungen sind sehr wünschenswert, haben es jedoch schwer neben den umfassenden ‹Komfort›-Lösungen grosser Anbieter», sagt Erwin Sommer, Amtsvorsteher in der Bildungs- und Kulturdirektion des Kantons Bern. Denn die Gemeinden kaufen jene Tools, die stabil laufen und die Vorgaben des Datenschutzes erfüllen. Vorgaben gibt es keine. «Die Grösse eines Anbieters oder die Herkunft spielen eine untergeordnete Rolle», schreibt etwa der Kanton Thurgau.
Brauchen die Schulen einfach nur mehr Geld?
Diese Forderung hat der Lehrerdachverband schon lange. Aber auch Ralph Kugler, Dozent Medienpädagogik und Mediendidaktik an der Pädagogischen Hochschule St. Gallen, fordert: Mehr Investitionen sind nötig – «aber nicht nur in die Hardware, sondern vor allem in die Aus- und Weiterbildung der Lehrer», so Kugler zu BLICK. Er unterstützt den Kanton St. Gallen in dessen Digitalisierungsoffensive an den Schulen. 75 Millionen Franken sind dafür geplant. «Mehr als die Hälfte wird in die Aus- und Weiterbildung gesteckt», sagt Kugler.
Braucht es zusätzliche Stellen an Schulen?
Kostspieliger Fakt ist: Wo auf Digitalisierung gesetzt wird, braucht es am Ende eine IT-Abteilung zur Behebung von technischen Problemen. So ist das in Firmen, so wird das auch an Schulen nötig sein. Komplexere IT-Probleme können Lehrer nicht lösen.
Wird mit der Digitalisierung der Besuch im Klassenzimmer bald überflüssig?
Experten sind sich einig: Keine Plattform, egal wie gut sie funktioniert, ersetzt den klassischen Unterricht. Aber, sagt Medienpädagoge Ralph Kugler: Die Digitalisierung kann den Unterricht nützlich ergänzen. «Neue Medien können gewinnbringend eingesetzt werden, wenn man sie richtig nutzt.»
Flavio Razzino, Lorenz Keller
Braucht es einheitliche Lernplattformen und Geräte?
Für Franziska Peterhans vom Lehrerdachverband ist die Antwort klar: Bei den Lernplattformen braucht es das nicht. «Die Programme müssen aber auf Datensicherheit überprüft werden – das ist eine wichtige Aufgabe der Schule.» Einige Plattformen, mit denen Schulen arbeiten, haben mit Blick auf den Datenschutz keinen guten Ruf. Bei der Hardware, also den Geräten, wären Einheitslösungen jedoch besser, sagt Peterhans: «Das ist zeitsparender für Wartung, Support und Sicherheit. Mit einheitlichen Geräten ist deren Einsatz jederzeit garantiert, ein Gerät kann jederzeit auch zurückgesetzt oder ausgewechselt werden und sensible Daten auf alten Geräten werden fachgerecht vernichtet.»
Können einheimische Anbieter mit Know-how helfen?
«Schweizer Lösungen sind sehr wünschenswert, haben es jedoch schwer neben den umfassenden ‹Komfort›-Lösungen grosser Anbieter», sagt Erwin Sommer, Amtsvorsteher in der Bildungs- und Kulturdirektion des Kantons Bern. Denn die Gemeinden kaufen jene Tools, die stabil laufen und die Vorgaben des Datenschutzes erfüllen. Vorgaben gibt es keine. «Die Grösse eines Anbieters oder die Herkunft spielen eine untergeordnete Rolle», schreibt etwa der Kanton Thurgau.
Brauchen die Schulen einfach nur mehr Geld?
Diese Forderung hat der Lehrerdachverband schon lange. Aber auch Ralph Kugler, Dozent Medienpädagogik und Mediendidaktik an der Pädagogischen Hochschule St. Gallen, fordert: Mehr Investitionen sind nötig – «aber nicht nur in die Hardware, sondern vor allem in die Aus- und Weiterbildung der Lehrer», so Kugler zu BLICK. Er unterstützt den Kanton St. Gallen in dessen Digitalisierungsoffensive an den Schulen. 75 Millionen Franken sind dafür geplant. «Mehr als die Hälfte wird in die Aus- und Weiterbildung gesteckt», sagt Kugler.
Braucht es zusätzliche Stellen an Schulen?
Kostspieliger Fakt ist: Wo auf Digitalisierung gesetzt wird, braucht es am Ende eine IT-Abteilung zur Behebung von technischen Problemen. So ist das in Firmen, so wird das auch an Schulen nötig sein. Komplexere IT-Probleme können Lehrer nicht lösen.
Wird mit der Digitalisierung der Besuch im Klassenzimmer bald überflüssig?
Experten sind sich einig: Keine Plattform, egal wie gut sie funktioniert, ersetzt den klassischen Unterricht. Aber, sagt Medienpädagoge Ralph Kugler: Die Digitalisierung kann den Unterricht nützlich ergänzen. «Neue Medien können gewinnbringend eingesetzt werden, wenn man sie richtig nutzt.»
Flavio Razzino, Lorenz Keller
«Es gefällt mir, dass ich morgens nicht so früh aufstehen muss. Und dass ich daheim mehr Ruhe habe, wenn ich meine Aufgaben mache, als in meiner Klasse. E-Schooling fangen wir leider erst nach den Frühlingsferien an. Ich freue ich mich darauf, endlich am Computer mit meinen Freunden zu arbeiten. Und der Sport fehlt mir. Immerhin haben wir zwei Mal die Woche via Zoom Taekwondo, das macht Spass.»
Benjamin (10), 5. Klasse, Zürich
«Ich vermisse meine Freunde aus dem Kindergarten. Dort ist es lustiger zu lernen und zu spielen. Daheim bastle ich viel mit meinen Brüdern, zum Beispiel ein Roboterkostüm aus Karton.»
Hannah (6), 2. Kindergarten, Zürich
«Ich mag am Homeschooling, dass ich selbstständig wählen kann, was ich zuerst mache. Zudem dauert der Unterricht nicht so lange. Aber meine Freunde fehlen mir. Wir haben ein Programm für E-Schooling, Schabi und ein anderes für Englisch.»
Daniel (9), 3. Klasse, Zürich
Kinder von Katia Murmann, Leiterin Digital & Product und Chefredaktorin Blick.ch
«Es gefällt mir, dass ich morgens nicht so früh aufstehen muss. Und dass ich daheim mehr Ruhe habe, wenn ich meine Aufgaben mache, als in meiner Klasse. E-Schooling fangen wir leider erst nach den Frühlingsferien an. Ich freue ich mich darauf, endlich am Computer mit meinen Freunden zu arbeiten. Und der Sport fehlt mir. Immerhin haben wir zwei Mal die Woche via Zoom Taekwondo, das macht Spass.»
Benjamin (10), 5. Klasse, Zürich
«Ich vermisse meine Freunde aus dem Kindergarten. Dort ist es lustiger zu lernen und zu spielen. Daheim bastle ich viel mit meinen Brüdern, zum Beispiel ein Roboterkostüm aus Karton.»
Hannah (6), 2. Kindergarten, Zürich
«Ich mag am Homeschooling, dass ich selbstständig wählen kann, was ich zuerst mache. Zudem dauert der Unterricht nicht so lange. Aber meine Freunde fehlen mir. Wir haben ein Programm für E-Schooling, Schabi und ein anderes für Englisch.»
Daniel (9), 3. Klasse, Zürich
Kinder von Katia Murmann, Leiterin Digital & Product und Chefredaktorin Blick.ch
«Eigentlich gefällt mir E-Shooling gut, weil es viel ruhiger ist als im Klassenzimmer. Aber ich vermisse natürlich alle meine Freunde – und vor allem vermisse ich die grosse Pause!»
Milo (9), 4. Klasse, Erlinsbach AG, Sohn von BLICK-Fotograf Philippe Rossier
«Eigentlich gefällt mir E-Shooling gut, weil es viel ruhiger ist als im Klassenzimmer. Aber ich vermisse natürlich alle meine Freunde – und vor allem vermisse ich die grosse Pause!»
Milo (9), 4. Klasse, Erlinsbach AG, Sohn von BLICK-Fotograf Philippe Rossier
«Man hat manchmal etwas zu tun. Aber unter dem Strich ist es eher langweilig. Weil man die Aufträge im Homeschooling oft nur auf eine Art machen kann. Die Kommunikation ist zudem umständlich, weil jeder Lehrer seinen eigenen Kanal hat. Cool ist es, dass man aufsteht – und Sekunden später in der Schule ist. Dass man Pause machen kann, wann man will. Und etwas Schlaf nachholen. Aber ich freue mich wieder auf normalen Unterricht – weil das bedeutet, dass Vieles andere auch wieder normal ist.»
Noah (16), 4. Gymnasium-Klasse, Zug, Sohn von BLICK-Sportredaktor Alain Kunz
«Man hat manchmal etwas zu tun. Aber unter dem Strich ist es eher langweilig. Weil man die Aufträge im Homeschooling oft nur auf eine Art machen kann. Die Kommunikation ist zudem umständlich, weil jeder Lehrer seinen eigenen Kanal hat. Cool ist es, dass man aufsteht – und Sekunden später in der Schule ist. Dass man Pause machen kann, wann man will. Und etwas Schlaf nachholen. Aber ich freue mich wieder auf normalen Unterricht – weil das bedeutet, dass Vieles andere auch wieder normal ist.»
Noah (16), 4. Gymnasium-Klasse, Zug, Sohn von BLICK-Sportredaktor Alain Kunz
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.