«Schafseckel», «Bajass», «Nutte»
Mit Schimpf und Schande vor Gericht

Keine Straftat ist «beliebter», als die Beschimpfung. Die Zahl der Anzeigen nahm in nur fünf Jahren um 58 Prozent zu. Eine «dumme Kuh», ein «Tubel» oder ein «blöden Totsch» zogen schon vor Gericht. Schuld sind Facebook & Co.
Publiziert: 27.03.2016 um 13:15 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 03:40 Uhr
Schimpfen im Kino: Adam Sandler und Jack Nicholson geben sich in «die Wutprobe».
Foto: zvg
Roland Gamp

Ein Ehemann, der den Liebhaber seiner Frau als «Drecksau» beschimpfte. Ein Rentner, der Polizisten «Bajasse» und «Schafseckle» nannte. Oder ein Vater, der die Tochter als «verdammte Nutte» betitelte. Sie alle standen in den letzten Monaten vor Gericht.

Drecksau! Schafseckle!

Die Zahl der Anzeigen wegen Beschimpfung steigt rasant, wie die neue Kriminalstatistik des Bundes zeigt. 2010 gab es 4996 Beschuldigte, fünf Jahre später bereits 7873. Eine Zunahme von 58 Prozent!

«Ein Grund sind sicher Soziale Netzwerke und die Kommentarfunktion im Internet», sagt Strafrechtsprofessor Martin Killias (67). Früher sei es schwer gewesen, eine Beleidigung nachzuweisen. «Wenn diese aber online verewigt ist, hat man mit einer Anzeige bessere Chancen.» Dazu kommt das neue Strafprozessrecht. Früher musste der Geschädigte selbst alle Beweise zusammentragen. «Seit 2011 leitet der Staatsanwalt eine Untersuchung ein, wenn es eine Anzeige gibt.» Das mache es attraktiver, eine Beschimpfung zu melden.

Tubel! Dumme Kuh!

Was man dem Gegenüber an den Kopf schmeisst, ist nicht entscheidend. In den letzten Jahren gab es Gerichtsverhandlungen wegen einer «dummen Kuh», einem «Tubel» oder einem «blöden Totsch». Bestraft wird, wer den Kontrahenten «in seiner Ehre angreift». Ausser, dieser hat die Beleidigung provoziert. Oder mit einem Schimpfwort gekontert.

Die Zahlen des Bundes zeigen: Schon die Kleinen schimpfen wie die Grossen. Allein im letzten Jahr wurden 247 Kinder unter 15 Jahren verzeigt. Insgesamt waren 594 Beschuldigte minderjährig.


«Beschimpfungen unter Schülern hat es schon immer gegeben», sagt Beat Zemp (61), Präsident des Lehrerverbands. Das Mobbing verschiebe sich aber vom Klassenzimmer ins Internet. Dort können beleidigende Kommentare nicht einfach gelöscht werden. «Und alle können zuschauen. Das ist kein Kavaliersdelikt mehr.» Bei massivem Cybermobbing sei eine Strafanzeige das richtige Mittel, um Opfer zu schützen.

Sch...-Bullenl! A...löcher!

Nicht nur Lehrer müssen sich zunehmend mit schimpfenden Rohrspatzen auseinandersetzen. «Der Respekt gegenüber Amtspersonen geht grundsätzlich zurück», sagt Reto Martinelli (39) vom Verband Schweizerischer Polizei-Beamter. «Polizisten bekommen alles zu hören, von ‹Sch...-Bullen› bis ‹A...löcher›.» Der Umgang mit Beschimpfungen werde während der Ausbildung behandelt. «Am wichtigsten ist es sicher, ruhig zu bleiben und sich nicht provozieren zu lassen.» Danach liege es im Ermessen des Polizisten, ob er Anzeige erstattet oder nicht.

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