Russland
Hoffen auf Evakuierung aus Mariupol - Die Nacht im Überblick

In der stark zerstörten südukrainischen Stadt Mariupol ruhen die Hoffnungen am Samstag auf einem neuen Versuch der Evakuierung von Zivilisten unter Schutz des Roten Kreuzes.
Publiziert: 02.04.2022 um 10:11 Uhr
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Aktualisiert: 05.04.2022 um 10:39 Uhr
Aus Mariupol und nahe gelegenen Städten geflüchtete Menschen kommen im ukrainischen Saporischschja an. Foto: Felipe Dana/AP/dpa
Foto: Felipe Dana

Am Freitag war kein sicherer Fluchtkorridor zustande gekommen, auch wenn eigentlich eine Feuerpause vereinbart war. Vertreter des Roten Kreuzes kündigten aber an, am Samstag einen neuen Anlauf zu nehmen.

Die heftigen Kämpfe in vielen Teilen der Ukraine gingen in der Nacht zu Samstag weiter, wobei ukrainische Behörden Raketenbeschuss auf mehrere Grossstädte im Süden des Landes meldeten. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte vor mehr als einem Monat am 24. Februar den Angriff auf das Nachbarland befohlen.

Raketentreffer auf Städte

In der Millionenstadt Dnipro seien in der Nacht zu Samstag zwei oder drei schwere Explosionen zu hören gewesen, berichtete das Portal «Ukrajinska Prawda» unter Berufung auf die Gebietsverwaltung. Die Umgebung der Stadt Krywyj Rih wurde mit Raketenwerfern beschossen. Dabei sei eine Tankstelle in Brand geraten, teilte der Chef der örtlichen Militärverwaltung, Olexander Wilkul, mit. Seinen Angaben nach setzten die russischen Kräfte Mehrfachraketenwerfer vom Typ Grad (Hagel) ein. Wie alle Berichte aus den Kampfzonen waren die Angaben nicht unabhängig überprüfbar. Am Freitagabend war auch die Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer mit Raketen beschossen worden.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rechnete mit heftigen russischen Angriffen im Osten seines Landes. «Russische Soldaten werden in den Donbass geholt. Genauso in Richtung Charkiw», sagte der Staatschef in einer Videoansprache in der Nacht zum Samstag. «Im Osten unseres Landes bleibt die Lage sehr schwierig.»

Die ukrainische Luftwaffe habe trotz schwerer russischer Angriffe noch die Lufthoheit im eigenen Land, sagte deren Kommandeur Mykola Oleschtschuk. Russland habe nach dem Angriff am 24. Februar versucht, die ukrainische Luftwaffe auszuschalten. Dies sei nicht gelungen.

Der Generalleutnant äusserte sich, nachdem am Freitag ein Tanklager in der russischen Stadt Belgorod in Brand geraten war. Russische Behörden schrieben dies dem Angriff von zwei ukrainischen Helikoptern zu. Oleschtschuk forderte von Verbündeten modernere Waffen, darunter Jagdflugzeuge und Flugabwehr-Raketensysteme.

Flucht aus Mariupol

Auch wenn es am Freitag keinen organisierten Fluchtkorridor aus Mariupol gab, gelang es dennoch etwa 3000 Menschen, auf ukrainisch kontrolliertes Gebiet zu flüchten. Etwa 2500 Flüchtlinge aus Mariupol wie aus der Stadt Melitopol trafen nachts in Bussen und Privatautos in Saporischschja ein. Das teilte ein Mitarbeiter des ukrainischen Präsidialamtes, Kirilo Timoschenko, mit. Moskau sprach von ebenfalls mehr als 3000 Menschen, die Mariupol am Freitag in Richtung Russland verlassen hätten. Das Rote Kreuz plant, einen Evakuierungskonvoi aus Bussen und Privatfahrzeugen aus der Hafenstadt zu geleiten.

Warnung an Kollaborateure

Selenskyj mahnte Ukrainer im russisch kontrollierten Süden des Landes, keine Posten in dem Besatzungsregime anzunehmen. In seiner Videoansprache nannte er solche Leute Gauleiter wie bei den Nationalsozialisten. «Meine Botschaft an sie ist einfach: Die Verantwortung für die Kollaboration ist unausweichlich. Nach ukrainischen Angaben versucht Russland, in den besetzten Gebieten moskautreue Verwaltungen aufzubauen.

Die prorussischen Separatisten im Gebiet Luhansk teilten unterdessen mit, der Bürgermeister der Stadt Rubischne sei zu ihnen übergelaufen. Bürgermeister Serhij Chortyw habe die ukrainischen Truppen aufgerufen, die Waffen niederzulegen. Rubischne ist im Verwaltungsgebiet Luhansk die achtgrösste Stadt und hatte vor dem Krieg etwa 60.000 Einwohner. Die Stadt war bislang nicht in der Hand der Separatisten. Kiewer Politiker drohten Chortyw Vergeltung an.

Ein Generalmajor der Reserve vom ukrainischen Geheimdienst SBU wurde festgenommen bei dem Versuch, sich verbotenerweise nach Ungarn abzusetzen. An der Grenze habe er sich als Gefreiter ausgegeben, teilte das Staatliche Ermittlungsbüro mit. In der Nacht zu Freitag hatte Selenskyj mitgeteilt, er habe zwei Brigadegeneräle des SBU degradiert. Er nannte sie Verräter, genaue Gründe nannte er nicht.

Militärische und politische Hilfe

Das US-Verteidigungsministerium will der Ukraine weitere Waffen im Wert von 300 Millionen Dollar (270 Millionen Euro) zukommen lassen. Das neue Paket soll verschiedene Drohnen, Raketensysteme, gepanzerte Fahrzeuge, Munition, Nachtsichtgeräte, sichere Kommunikationssysteme, Maschinengewehre, medizinische Güter und die Bereitstellung von kommerziellen Satellitenbildern umfassen. Das teilte das Pentagon am Freitagabend (Ortszeit) in Washington mit.

Die US-Regierung hat der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskriegs bereits Militärhilfen und Waffenlieferungen im Wert von 1,65 Milliarden US-Dollar zugesagt. Seit Anfang vergangenen Jahres summieren sich die US-Hilfen auf 2,3 Milliarden Dollar.

Mit der Präsidentin des Europaparlaments, Roberta Metsola, sprach Selenskyj nach eigenen Angaben in Kiew über die Möglichkeit eines raschen Beitritts der Ukraine zur EU. Es sei um konkrete Vorschläge gegangen, sagte er in seiner Videoansprache. In einem Interview des US-Fernsehsenders Fox News erneuerte der Präsident seinen Vorschlag, die Ukraine sollte Sicherheitsgarantien von verschiedenen «führenden Staaten» bekommen. Selenskyj sieht dies als Ersatz für eine Mitgliedschaft in der Nato, die politisch nicht erreichbar ist.

Das wird heute wichtig

Die diplomatischen Bemühungen rund um den Krieg in der Ukraine sollen auch am Samstag weitergehen. Die US-Spitzendiplomatin Victoria Nuland kommt nach Europa, um die Reaktion auf das russische Vorgehen abzustimmen. Stationen ihrer Reise bis zum 9. April sollen Frankreich, Deutschland, die Türkei, Griechenland und Zypern sein, wie das US-Aussenministerium mitteilte.

(SDA)

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