Der Koordinator der rechtsextremen C-Star-Aktion diente als Oberleutnant in der Schweizer Armee
Das Schiff der Schande

Mit der «C-Star» wollen Fremdenfeinde Migranten auf dem Mittelmeer stoppen. Chefplaner ist ein Oberleutnant aus Genf – die finanziellen Mittel für die Aktion stammen auch aus der Schweiz.
Publiziert: 23.07.2017 um 00:03 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 07:45 Uhr
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Jean-David Cattin (32), Chefplaner der Schiffsaktion: Die Schweizer Armee beförderte den Genfer zum Oberleutnant.
Fabian Eberhard

Der Hass auf Flüchtlinge hat einen Namen: C-Star heisst das Schiff, mit dem Rechtsextreme die Rettung von Migranten im Mittelmeer sabotieren wollen. Ihr Ziel: europäische Hilfsorganisationen blockieren und aus Afrika kommende Migranten fernhalten.

Schon in den nächsten Tagen wollen die rechten Aktivisten ihr Vorhaben vor der libyschen Küste starten. Recherchen zeigen jetzt: Chefplaner ist ein Extremist aus Genf, Jean-David Cattin (32). Er diente als Oberleutnant in der Schweizer Armee.

Mit Gesinnungskameraden der sogenannten Identitären Bewegung aus Frankreich, Ita­lien, Deutschland und Österreich hat er die Mission «Defend Europe» monatelang vorbereitet. Dabei halfen ihm auch Geldspenden aus der Schweiz.

Führender Ideologe der Bewegung

Die Gruppe charterte das 40 Meter lange Schiff am 7. Juli im ostafrikanischen Dschibuti. Nun steuert die Initiative der Fremdenfeinde die Hafenstadt Catania in Sizilien an, um weitere Besatzungsmitglieder an Bord zu nehmen.

Dort wartet auch Cattin. Bisher hielt er sich im Hintergrund, in den letzten Tagen trat er in Catania erstmals öffentlich als Sprecher der Mittelmeer-Mis­sion in Erscheinung. Er informierte Journalisten über den Stand des rechtsextremen Projekts und gab Interviews über die Beweggründe. Er selbst wird nicht in See stechen. Auf Anfragen von SonntagsBlick reagierte er nicht.

Cattin gehört zu den führenden Ideologen der Identitären, die das Schiff gechartert haben. Die Bewegung entstand in Frankreich und hat sich auf ganz Europa ausgedehnt. Ihre Anhänger gebärden sich als patriotische Hipster und kritisieren die «unerwünschte Vermischung der Kulturen». Wegen ihrer völkischen Ansichten und gewalttätiger Übergriffe werden sie in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet.

Vor allem in Frankreich aktiv

Cattin ist seit mehr als zehn Jahren Teil dieser Gruppierung. Nachdem er vor einigen Jahren vergeblich versuchte, einen Ableger in Genf aufzubauen, ist er nun vor allem in Frankreich aktiv. Dort stieg er zum Landesleiter auf, weshalb er seit kurzem einen zweiten Wohnsitz in Nizza unterhält. Jeweils im Sommer bildet der Schweizer angehende Kader der französischen Identitären aus, predigt Hass gegen Muslime, hetzt gegen Einwanderer. Menschenführung hat er in der Schweiz gelernt – als Oberleutnant der Armee.

Für die Schiffsaktion können die Aktivisten auf Spenden aus ganz Europa zurückgreifen. Allein über die Crowdfunding-Web­seite WeSearch sammelten sie online knapp 125'000 Franken.

Ein Teil des Geldes stammt aus der Schweiz. Auch hierzulande hat die rechtsextreme Szene für die Aktion im Mittelmeer geworben und laut Insidern mehrere Tausend Franken auf das Spendenkonto überwiesen.

Zu den Unterstützern gehört unter anderen die Partei National Orientierter Schweizer (Pnos). Auf Facebook liess sie verlauten: «Auch wir haben einen Betrag ge­spendet. Auf gutes Gelingen und viel Erfolg!»

Noch ist ungewiss, wann die C-Star die Gewässer vor Libyen erreichen wird. Bis Freitagabend steckte sie südlich des Suezkanals fest. Nach Informationen der britischen Nichtregierungsorganisation Hope Not Hate hat die ägyptische Marine das Schiff gestoppt, weil der Kapitän keine gültigen Schiffspapiere vor­legen konnte. Es bestünden Befürchtungen, wonach die r echten Aktivisten bewaffnete Söldner aus der Ukra i­ne an Bord holen wollen.

Menschenrechtler sind beunruhigt

Die Besatzung wies diese Informationen als «Fake-News» zurück. Am Samstagmorgen setzte sich die C-Star erneut in Bewegung und steuerte, wie Satellitenortungen der Radardatenbank Marinetraffic zeigen, den Suezkanal an.

Die Pläne der Rechtsextremen beunruhigen Menschenrechtler und Politiker. Sie warnen vor lebensgefährdenden Aktionen. Rob MacGillivray, Direktor des Mittelmeer-Rettungsprogramms der Hilfs­organisation Save the Children, hält die Ak­tion für «extrem besorgniserregend». Er sagt: «Die Rechtsra­dikalen ignorieren die moralische und legale Verpflichtung, Leben auf See zu retten.»

Ein Anti-Rassismus-Komitee der französischen Regierung hat juristische Schritte eingeleitet. Und am Freitag appellierte der Bürgermeister von Catania an die italienischen Behörden, dem Schiff die Einfahrt in den Hafen der Stadt zu verwehren. Linke Gruppen kündigten an, die C-Star am Auslaufen in Richtung Li­byen hindern zu wollen.

Doch die Identitären lassen sich von all dem nicht beeindrucken. Ihr österreichischer Sprecher Martin Sellner versichert gegenüber dem SonntagsBlick, man werde sich an die internationalen Gesetze halten: «Wir gefährden keine Menschenleben.»

Wenn man auf Flüchtlinge treffe, dann werde man die libysche Küsten­wache alarmieren. «So können die Migranten nach Afrika zurückbegleitet werden.» Nicht zulassen werde man hingegen, dass Flüchtlingshelfer die Menschen nach Europa bringen.

Im Mittelmeer sind mittlerweile mehr als ein Dutzend private Hilfsorganisationen im Einsatz. Allein im laufenden Jahr retteten sie Zehntausende Bootsflüchtlinge vor dem Ertrinken. Für mehr als 2300 Menschen allerdings kam jede Hilfe zu spät.

Seenot nach dem Ablegen

In Italien steigt die Zahl der Flüchtlinge, die das Festland erreichen. Seit Anfang des Jahres gelangten laut UN-Flüchtlingshilfswerk mehr als 110'000 Menschen übers Mittelmeer nach Europa, die meisten über die zentrale Route von Li­byen nach Italien. Zwei Drittel der Flüchtlinge bestiegen an der afrika­nischen Küste Schlauchboote. Ein Grossteil dieser Fahrzeuge ist gar nicht in der Lage, das Festland zu erreichen. So sind die Migranten schon in Seenot, wenn sie die Küste verlassen. Bisher ertranken 2017 im Mittelmeer bereits 2300 Flüchtlinge.

In Italien steigt die Zahl der Flüchtlinge, die das Festland erreichen. Seit Anfang des Jahres gelangten laut UN-Flüchtlingshilfswerk mehr als 110'000 Menschen übers Mittelmeer nach Europa, die meisten über die zentrale Route von Li­byen nach Italien. Zwei Drittel der Flüchtlinge bestiegen an der afrika­nischen Küste Schlauchboote. Ein Grossteil dieser Fahrzeuge ist gar nicht in der Lage, das Festland zu erreichen. So sind die Migranten schon in Seenot, wenn sie die Küste verlassen. Bisher ertranken 2017 im Mittelmeer bereits 2300 Flüchtlinge.

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