Seit über einem Jahrzehnt rätseln Fachleute über den Ursprung der Deformationen von Felchen im Thunersee. Das Phänomen war erstmals im Jahr 2000 festgestellt worden – und hatte die Region Bern in Aufruhr versetzt.
Zwar lassen sich auch in anderen Schweizer Seen Felchen mit vergleichbaren Veränderungen finden, jedoch nicht in der Häufigkeit und nur auf bestimmte Veränderungstypen beschränkt.
Die für den Thunersee typischen Deformationen sind Unterteilungen, Verwachsungen, Fehlen von Gonadensträngen und Zwitter. Sämtliche Untersuchungen und Analysen ergaben keinen triftigen Grund für die Anomalien. Nun aber lässt ein Gewässerbericht des Amts für Wasser und Abfall (AWA) aufhorchen.
Anteil deformierter Fische sinkt
Wie die «Berner Zeitung» berichtet, nährt der gestern veröffentlichte Bericht den Verdacht, dass die Neat-Baustelle etwas mit den Missbildungen zu tun haben könnte.
Darin heisst es, dass der Anteil Felchen mit deformierten Geschlechtsorganen im Thunersee im Jahr 2013 im Vergleich zu 2010 deutlich abgenommen habe.
2014 seien sogar kaum noch Fische mit anormalen Gonaden ins Netz gegangen – für die Autoren des Berichts ein mögliches Indiz für einen Zusammenhang zwischen den Missbildungen und den beim Neat-Tunnel-Bau in Frutigen verwendeten Chemikalien.
Kanton will Grossbaustellen besser kontrollieren
Zwar habe eine Neubeurteilung der Chemikalien keine Substanzen mit dem Potenzial zur Auslösung der Missbildungen ans Licht gebracht, heisst es weiter. Da das Phänomen im Thunersee jedoch einige Jahre nach Beginn der Bauarbeiten aufgetreten war und vier Jahre nach deren Abschluss allmählich wieder verschwand, blieben gewisse Verdachtsmomente bestehen.
Es lasse sich daher nicht ganz ausschliessen, dass eine Kombination der beim Neat-Bau eingesetzten Stoffe die bei Felchen festgestellten Deformationen der Geschlechtsorgane mitausgelöst haben könnte.
Als Konsequenz wolle der Kanton bei Grossbaustellen künftig den Eintrag von Chemikalien in die Gewässer besser kontrollieren. In einem nationalen Aktionsplan soll zudem die Belastung durch umweltverträgliche Spritzmittel und Techniken sowie Anwendungsbeschränkungen verringert werden. (gr)