Prozess
Tödlicher Raserunfall: Verteidiger bestreitet Autorennen

Das Kreisgericht Wil hat sich am Donnerstag mit einem tödlichen Raserunfall befasst. Einer 27-jährigen Schweizerin droht eine mehrjährige Freiheitsstrafe. Ihr Verteidiger bestritt vor Gericht, dass sie sich mit ihrer Freundin ein Autorennen geliefert hatte.
Publiziert: 19.03.2020 um 15:19 Uhr
Im März 2017 wurde eine 25-jährige Autofahrerin bei einem Raserunfall so schwer verletzt, dass sie noch auf der Unfallstelle verstarb. Eine 27-jährige Schweizerin stand am Donnerstag in Flawil wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht.
Foto: KAPO SG

Die beiden Frauen waren in der Nacht vom 27. auf den 28. März 2017 im Kanton St. Gallen nach einem Barbesuch mit ihren Autos unterwegs. Die Beschuldigte soll mit ihrem Wagen innerorts auf über 100 Kilometer pro Stunde beschleunigt haben. Dicht dahinter ihre beste Freundin, eine 25-jährige Bosnierin.

Nachdem die Beschuldigte ein vor ihr fahrendes Auto überholte, soll sie das Rennen erneut angezogen haben. Danach sei sie von ihrer Freundin mit einer Geschwindigkeit von 150 bis 161 km/h überholt worden. Dann passierte der folgenschwere Unfall, bei dem die Bosnierin so schwer verletzt wurde, dass sie noch auf der Unfallstelle starb.

«Es geht mir nicht gut», sagte die Beschuldigte am Donnerstag vor Gericht. Die vergangenen drei Jahre seien schwierig gewesen. Die Unfallsituation komme ihr fast täglich in den Sinn. «Ich versuche, die Nacht zu verdrängen», sagte sie.

Ihr Leben sei nicht mehr wie vorher. Mit der Schwester der Verstorbenen hatte sie Kontakt. «Sie war mehrmals bei mir im Coiffeursalon". Die Eltern der Freundin wollten keinen Kontakt.

Sie könne sich nur noch an den Moment erinnern, als es «gechlöpft» habe. Alles andere wisse sie nicht mehr. Sie habe den «Scheck» (Fahrausweis) noch nie abgeben müssen. «Sie überholte mich und ich habe nur noch abgebremst», sagte sie. Seit dem Unfall fahre sie nicht mehr Auto. Sie habe ihren Freund angerufen, um das Auto aus der Wiese zu ziehen. «Erste Hilfe wurde von anderen Leuten geleistet, der Krankenwagen ist sofort da gewesen.»

Es sei ein spezieller Raserfall, sagte der Staatsanwalt. Speziell seien die hohen Geschwindigkeiten. Speziell sei auch, dass zwei Frauen am Steuer sassen.

Er forderte für die Beschuldigte wegen fahrlässiger Tötung, mehrfacher qualifizierter grober Verkehrsregelverletzung, Fahrens in nicht fahrfähigem Zustand und versuchtem pflichtwidrigen Verhaltens bei einem Unfall eine Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren. Zudem verlangte er eine bedingte Busse von 30 Tagessätzen à 100 Franken.

Die Frauen hätten im Ausgang «fünf bis sechs Stangen und einige Schnäpsli» getrunken. Die Beschuldigte wollte kurz vor Mitternacht, trotz des Rats eines Freundes, mit dem Auto nach Hause fahren, so der Staatsanwalt. «Sie schuf mit ihrem Verhalten ein sehr grosses Risiko". Kurz vor dem Unfall müsse sie nochmals stark beschleunigt haben, da sie einen deutlichen Vorsprung auf die Freundin hatte. Dieses erneute Beschleunigen könne nur als Rennverhalten gewertet werden.

Wenn sich die Beschuldigte nach den Verkehrsregeln verhalten hätte, hätte es für die Freundin keine Grund gegeben zu rasen. Sie habe gewusst, dass ihre Freundin «krankhaft schnell» fahre. Sie habe es auch unterlassen, die Rettungskräfte zu alarmieren. «Stattdessen wollte sie das Weite suchen», so der Staatsanwalt.

«Ein unnötiger Todesfall», befand der Verteidiger. Sehr viel sei dumm gelaufen. Das zentrale Element sei die verrückte Fahrweise des Unfallopfers. «Meine Mandantin hat ihre beste Freundin verloren», sagte er.

Von den Vorwürfen der fahrlässigen Tötung und dem versuchten pflichtwidrigen Verhalten bei einem Unfall müsse sie freigesprochen werden. Er plädierte auf eine bedingte Freiheitsstrafe von 16 Monaten unter Anrechnung der Untersuchungshaft.

Seine Mandantin sei bis zum Unfallort immer vorne gefahren, die Verstorbene immer hinten. Das spreche gegen ein Rennen. Die Freundin sei zeitweise 50 km/h schneller gefahren als die Beschuldigte. Diese habe deutlich vor der Unfallstelle gebremst. Die Fahrweise seiner Mandantin habe mit dem Tod der Freundin nichts zu tun. Diese habe sich selber in eine unkontrollierte Lage gebracht.

Was vorher geschehen war, lasse sich nicht beweisen. Sie habe niemanden abgedrängt. Die Geschwindigkeitsraserei sei einzig im 50er-Bereich erfüllt, aber ein Rennen habe es nicht gegeben. Seine Mandantin sei erstmals alkoholisiert gefahren. Den Führerausweis habe sie bereits zwei Monate nach dem Unfall freiwillig abgegeben.

Das Kreisgericht Wil gibt das Urteil um 16 Uhr mündlich bekannt.

(SDA)

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