Zweikampf um das Amt des SVP-Fraktionspräsidenten
Aeschi ist Heer nur eine Nasenlänge voraus

Die SVP-Fraktion bestimmt kommenden Freitag ihren neuen Fraktionschef. BLICK hat mit einer Umfrage sondiert, wer sich diesen wichtigen Posten schnappt.
Publiziert: 10.11.2017 um 23:40 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 19:12 Uhr
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Der Zuger Thomas Aeschi, der wirtschaftsliberale Streber, wird seine Partei in Blochermanier von den anderen Parteien abzugrenzen versuchen.
Foto: Patrick Luethy
Nico Menzato, Ruedi Studer, Andrea Willimann

Es ist eine Wahl, welche die Schweizer Politik massgeblich verändern könnte: Wer wird kommenden Freitag neuer SVP-Fraktionschef? Ein Trio hat sich für das Amt des Einpeitschers beworben: Thomas Aeschi (38, ZG), Alfred Heer (56, ZH) und Werner Salzmann (55, BE).

BLICK hat fast mit der gesamten SVP-Fraktion gesprochen. Nur sieben Politiker gaben an, für den grossen Aussenseiter Salzmann zu stimmen.

Streber gegen Polteri

Es läuft also auf einen Zweikampf Aeschi gegen Heer heraus – und damit auf eine Weichenstellung in der Volkspartei. Obwohl die beiden stramm auf SVP-Linie politisieren, unterscheiden sie sich im Stil und Charakter diametral.

Aeschi, der wirtschaftsliberale Streber, wird seine Partei in Blochermanier von den anderen Parteien abzugrenzen versuchen. Heer, der hemdsärmlige und pragmatische Polteri, wird stärker versuchen, auf die Mitteparteien zuzugehen und Kompromisse zu schmieden.

Heisst es in den nächsten Jahren weiterhin SVP gegen alle anderen oder kommts vermehrt zum bürgerlichen Schulterschluss? Die Ausmarchung des SVP-Fraktionschefs wird dies zeigen. 

74 National- und Ständeräte zählt die SVP im Parlament – die grösste in der Schweizer Geschichte. Und sie scheint zwischen Aeschi und Heer gespalten. Wer aber hat sechs Tage vor der Wahl die bessere Karten?

18 zu 14 für Aeschi

BLICK hat von 39 Parlamentariern eine konkrete Antwort erhalten, welchen Namen sie auf den Wahlzettel schreiben werden. Die Nase vorn hat Aeschi. 18 Fraktionskollegen bekennen sich in der Umfrage zum Zuger Harvard-Absolventen.

Heer ist ihm mit 14 Unterstützern aber dicht auf den Fersen. 28 Fraktionsmitglieder sind (angeblich) noch unentschlossen oder wollten sich nicht zu ihrer Wahlabsicht äussern – zu Letzteren zählen auch Aeschi und Salzmann selbst. Heer hingegen sagt: «Ich werde mich enthalten.» Sechs SVPler waren über mehrere Tage nicht zu erreichen.

Der als Favorit gehandelte Aeschi muss also zittern. Gut möglich, dass auf die erfolglose Bundesratskandidatur 2015 eine weitere Schlappe folgt. Vor allem bei den SVP-Bauern und den Romands hat der neoliberale Ökonom einen schweren Stand. Dabei werden ihm durchs Band Fach- und Führungskompetenzen zugesprochen.

Ritalin für Aeschi

«Fleissig, belesen, tüchtig, dossierfest, sehr kollegial», beschreibt etwa Andreas Glarner (55, AG) den derzeitigen Vizepräsidenten der Fraktion. «Eine Verjüngung tut der Parteispitze gut», ergänzt Ulrich Giezendanner (64, AG).

Auch zwei Luzerner, Franz Grüter (54) und Felix Müri (59), weibeln für Aeschi. «Er ist so stark und so tüchtig, ja, man muss ihm fast Ritalin geben», sagt Müri. Aeschi würde die Zentralschweiz – neben Zürich und Bern die dritte Hochburg der SVP – besser in der obersten Etage der Partei einbinden. 

Aeschi-Gegner, wie auch Unterstützer, kritisieren jedoch die streberhafte Art des Zugers. «Es geht nicht nur darum, die Sitzungen möglichst schnell über die Bühne zu bringen. Ein Fraktionschef muss vielmehr auf die einzelnen Fraktionsmitglieder persönlich eingehen», so Luzi Stamm (AG, 65).

Aeschi könnte nicht nur bei Stamm punkten, wenn er ihn überzeugt, dass er als Mitglied der Finanz- und  Wirtschaftskommission genügend Zeit für das anspruchsvolle Amt findet. Auch ein anderer meint, er sollte sich ab und an Zeit für einen Kaffee mit den Leuten nehmen.

Fredi – der unterschätzte Kumpel-Typ

Geht Aeschi der Kumpelfaktor ab, punktet Alfred «Fredi» Heer damit. Der diplomierte Kaufmann aus dem Zürcher Langstrassenquartier hat viele Fans – und dies nicht nur bei den Zürchern. Offen für ihren Fredi plädieren allerdings nur Zürcher wie etwa Natalie Rickli (40, ZH): «Er ist fünfsprachig und in der Lage, Allianzen zu schmieden.»

Tatsächlich werden dem Präsidenten der Geschäftsprüfungskommission und der Schweizer Delegation im Europarat die nötige Geschmeidigkeit und Offenheit attestiert, gute Kontakte zu den anderen Fraktionen zu schaffen.

Barbara Steinemann (41, ZH) sagt: «Ich bin für Fredi. Er ist ein Allrounder, kann autoritär auftreten, ist wortgewaltig und schlagfertig.» Man habe mit ihm als Fraktionschef im Zürcher Kantonsrat allerbeste Erfahrungen gemacht.

Heer gilt vor allem auch als unabhängig. Ganz besonders ist er der Kandidat all jener, die Aeschi als «von Herrliberg geführt» sehen. Trumpf oder Handicap? Das wird sich kommenden Freitag zeigen. Und auch, wie stark der Einfluss von Übervater Christoph Blocher (77) noch immer ist.

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