«Bier zu degustieren, ist doch sinnvoller, als sich über Stunden die SVP-Show im Nationalrat anzuhören», sagte CVP-Nationalrat und Bierbrauer Alois Gmür (64) gestern Abend im Bundeshaus-Restaurant augenzwinkernd zu BLICK – und gönnte sich einen grossen Schluck eines namibischen Gebräus. Ein afrikanisches Bier trank auch SVP-Nationalrat und Gewerbeverbands-Präsident Jean-François Rime (69). Er werde der SVP-Begrenzungs-Initiative natürlich zustimmen, sich aber aus Rücksicht auf seinen Verband im Abstimmungskampf zurückhalten.
Während im Bundeshaus-Restaurant gestern Abend zeitweise gar etwas Dichtestress herrschte – neben der Bier- gabs auch noch eine Wein-Degustation –, waren die Ränge im Nationalratssaal mehrheitlich leer. Dort lief eine sechsstündige Redeschlacht. Thema: die Begrenzungs-Initiative der SVP. Mit dieser unternimmt die Volkspartei einen zweiten Versuch, die Zuwanderung in die Schweiz zu bremsen.
Kündigung der Personenfreizügigkeit als klares Ziel
Rückblick: Am 9. Februar 2014 feierte die SVP einen ihrer grössten Erfolge. Volk und Stände sagten Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative. Doch das Parlament stemmte sich gegen die Einführung von Zuwanderungs-Kontingenten und setzte auf einen Inländervorrang light. Zum Ärger der SVP, die ein neuerliches Volksbegehren lancierte.
Eben die Begrenzungs-Initiative. Diese ist klarer formuliert als ihre Vorgängerin. Sie verlangt explizit die Kündigung der Personenfreizügigkeit mit der EU, falls eine einvernehmliche Ausserkraftsetzung innerhalb von zwölf Monaten nicht gelingen sollte.
«80 Prozent der Zuwanderer kommen nicht in Mangelberufe»
Balthasar Glättli (47), Fraktionschef der Grünen, lobt denn auch diese Klarheit. Es sei kein Versteckspiel mehr. Ein Ja hätte die Kündigung der Bilateralen zur Folge. Die allermeisten anderen Grünen verzichteten darauf, an der Redeschlacht teilzunehmen. Geprägt war diese ohnehin stark durch den Wahlkampf. «Unsere Argumente sind so klar, dass man sie nicht vierzig Mal wiederholen muss», so der Zürcher.
40 SVPler wollten das Wort ergreifen, es reichte gestern nicht für alle. Jene, die durften, kritisierten die Personenfreizügigkeit, warnten vor einer Zehn-Millionen-Einwohner-Schweiz und den Folgen der Zuwanderung: volle Züge, überfüllte Strassen, Zubetonierung der Landschaft und Verdrängung auf dem Arbeitsmarkt. Es bringe nichts, wenn die Wirtschaft wachse, aber nicht die Wirtschaftsleistung pro Kopf, sagte etwa Gregor Rutz (46): «80 Prozent der Zuwanderer kommen nicht in Mangelberufe.»
SVP-Landwirt Marcel Dettling (38) warnte davor, dass aufgrund der Zuwanderung immer mehr Kulturland verloren geht: «Beton können wir nicht essen. Und wenn wir keinen Boden mehr zum Bewirtschaften haben, brauchen wir auch keine ausländischen Arbeitskräfte, um ihn zu bestellen.»
Gegner nennen Vorlage Mauerbau-Initiative
Linke und Mitte-Politiker nannten das Begehren, das formell «Für eine massvolle Zuwanderung» heisst, konsequent Kündigungs-Initiative. Auch Bezeichnungen wie Abschottungs-Initiative, Mauerbau-Initiative oder Schweizer Brexit waren zu hören. Und immer wieder die Warnung: Das Volksbegehren gefährde den Wohlstand der Schweiz.
Die Initiative sei ausländerfeindliche Stimmungsmache, wetterte etwa Corrado Pardini (54, SP). Die SVP wolle «zurück in eine Schweiz der Schande, der Baracken». Bundesrätin Karin Keller-Sutter (55) lauschte über Stunden den Ausführungen. Sie selber kam nicht mehr zu Wort. Um 21.45 Uhr wurde die Debatte vertagt. Am Mittwoch in einer Woche geht es weiter. Auch ohne Abstimmung ist bereits klar: Alle Parteien ausser der SVP werden die Initiative geschlossen ablehnen.
Begrenzungs-Initiative im Nationalrat