Würenlinger Alt-Gemeinderat kritisiert den Bundesrats-Deal mit Terroristen
«Man hätte die Mörder nie laufen lassen dürfen»

Ein Geheimabkommen 1970 zwischen Bundesrat und Palästinensern verschonte die Schweiz womöglich vor weiteren Terroranschlägen. Der Preis dafür: Die Attentäter des Flugzeuganschlags von Würenlingen wurden nie angeklagt. Der ehemalige Würenlinger Gemeinderat Arthur Schneider ist zwar froh, dass man nun Gewissheit hat. Doch er sagt klar: «Die Bundesbehörden haben in diesem Fall versagt»
Publiziert: 20.01.2016 um 14:48 Uhr
|
Aktualisiert: 10.09.2018 um 13:25 Uhr
1/11
Die Gedenkfeier am 21. Februar 1980 beim Denkmal auf der Absturzstelle des Swissairflugzeuges Coronado CV-990 in der Nähe von Würenlingen im Kanton Aargau.
Foto: KEY
Ruedi Studer

Ein neues Buch des «NZZ»-Journalisten Marcel Gyr bringt Licht ins Dunkel um den Flugzeugabsturz von Würenlingen (AG) am 21. Februar 1970. Beim Bombenattentat auf die Swissair-Coronado kamen 47 Menschen ums Leben. Obwohl Exponenten einer palästinensischen Splittergruppe PFLP General Command für den Anschlag verantwortlich gemacht wurden, kam es nie zu einer Anklage.

Der damalige Würenlinger Gemeinderat Arthur Schneider (74) .

Der Grund dafür ist womöglich ein Geheimabkommen, welches der damalige SP-Bundesrat Pierre Graber mit der palästinensischen Befreiungsorganisation PLO abgeschlossen hatte. Ein Stillhalteabkommen, welches die Schweiz vor weiteren Anschlägen bewahren sollte. Zwar gibt es keine Beweise dafür, dass die Attentäter wegen dieses Abkommens nie verfolgt wurden, aber Indizien.

«Tag der Erleichterung»

Der damalige Würenlinger Gemeinderat Arthur Schneider (74) hatte den Absturz miterlebt und letztes Jahr das Buch «Goodbye everybody» über die Ereignisse veröffentlicht.

«Der heutige Tag ist eine Erleichterung und ein gewisser Trost für die Angehörigen und alle, die sich mit dem Fall über Jahrzehnte befasst haben, dass man endlich weiss, warum die Attentäter nie verfolgt wurden. In aller Tragik ist es für mich ein Super-Tag – und eine Belohnung, dass man nie locker gelassen hat», sagt Schneider zu BLICK.

«Die Angehörigen immer haben sehr darunter gelitten, dass sie nie erfahren haben, weshalb die Mörder ihrer Angehörigen nie bestraft wurden – und haben sich hinterfragt, was die Gründe dafür sind.» Das sei eine stetige Belastung gewesen. «Für die Angehörigen und die Öffentlichkeit war der Fall während 46 Jahren nicht abgeschlossen. Immer stellte sich die Frage: Wieso?»

Er selber habe stets vermutet, dass hinter den Kulissen etwas gelaufen sein musste, so Schneider, der sich intensiv mit der Materie befasst hat. Er vermutete einen Deal zwischen der Schweiz und den Palästinensern, damit die Schweiz vor weiteren Attentaten verschont wurde.

«Unberechtigte Begründung»

Jetzt hat Schneider endlich Gewissheit. «Wir haben nun zwar eine Begründung – und darüber bin ich froh. Aber die Geschichte hinterlässt einen schalen Nachgeschmack. Einerseits, weil nie darüber informiert wurde. Andererseits halte ich die Begründung für unberechtigt.»

Er sei kein Freund solcher Deals, denn sie würden nicht funktionieren. «Vielleicht wurde die Schweiz verschont, aber die Täter waren anderswo weiterhin aktiv», sagt Schneider. Für ihn ist klar: «Man hätte die Mörder nie laufen lassen dürfen. Das ist unserer Schweizer Demokratie nicht würdig. Die Bundesbehörden haben in diesem Fall versagt.»

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?