Drei Millionen Flyer gegen die Wohn-Initiative verteilte der Hauseigentümerverband letzte Woche in der ganzen Schweiz. Diese wurden vor allem in ländlichen Regionen, kleineren Städten und Agglomerationen gestreut. Dort, wo der Leerwohnungsbestand eher hoch und die Zahl gemeinnütziger Wohnungen tief ist. Dort, wo die Gegner für ein Nein zu mobilisieren hoffen.
Der Schlussspurt der Nein-Seite ist auch nötig, liegen die Gegner laut jüngsten Umfragen doch im Hintertreffen. Gemäss der ersten SRG-Trendumfrage sagen 66 Prozent Ja zur Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» des Mieterverbands, die am 9. Februar an die Urne kommt. Auch andere Umfragen sehen den Ja-Anteil bei über 60 Prozent. Ein Volks-Ja liegt also in Griffweite.
Ständemehr als Knacknuss
Umso stärker rückt damit das Ständemehr in den Fokus. Für die Initianten wird die Kantonshürde nämlich zur Knacknuss: Die sechs Halbkantone haben jeweils nur eine halbe Stimme, gemeinsam also 3 Standesstimmen. Zusammen mit den übrigen 20 Kantonen sind das 23 Standesstimmen. Für eine Mehrheit braucht es also 12 Standesstimmen. Und schon bei einem Patt mit je 11,5 Standesstimmen fällt die Initiative durch.
Eine Tendenz zeichnet sich bereits ab: Beim Ständemehr könnte es knapp werden. Zwar dürften die meisten welschen Kantone und das Tessin die Initiative annehmen. In der SRG-Umfrage liegt der Ja-Anteil in beiden Regionen bei über 70 Prozent. Zu den Befürwortern zählen wohl auch die urban geprägten Kantone mit starker Genossenschaftstradition wie Basel-Stadt oder Zürich.
Besonders das Mittelland und die Zentralschweiz sind aber umkämpft. So zählen etwa Baselland und Bern zu den Wackelkantonen, aber auch Schaffhausen. «In Schaffhausen haben wir unsere Kampagne mit einem Versand in alle Haushalte nochmals verstärkt», sagt darum Natalie Imboden (49) vom Mieterverband.
Zum Nein-Lager hingegen werden vor allem Landkantone gezählt. Etwa die Halbkantone Ob- und Nidwalden oder die beiden Appenzell. Auch der Thurgau, Uri, Solothurn, das Wallis, Graubünden, Glarus und St. Gallen dürften eher gegen die Initiative stimmen.
SP-Badran: «Auch viele Landkantone betroffen»
Da stellt sich die Frage: Ist den Landkantonen die Wohnungsnot in den Städten egal? «Nein, das glaube ich weniger», sagt ausgerechnet SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (58, ZH), die an vorderster Front für die Initiative weibelt. «Denn auch viele Landkantone sind massiv von steigenden Mieten betroffen. In Schwyz zum Beispiel sind die Mieten in den letzten sieben Jahren um 40 Prozent gestiegen! Der ganze Mittelstand wird dort verdrängt.» Auch in touristischen Landregionen kämen die Einheimischen immer stärker unter Druck. Badran rechnet daher etwa auch in Kantonen wie Zug, Luzern und Schwyz mit einem Ja.
Sie hoffe zudem auf ein Umdenken in Kantonen, die indirekt betroffen seien. «Durch ungesetzliche Renditen im Wohnungsmarkt fehlen den Leuten gemäss einer Raiffeisen-Studie jedes Jahr 14 Milliarden Franken in der Tasche. Und was streichen die Leute als Erstes aus dem Budget?», fragt sie und gibt auch gleich die Antwort: «Zum Beispiel das lange Wochenende oder die Ferien in den Bergen.»
Zudem würden die Bewohner der Landkantone, deren Kinder in die Ballungszentren zum Studieren oder Arbeiten gingen, sehen, dass es so nicht mehr weitergehen könne. «Schlussendlich sind alle betroffen», so Badran. «Wenn die Leute das merken, schafft die Initiative auch das Ständemehr.»
CVP-Häberli gegen «starre Regeln»
Auf der Gegnerseite hofft man weiterhin auf ein Nein bei Volks- und Ständemehr. «Aber auch wenn wir nur dank des Ständemehrs gewinnen, gehört das zu den Spielregeln der direkten Demokratie», erklärt CVP-Ständerätin Brigitte Häberli (61) als Co-Präsidentin des Nein-Komitees.
Eine allfällige Ablehnung der Initiative dürfe man den Landkantonen nicht zum Vorwurf machen, so Häberli. «Natürlich ist die Wohnungssituation in den Städten anspruchsvoller, deshalb müssen wir aber nicht dem ganzen Land starre Regeln und eine Zehn-Prozent-Quote aufzwingen. Das widerspricht unserem föderalistischen System.»
In ländlichen Gebieten sei der Bedarf an gemeinnützigen Wohnungen weniger vorhanden, glaubt die Thurgauerin. Von einem Nein zur Initiative würden die Städte sogar profitieren, ist sie überzeugt. «Dann wird der Fonds für die Wohnbauförderung rasch um 250 Millionen Franken aufgestockt», sagt sie. Denn diese Aufstockung ist vom Bundesrat bei einem Nein vorgesehen. Und dann entstünden dort gemeinnützige Wohnungen, «wo sie auch gebraucht werden: in den Städten und Agglomerationen», argumentiert Häberli.
Am 9. Februar 2020 stimmen wir über die Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» ab. Gemäss Umfrage kommt sie im Volk gut an. Doch was will der Mieterverband genau? BLICK beantwortet die wichtigsten Fragen.
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Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.
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