Das Licht ist gedämpft, violette LED-Lämpchen weisen den Weg. Aus unsichtbaren Lautsprechern säuselt Marina Kaye «Freeze You Out». Überall tschätteret es, piepst und blinkt es. Willkommen im Grand Casino Bern.
Schweizerdeutsch wird hier kaum gesprochen – die meisten Angestellten und auch die Gäste an diesem Mittwochabend stammen nicht aus der Bundesstadt. Vor den Spielautomaten stehen vor allem Asiaten, die dem Glücksspiel traditionell sehr zugetan sind.
Wo bleibt James Bond?
An den Tischen – man kann sein Glück beim Roulette, Poker und Black Jack herausfordern – herrschen eher osteuropäische Akzente vor. Das Tenue ist locker: T-Shirts, Turnschuhe, selbst Shorts sind anzutreffen. Hauptsache, der Rubel rollt.
Mit mondänen Szenen aus James-Bond-Filmen hat das nichts zu tun. Keine Femmes fatales, kein Drama, kein «Rien ne va plus». Und ausgerechnet hier soll die skrupelloseste Lobby der Schweiz sitzen?
Genau das behaupten die Gegner des Geldspielgesetzes, das am 10. Juni an die Urne kommt. Sie vermitteln den Eindruck, dass die Schweizer Casinos vor nichts zurückschrecken, um das Gesetz nach ihrem Gutdünken zu formen und ihre Pfründe ins Internet auszuweiten. Denn das Geldspielgesetz erlaubt nur den Schweizer Casinos, Onlineglücksspiele anzubieten. Ausländische Anbieter, die nicht mindestens einen Anteil an einer Schweizer Spielbank haben, werden gesperrt.
Viele Casinos auf wenig Raum
Wer also steckt hinter der Casino-Lobby? 21 Spielbanken gibt es in der Schweiz. Viel im Vergleich zum Ausland. Deutschland mit zehnmal mehr Einwohnern hat nur um die 60 Casinos. Dafür aber Tausende Spielhallen, die es hierzulande nicht gibt.
Auch die 4500 Spielautomaten zwischen Boden-, Genfer- und Luganersee dürfen nur in den Casinos stehen. Mit ihnen machen die Spielbanken 80 Prozent ihres Umsatzes. An den Tischen werden nur 20 Prozent verdient. Alles ist streng reglementiert – vom Zufallsgenerator bei einarmigen Banditen bis hin zur Kesseldrehgeschwindigkeit des Roulettes.
Beispielsweise dürfen die 13 kleinen Casinos mit B-Konzession, die aus den ehemaligen Kursälen hervorgegangen sind, nur drei verschiedene Tischspiele anbieten und 250 Automaten aufstellen. Doch nicht nur deshalb sind sie weniger attraktiv als die Grand Casinos mit einer A-Konzession. Bei ihnen sind auch die Einsätze und Gewinne nach oben beschränkt.
Der höchste Gewinn: 7,56 Millionen Franken
Währenddessen können die acht Grand Casinos unlimitiert fast alles anbieten und ihre Jackpots auch noch untereinander verbinden. Dass der höchste Gewinn aller Zeiten in einer Spielbak mit A-Konzession ausbezahlt wurde, erstaunt da nicht: Am 18. September 2016 gewann ein Glücklicher 7,56 Millionen Franken im Casino Zürich.
Wie rentabel eine Spielbank ist, hängt aber nur bedingt von der Konzession ab. So machten die B-Casinos Meyrin GE und Mendrisio TI mehr Bruttospielertrag (wie der Umsatz in der Branche genannt wird) als die A-Spielbanken Bern, Luzern, Lugano und St. Gallen.
Am möglichst hohen Glücksspielumsatz hat die ganze Schweiz ein Interesse. Denn je höher der Bruttospielertrag, desto höher auch die Spielbankenabgabe – je nach Fall muss ein Casino zwischen 40 und 80 Prozent des Umsatzes abliefern. Das Geld der grossen A-Casinos fliesst zu 100 Prozent in die AHV. Die B-Casinos zahlen 60 Prozent an die AHV und 40 Prozent an den Standortkanton. Seit Bestehen der Casinos 2002 kamen der Allgemeinheit allein dadurch sechs Milliarden Franken zugute.
Die wenigen zieht es ins Internet
Diesen Zustupf sehen die Befürworter des neuen Geldspielgesetzes bedroht. Denn die Spielerträge in den Schweizer Spielbanken sinken von Jahr zu Jahr. Anders als die Asiaten sind die Schweizer nämlich kein besonders spielfreudiges Völkchen.
Und die wenigen hiesigen Glücksspielfans zieht es mehr und mehr ins Internet, wo sie wegen der hohen Kaufkraft für ausländische Anbieter sehr attraktive Kunden sind. Gemäss einer Studie der Uni Bern im Auftrag des Bundes fliessen pro Jahr rund 250 Millionen Franken aus der Schweiz in die Kassen ausländischer Onlineanbieter. Tendenz stark steigend.
Von deren Gewinnen haben AHV und Kantone nichts. Den Vorwurf, die Schweizer Spielbanken-Lobby habe in beispielloser Weise Bundesrat und Parlament beeinflusst, weist der Verband von sich. «Die Schweizer Casinos wurden zur Vernehmlassung zum Gesetz eingeladen und haben hier ihre Meinung kundgetan, wie viele andere Gruppierungen auch», so Marc Friedrich, Direktor des Schweizer Casinosverbands. «Wir haben allerdings ein sehr starkes Lobbying von ausländischen Onlinecasinos gespürt.»
Fast die Hälfte in ausländischer Hand
Und dass der Schweizer Markt mit dem Gesetz für ausländische Anbieter gesperrt werde, stimme gar nicht, so Friedrich. Denn von den 21 Schweizer Spielbanken seien bereits neun in mehrheitlich ausländischem Besitz. So gehört das Casino Basel zu 95 Prozent der französischen Groupe Tranchant. Und das Casino Mendrisio zu 100 Prozent der österreichischen Novomatic-Gruppe.
Auch 13 Prozent des Grand Casino Bern, das 2016 ganze 50 Millionen Umsatz erzielt hat, sind im Besitz der Casinos Austria. In der Berner Spielbank wird unterdessen munter weitergezockt. Unter den wachsamen Blicken des Pit Bosses – der Mann hinter dem Tisch, der für den reibungslosen Spielablauf zuständig ist – lässt der Croupier eine neue Kugel rollen.
Das neue Geldspielgesetz stellt die Spielregeln im Internetzeitalter auf und will die Spieler vor Missbrauch schützen. Daher sollen nur Casinos mit Sitz in der Schweiz neu Onlinespiele anbieten dürfen. Ausländische Webseiten werden gesperrt. Gegen diese Sperren wehren sich die Gegner des Gesetzes – vor allem die Jungparteien. Angeführt von der Jungen FDP haben sie erfolgreich das Referendum ergriffen. Sie befürchten, dass der Staat später auch andere kommerzielle Inter-netangebote sperren wird.
Das neue Geldspielgesetz stellt die Spielregeln im Internetzeitalter auf und will die Spieler vor Missbrauch schützen. Daher sollen nur Casinos mit Sitz in der Schweiz neu Onlinespiele anbieten dürfen. Ausländische Webseiten werden gesperrt. Gegen diese Sperren wehren sich die Gegner des Gesetzes – vor allem die Jungparteien. Angeführt von der Jungen FDP haben sie erfolgreich das Referendum ergriffen. Sie befürchten, dass der Staat später auch andere kommerzielle Inter-netangebote sperren wird.