Seit Tagen munkeln Diplomaten, dass der türkische Machthaber Recep Tayyip Erdogan am Dienstag am Globalen Flüchtlingsforum in Genf teilnehmen werde. Bisher hielten sich offizielle Stellen bedeckt, doch jetzt bestätigt das Aussendepartement EDA den Besuch: «Gemäss vorliegenden Angaben nimmt eine türkische Delegation unter der Leitung von Präsident Erdogan am Forum teil», sagt Sprecherin Carole Wälti.
Mit der blossen Anwesenheit an der internationalen Konferenz gibt sich der türkische Autokrat aber offenbar nicht zufrieden. SonntagsBlick-Recherchen zeigen: Erdogan plant zusätzlich einen Propaganda-Auftritt vor seinen Anhängern.
«Um unseren Führer zu sehen»
Noch ist unklar, wo genau dieser stattfinden soll. Vieles deutet aber auf das Genfer Nobelhotel Four Seasons hin. Dorthin jedenfalls mobilisieren Erdogan-nahe Kreise für Montagmittag.
Die Union Internationaler Demokraten, eine Lobby-Organisation der türkischen Regierungspartei AKP, ruft ihre Anhänger über soziale Medien und SMS-Nachrichten dazu auf, in Massen nach Genf zu reisen. Die Reaktion folgt prompt. Ein Aargauer Türke schreibt auf Facebook: «Wir werden kommen, so Gott will! Um unseren Führer zu sehen, würden wir unser Leben opfern.» Andere organisieren bereits Busfahrten nach Genf. Am Abend soll der türkische Machthaber im kleinen Kreis zudem ein geheimes Galadinner für seine Verbindungsleute in der Schweiz geben.
Sahin agiert als verlängerter Arm Erdogans in der Schweiz
Einer der dort mit dem türkischen Präsidenten am Tisch sitzen dürfte, ist Murat Sahin, Präsident der Union Internationaler Demokraten. Sahin pflegt seit Jahren enge Verbindungen in den türkischen Machtapparat und agiert als verlängerter Arm Erdogans in der Schweiz.
Den Propaganda-Auftritt in Genf dürfte er persönlich eingefädelt haben. Auf Facebook schwörte er Erdogan seine bedingungslose Treue: «Solange ich atmen kann, werde ich mit meinem ganzen Dasein dort stehen, wo du mir befiehlst, und zusammen mit dir auf diesem Weg kämpfen.»
Proteste von linken Aktivisten und Kurden
Während Bund und Kantone für das offizielle Flüchtlingsforum vom Dienstag ein massives Sicherheitsdispositiv bereitstellen, dürfte Erdogans kurzfristiger Auftritt vom Montag deutlich heikler werden. Linke Aktivisten und Kurden bereiten im Hintergrund bereits Proteste vor. Es drohen Zusammenstösse zwischen den verfeindeten Lagern.
Schon seit Monaten demonstrieren Erdogan-Gegner regelmässig in Schweizer Städten. Die Kundgebungen richten sich gegen den Angriffskrieg der Türkei gegen die Kurden in Nordsyrien. Erst kürzlich warnte der Nachrichtendienst des Bundes vor Gewalt gegen türkische Einrichtungen und militanten Demonstrationen.