Wie sich die SVP auf die Kandidatin für das Bundesgericht einschoss
Eklat um Richterkandidatin

SVP und Mitte-Links streiten heftig um einen Sitz Bundesgericht. Die SVP-Fraktion verhörte die CVP-Kandidatin unüblich hart.
Publiziert: 15.06.2019 um 23:48 Uhr
|
Aktualisiert: 24.01.2024 um 00:07 Uhr
1/7
CVP-Kandidatin Julia Hänni wurde von der SVP-Fraktion eine Stunde in die Mangel genommen.
Foto: zvg
Reza Rafi

Richterwahlen sind gewöhnlich nicht der Stoff für Krimis. Anders die Kandidatur der 41-jährigen CVP-Frau Julia Hänni, die sich am Mittwoch dem Par­lament zur Wahl ans Bundesgericht stellt. Hinter den Kulissen wird erbittert um das Geschäft gestritten.

Alles begann mit einem Vorentscheid der Gerichtskommission des Parlaments: Im Mai befand das überparteiliche Gremium, Hänni – sie ist Assistenzprofessorin an der Uni Luzern – wegen ihrer überzeugenden Qualifikation zu empfehlen. Das Nachsehen hatte der SVP-Kandidat Thomas Müller (54).

Das hat die SVP-Strategen alarmiert: Es geht doch um einen ­Ersatz für einen SVP-Mann!

Süsser Traum für den Doyen von Herrliberg

Doch die Sache ist kompliziert: Aufgrund eines internen Wechsels wird ein Posten in der Zweiten öffentlich-rechtlichen Abteilung frei. Diese Kammer fällt brisante Urteile: Ausländerrecht, Bilaterale, EU.

Zwei der sechs Mitglieder in dieser Abteilung sind in der SVP. Würde am Mittwoch Müller gewählt, stellte die Partei die Hälfte. Weil dort zu dritt und zu fünft Recht gesprochen wird, wären Szenarien mit SVP-Richtern in der Mehrheit kaum zu vermeiden. Ein Graus für Mitte-links. Ein süsser Traum für den Doyen von Herrliberg.

Also schaltet die SVP einen Gang höher. Am Morgen des 6. Juni um 7 Uhr staunen die Mitglieder der Gerichtskommission: Am Tisch sitzen Parteipräsident Albert Rösti (51) und Fraktionschef Thomas Aeschi (40). Sie pochen auf das Parteienverhältnis und wollen eine Doppelempfehlung. Manche Anwesende ärgern sich über die ungebetenen Alphatiere. In der Tat sind die SVP-Richter in Lausanne gemessen an der Wählerstärke untervertreten – wobei bis im Herbst vier weitere Sitze in Lausanne neu zu besetzen sind.

Die Stimmung sei giftig gewesen

Rösti und Aeschi ersetzen an diesem Morgen zwei SVP-Kollegen, die für sie Platz machen. Was zwar regulär, aber doch höchst ungewöhnlich ist. Per Stichentscheid wird die Kommission am Nachmittag desselben Tages trotzdem nur Hänni nominieren. Mit dem Hinweis in der französischen Medienmitteilung auf ihren «extrem brillanten» akademischen Werdegang.

Die Feindseligkeit der SVP ­gegenüber Julia Hänni spürte diese letzten Dienstag. Am Nachmittag ist sie in der Fraktion vorgeladen, nachdem eine Woche zuvor SVP-Mann Müller angehört wurde. ­Geplant sind 15 Minuten.

Schliesslich wird die Christdemokratin über eine Stunde lang von den rund siebzig Parlamentariern «gegrillt». «Giftig» sei die Stimmung gewesen. Es habe Fragen zu Politik und laufenden Verfahren gehagelt, zu deren Beantwortung die Richterkandidatin gar nicht befugt ist.

«Die SVP hat Vorrang»

Thomas Aeschi sagt zu SonntagsBlick: «Besonders die Juristen in unserer Fraktion haben sich minutiös auf den Besuch von Frau Hänni vorbereitet und detaillierte, sachliche Fragen gestellt.»

Auch die Medien werden eingeschaltet: «Die SVP hat Vorrang», ­titelt die «NZZ» am Freitag. Den Aspekt der Geschäftsverteilung liefert das Blatt erst tags darauf nach, auf Input aus dem Bundesparlament.

Das Rennen ist offen: CVP und Linke unterstützen Hänni, SVP, FDP und BDP Müller. Aeschi droht bereits mit der Retourkutsche: «Wir haben immer auch linke und grüne Richter gewählt. Wird uns aus illegitimen Gründen der Sitz verwehrt, gefährden diese Parteien damit den Fortbestand des Parteienproporzes bei den Richterwahlen.»

Der Streit erinnert an die Intrigen bei der Besetzung des US-amerikanischen Supreme Court. In der «NZZ» redete Aeschi von der «Trumpisierung» der Justiz. Er meinte damit natürlich nur seine Gegner.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?