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Wegen Tabakwerbung an Weltausstellung
Image-Desaster für die Schweiz

Tabak-Multi Philip Morris ist 2020 Hauptsponsor des Schweizer Expo-Pavillons in Dubai. Das sorgt international für Kritik. Verantwortlich fürs Feuer unterm Dach ist das EDA von Bundesrat Ignazio Cassis.
Publiziert: 22.07.2019 um 22:57 Uhr
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Aktualisiert: 23.07.2019 um 11:13 Uhr
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FDP-Aussenminister gerät wegen eines Sponsorings gehörig unter Druck.
Foto: AFP
Nico Menzato

In der Schweiz sterben Jahr für Jahr fast 10'000 Menschen an den Folgen von Tabakkonsum. Der Bund warnt vor der «grossen Belastung für die öffentliche Gesundheit» – und steckt Millionen in die Prävention.

Und plötzlich das: Derselbe Bund ermöglicht dem weltgrössten Tabakkonzern Philip Morris, im Namen der Schweiz zu werben. An der Expo im Herbst 2020 in Dubai, wie «CH Media» letzte Woche publik machte. Der Hersteller von Zigarettenmarken wie Marlboro oder Chesterfield ist zusammen mit der Schindler Aufzüge AG Hauptsponsor des Schweizer Pavillons! 1,8 Millionen Franken lässt sich der Weltkonzern den vom EDA versprochenen «Imagetransfer» kosten.

Kann ein Arzt dies verantworten?

Schon bei der Er­öffnung der neuen Botschaft in Moskau im Juni war Philip Morris «Goldsponsor». Verantwortlich für diese Zusammenarbeiten ist ausgerechnet der erste Arzt im Bundesrat der Neuzeit: Aussenminister Ignazio Cassis (58).

Jetzt hagelt Kritik auf den FDPler nieder – nationale wie internationale.

Die Weltgesundheitsorganisation der Uno, die WHO, rüffelt die Schweiz. «Dass nun ausgerechnet die Schweiz als Sitzstaat der WHO eine Sponsoring-Partnerschaft mit einem Tabakkonzern eingeht, ist sehr bedenklich», so die Zentrale der WHO in Genf zum «Tages-Anzeiger».

Die WHO sagt, sie habe in Bern «bei hohen Stellen interveniert». Weil der Deal mit Philip Morris unzulässig sein könnte. Die Expo in Dubai unterstehe einer Vereinbarung, wonach Tabaksponsoring an Weltausstellungen untersagt sei. Dasselbe gelte für E-Zigaretten. «Wir werden darauf drängen, dass die Vereinbarung auch im Schweizer Pavillon in Dubai eingehalten wird.» Das EDA widerspricht, alles sei regelkonform.

EDA: «Philip Morris ist ein wichtiges Unternehmen»

Die Lungenliga, der Verband Sucht Schweiz und die Arbeitsgemeinschaft Nichtrauchen haben Cassis bereits mit einem Schreiben ihr Unverständnis mitgeteilt. «Geld stinkt nicht», heisst es im Brief. Dass die öffentliche Hand einerseits Tabakprävention betreibe und anderseits zur Tabakwerbung beitrage, sei ein Widerspruch. Und auch das Bundesamt für Gesundheit von Alain Berset (47, SP) kritisiert Cassis. Und: Die unabhängige Schweizer Kampagnenorganisation Campax hat gestern eine Petition gegen das geplante Sponsoring gestartet. Innert kürzester Zeit haben fast 2000 Personen unterschrieben.

Trotz des geballten Widerstands. Der Tessiner scheint (noch) kein Verständnis für die Bedenken zu haben. Die Prävention sei ein «wichtiges Thema», das vom EDA bei der Abwägung der Interessen berücksichtigt wurde», so das Departement auf BLICK-Anfrage.

Es werde sichergestellt, «dass in keiner Weise der Eindruck entsteht, dass der Bund den Konsum von Tabakerzeugnissen fördert». Die Sichtbarkeit von Philip Morris sei auf einen Bereich konzentriert, der nur für Personen über 21 Jahre zugänglich sei. Dort werde ein Produkt beworben, «das als Alternative zur traditionellen Zigarette entwickelt wurde». Gegenüber «CH Media» sagte das EDA zudem, Philip Morris sei ein wirtschaftlich wichtiges Unternehmen mit Europa-Sitz in der Schweiz. 

Schon bei Syngenta und Nestlé gabs Kritik

Der Aussenminister und der für den Expo-Auftritt zuständige Präsenz-Schweiz-Chef Nicolas Bideau (50) hätten wissen müssen, dass sie mit diesem Engagement mächtig unter Beschuss geraten. 2015 gab es bereits Kritik, weil der Agrar-Chemie-Konzern Syngenta und der Lebensmittel-Multi Nestlé die Expo in Mailand zum Thema Wasser sponserten.

Dem ehemaligen FDP-Fraktionschef fehlt seit seinem Amtsantritt in der Regierung im November 2017 gelegentlich das politische Sensorium. Bei seiner ersten Afrika-Reise Anfang Jahr etwa lobte er eine umstrittene Kupfermine in Sambia. «Beeindruckt vom Engagement zur Modernisierung der Anlagen und der Ausbildung der Jungen», twitterte der Magistrat euphorisch. Blöd nur: Genau diese Mine wird seit Jahren kritisiert. NGOs werfen dem Betreiber Glencore vor, in Sambia keine Steuern zu bezahlen, Anwohner zu vergiften und die Umwelt zu zerstören.

Palästinenser-Hilfswerk, Rahmenvertrag, Mitgliedschaft bei Waffenfreunden

Der Aussenminister erregte mit – je nach Ansicht provokativen oder unüberlegten – Äusserungen schon mehrfach die Gemüter. So bezeichnete er das Uno-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) als ein Hindernis für Frieden in Nahost. Und wurde vom Bundesrat zurückgepfiffen. Und als Cassis laut über eine Halbierung der Acht-Tage-Frist sinnierte, verlor er mit einem Schlag die Unterstützung der Linken für ein Rahmenabkommen mit der EU.

Schon im Bundesratswahlkampf zeigte Cassis wenig Fingerspitzengefühl: Um die SVP zu bezirzen, trat er der Gesellschaft für ein freiheitliches Waffenrecht (Pro Tell) bei – und kurz nach der Wahl, als die Sache publik wurde, wieder aus.

Und jetzt verliert Cassis beim Expo-Sponsoring den Durchblick! Der Aussenminister scheint sich wahrlich als jener profilieren zu wollen, der für rauchende Köpfe sorgt. Oder legt er sein Veto ein? Cassis werde die Situation jetzt analysieren, so das EDA. «Als Präventivmediziner ist Cassis die Prävention gegenüber den schädlichen Folgen des Tabakkonsums ein grosses Anliegen, und er wird sich die Sache entsprechend genau anschauen.»

So präsentiert sich die Schweiz in Dubai

Fast 15 Millionen Franken lässt sich die Schweiz den Auftritt an der Weltausstellung in Dubai kosten. Mit solchen öffentlichen Aktionen und Ausstellungen sollen auf «sanfte Weise» die Interessen des Landes verfolgt werden. Das proklamiert die zuständige Behörde «Präsenz Schweiz» unter Federführung des Auswärtigen Amtes.

Ziel von Präsenz Schweiz ist es, im «Ausland Sympathien» zu schaffen. Auch den Wirtschaftsstandort Schweiz bewirbt die Behörde. Leiter ist der ehemalige Chef der Sektion Film im Bundesamt für Kultur, Nicolas Bideau (50).

Das reguläre Jahresbudget von Präsenz Schweiz beträgt knapp neun Millionen Franken. Für Dubai existiert aber offenbar ein Extra-Kässeli. Die Hälfte kommt vom Bund. Der Rest von Dritten wie Philip Morris, Schindler, Novartis, Nestlé und Clariant.

Im Schweizer Pavillon werden täglich über 15'000 Besucher erwartet. Die Schweiz will sich aber nicht nur der Welt präsentieren, sondern vor allem auch dem Gastgeberland. Denn die Vereinten Arabischen Emirate sind der wichtigste Handelspartner der Schweiz im Nahen Osten. Noé Waldmann

Fast 15 Millionen Franken lässt sich die Schweiz den Auftritt an der Weltausstellung in Dubai kosten. Mit solchen öffentlichen Aktionen und Ausstellungen sollen auf «sanfte Weise» die Interessen des Landes verfolgt werden. Das proklamiert die zuständige Behörde «Präsenz Schweiz» unter Federführung des Auswärtigen Amtes.

Ziel von Präsenz Schweiz ist es, im «Ausland Sympathien» zu schaffen. Auch den Wirtschaftsstandort Schweiz bewirbt die Behörde. Leiter ist der ehemalige Chef der Sektion Film im Bundesamt für Kultur, Nicolas Bideau (50).

Das reguläre Jahresbudget von Präsenz Schweiz beträgt knapp neun Millionen Franken. Für Dubai existiert aber offenbar ein Extra-Kässeli. Die Hälfte kommt vom Bund. Der Rest von Dritten wie Philip Morris, Schindler, Novartis, Nestlé und Clariant.

Im Schweizer Pavillon werden täglich über 15'000 Besucher erwartet. Die Schweiz will sich aber nicht nur der Welt präsentieren, sondern vor allem auch dem Gastgeberland. Denn die Vereinten Arabischen Emirate sind der wichtigste Handelspartner der Schweiz im Nahen Osten. Noé Waldmann

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