Mitte Juni lehnten die vier bürgerlichen Bundesräte zusätzliche 130 Millionen Franken für die Förderung von Kinderbetreuungsplätzen ab. Nicht nur die Linke ärgerte sich masslos über den Entscheid der SVP- und FDP-Magistraten, sondern auch der Arbeitgeberverband (BLICK berichtete). Dieser geht nun in die Offensive und verlangt vom Staat ein attraktives Krippenangebot.
Das Kinderbetreuungsangebot in der Schweiz ist nachweislich ungenügend und zu teuer, stellt Simon Wey im Newsportal «Watson» fest. Der Arbeitsmarktökonom identifiziert die fehlenden Anreize als grösstes Problem. Für Mütter lohne es sich heutzutage nicht, ihr Pensum zu erhöhen, wenn der Krippenplatz den zusätzlichen Lohn gleich wieder wegfresse.
Finanzielle Belastung muss sinken
«Der Staat muss bei der Bereitstellung von qualitativ und finanziell attraktiven Krippen und Tagesschulen endlich vorwärtsmachen», fordern die Arbeitgeber deshalb. Es dürfe vor allem für Mütter kein Nullsummenspiel mehr sein, arbeiten zu gehen. «Die finanzielle Belastung muss deutlich sinken.»
Um dem Anliegen Beine zu machen, will der Verband die grossen Parteien ins Boot holen. Bis auf die SVP haben sämtliche Parteien Gesprächsbereitschaft signalisiert. Im November soll es zu einem ersten Treffen kommen.
Mütter sollen Fachkräftemangel auffangen
Der Appell an die Politik kommt nicht von ungefähr. Der Wirtschaft gehen die Fachkräfte aus, die sie dringend benötigt. Weil es in der EU wirtschaftlich wieder rundläuft, kehren viele Hochqualifizierte zurück in ihre Heimat, so Weys Analyse. Zudem seien die Zuwanderungszahlen seit längerem rückläufig.
Daher müssen es nun vor allem die inländischen Mütter richten. Zurzeit sind acht von zehn nur teilzeitbeschäftigt, und das in eher kleinen Pensen. «Wird das Betreuungsangebot verbessert, gehen die Frauen mehr arbeiten und erzielen höhere Einkommen», so die Rechnung der Arbeitgeber.
Investitionen würden sich für den Staat rechnen
Die Finanzierung solcher Strukturen sei Sache der öffentlichen Hand. «Schliesslich profitiert der Staat im grossen Stil von besseren Drittbetreuungsangeboten – direkt und indirekt», so Wey weiter. Etwa durch mehr Steuereinnahmen sowie Geld für AHV und Pensionskassen. «Besser kann ein Staat sein Geld fast nicht anlegen.»
Ob die Gespräche mit den Parteien Früchte tragen und der kürzlich gefällte Entscheid der bürgerlichen Bundesräte umgekippt werden kann, wird sich zeigen. (duc)