Es ist die entscheidende Frage des Wahljahres 2015: Tritt BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf noch einmal an – und schafft sie die Wiederwahl in den Bundesrat? Prognosen sagen ihren Gegnern aus SVP und FDP einen Wahlsieg voraus. Doch die Chance ist gross, dass die Bündnerin den SVP-Kandidaten schlägt und eine dritte Legislatur anhängen kann.
Nur, was passiert in diesem Fall? Bleibt die heutige Zusammensetzung der Regierung bestehen? In der SVP brodelt es, doch bisher hat die Partei dazu geschwiegen. Nun legt Vize-Fraktionschef Felix Müri seine Karten auf den Tisch: «Bekommen wir den zweiten Sitz auf Kosten der BDP nicht, müssen wir Ueli Maurer aus dem Bundesrat zurückziehen, in die totale Opposition gehen.»
Einen nachgelagerten Angriff der SVP auf einen FDP-Sitz wie vor vier Jahren wird es also kaum geben. «Das würde nur den Linken in die Hände spielen», urteilt Müri. Er plädiert dafür, dass die SVP nach einer allfälligen Nichtwahl ihres Kandidaten sofort eine Pause einberuft.
Noch 2011 habe sich «eine knappe Mehrheit» der Fraktion gegen die Variante Opposition ausgesprochen, erinnert sich der Luzerner. Nun sei das anders, glaubt Felix Müri. Der Bildungs- und Energiepolitiker weiss, wie die Fraktion tickt: Er organisiert die meisten Events und ist auch deshalb ausgezeichnet vernetzt.
«So wie ich die Situation einschätze, hat eine Mehrheit der Fraktion wie ich die Nase voll. Die meisten werden sich aber wohl nicht getrauen, das laut zu sagen.» Als «sogenannt gemässigter Vertreter», wie er sich bezeichnet, sagt der 57-Jährige, dass es «nicht mehr vier Jahre so weitergehen darf». Diese Tendenz beobachte er auch an der Basis. Trifft seine Analyse zu, entscheidet das neue Parlament am 9. Dezember bei der Widmer-Schlumpf-Wahl nicht nur über die Zusammensetzung des Bundesrats, sondern auch über das politische System der Schweiz. Es wäre quasi ein Übergang zu einem System mit Regierung und Opposition, wie es zahlreiche Demokratien kennen.
Auch wenn die SVP schon heute Züge einer Oppositionspartei zeigt, würde sich der Ton drastisch verschärfen, wenn die grösste Partei nicht mehr in der Regierung vertreten wäre.
Das bestätigt der Vize-Fraktionschef, wenn auch nur indirekt: «Es würde bedeuten, dass wir keine Rücksicht mehr auf die Regierung nehmen müssten und frei politisieren könnten.» In diesem Fall würde man «selbstverständlich noch wesentlich öfter» mit Referenden Politik machen.
Bis es zum Äussersten kommen könnte, wird die Volkspartei versuchen, mit ihrem Kandidaten Ueli Maurer und den zwei Freisinnigen eine rechtsbürgerliche Mehrheit in der Landesregierung zu installieren.
Wer für die SVP in die Schlacht zieht, ist noch nicht bekannt.
Als Kandidaten gelten etwa Ständerat Hannes Germann (SH), Regierungsrat Heinz Tännler (ZG) und der Bündner Nationalrat Heinz Brand.
Tritt ausgerechnet Letzterer zur Schicksalswahl gegen die Finanzministerin aus seinem Kanton an?