Der Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh (62) ist die Lust auf einen Restaurantbesuch vergangen. Am kommenden Montag darf auch die Gastro-Branche wieder öffnen. Allerdings unter strengen Corona-Vorschriften: Bedient wird nur, wer im Restaurant oder in der Bar Name und die Telefonnummer angibt. Das geht der Zürcher Kantonsregierung viel zu weit. Damit werde die Lockerung im Keim erstickt.
BLICK: Frau Walker Späh, am Montag dürfen auch Restaurants oder Bars wieder öffnen. Haben Sie sich bereits einen Tisch reserviert?
Carmen Walker Späh: Grundsätzlich bin ich dankbar, dass der Bundesrat seinen Fahrplan bei den Lockerungen der Corona-Massnahmen beschleunigt hat. Erschrocken bin ich aber, als ich die Auflagen für die Gastro-Betriebe gesehen habe: Restaurantgäste sollen gezwungen werden, Namen und Telefonnummer anzugeben. Tischnummer und Uhrzeit werden registriert und aufbewahrt. Unter diesen Bedingungen vergeht mir die Freude an einem Restaurantbesuch.
Aber das ist doch halb so wild. Ich muss auch in anderen Situationen persönliche Daten angeben.
Ja, aber grundsätzlich nur auf freiwilliger Basis! Für einen einfachen Besuch in einem Restaurant aber sind die Massnahmen sehr bürokratisch und aufwendig. Selbstverständlich müssen sich die Betriebe an die üblichen Schutzmassnahmen wie Hygiene- und Distanzregeln halten. Aber hier geht der Bundesrat eindeutig einen Schritt zu weit. Das ist nicht nur aus Gründen des Datenschutzes höchst problematisch.
Warum sonst noch?
Diese Auflage wird für viele Gäste abschreckend sein. Man riskiert mit einem Restaurantbesuch, dass man innert zwei Wochen einen Telefonanruf erhält und dazu aufgefordert wird, in Quarantäne zu gehen, auch wenn der erforderliche Abstand zur erkrankten Person stets gegeben war. Dieses Risiko werden viele nicht eingehen. Und ich bin überzeugt, dass viele genau deshalb falsche Angaben machen werden, womit das Ziel der Eindämmung des Coronavirus' verfehlt wird.
Aber es ist doch nachvollziehbar, dass der Bundesrat trotz Lockerungen versucht, eine zweite Infektionswelle zu verhindern.
Das nimmt auch der Kanton Zürich sehr ernst. Deshalb hat die Gesundheitsdirektion am letzten Montag das Contact Tracing wieder gestartet. Ab nächster Woche stehen 30 Personen dafür im Einsatz.
Dennoch wehren Sie sich gegen die Schutzmassnahmen.
Wir stehen grundsätzlich hinter den Schutzmassnahmen des Bundesamts für Gesundheit. Aber das Gastro-Schutzkonzept zeigt: Hier wird eine Branche gegenüber anderen benachteiligt. Wenn ich in einen Blumen- oder einen Kleiderladen gehe, muss ich auch keine persönlichen Daten angeben. Die Gastrobetreiber aber sollen verpflichtet werden, für den Staat eine Überwachungsfunktion wahrzunehmen. Das geht nicht! Ich frage mich: Will der Bundesrat seine eigenen Lockerungen gleich wieder rückgängig machen?
Inwiefern?
Weil er zwar eine Öffnung von Restaurants erlaubt, gleichzeitig aber die Hürden so hoch ansetzt, dass viele Gäste vom Restaurantbesuch abgehalten werden. Dabei leiden gerade die Gastrobranche und die Hotellerie besonders unter der jetzigen Situation. Sie wären dringend darauf angewiesen, dass sie rasch in ein einigermassen normales Leben zurückfinden können.
In einem Restaurant aber ist die Ansteckungsgefahr grösser, weil die Verweildauer grösser ist. Will Zürich eine zweite Welle riskieren?
In anderen Bereichen, etwa dem öffentlichen Verkehr, kann die Verweildauer auch lange sein. Denken Sie an eine Zugfahrt von Zürich nach Bern. Trotzdem muss niemand die Handynummer hinterlegen. Wichtig ist: Die Schutzmassnahmen sollten möglichst einheitlich und nachvollziehbar sein.
Nun will sich der Kanton Zürich gegen die Vorgaben für Gastrobetriebe wehren.
Der Regierungsrat hat mir den Auftrag erteilt, mit einem Schreiben beim Bundesrat zu intervenieren. Nochmals: Schutzmassnahmen wie Hygiene- und Distanzregeln sind selbstverständlich. Und sie werden grossmehrheitlich eingehalten. Die Eigenverantwortung funktioniert. Aber die erzwungene Abgabe persönlicher Daten an private Unternehmen geht zu weit. Es ist ein zu starker Eingriff in die persönliche Freiheit.
Was fordern Sie denn konkret?
Von einer Registrierungspflicht ist Abstand zu nehmen. Mit solch abschreckenden und bürokratischen Massnahmen lässt sich ein Betrieb nur schwer wieder hochfahren. Wichtig ist aber auch, dass der Bevölkerung aufgezeigt wird, wie sie wieder sicher und gesund unterwegs sein und sich selber schützen kann, im Sinne von «travel smart» oder «travel safely». Selbstverständlich unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Lage.