Wer ist schuld am Masken-Debakel?
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Viel zu wenig auf Lager
Wer ist schuld am Masken-Debakel?

Der Bund wusste genau, wie viele Schutzmasken im Ernstfall gebraucht werden. Trotzdem herrscht nun Masken-Mangel. Wie konnte es so weit kommen?
Publiziert: 31.03.2020 um 23:30 Uhr
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Aktualisiert: 02.04.2020 um 11:14 Uhr
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In Spitälern, Pflegeheimen und in der Armee kams zu Schutzmasken-Engpässen.
Foto: Keystone
Gianna Blum, Lea Hartmann

Schon zu Beginn der Corona-Krise war rasch klar: Die Schweiz hat zu wenig Schutzmasken für den Kampf gegen die Pandemie. In Arztpraxen, Pflegeheimen und bei der Armee sind die Hygienemasken knapp. So knapp, dass das Gesundheitspersonal die vorhandenen viel länger tragen muss als empfohlen.

Während Bund und Kantone auf der Suche nach Nachschub sind, stellt sich die Frage: Wie konnte es so weit kommen? Der Pandemieplan des Bundes hat genau festgelegt, wie viele Schutzmasken die Gesundheitsinstitutionen für den Ernstfall lagern sollen. Spitäler sollen demnach mindestens so viele Masken lagern, wie man für viereinhalb Monate Normalbetrieb braucht, bei Arztpraxen sind es 336 Masken pro Arzt. Und auch Privatpersonen sollen mindestens 50 Masken gebunkert haben. Allerdings: Dabei handelt es sich um Empfehlungen. Und selbst denen, das zeigt der aktuelle Mangel, sind die wenigsten gefolgt.

Bund und Kantone weisen Verantwortung von sich

Der Bund hält klar fest, dass für die Umsetzung des Plans jede Institution selbst verantwortlich ist. Auch die Kantone, die für das Gesundheitswesen zuständig sind, schieben die Verantwortung auf die Spitäler und Praxen ab. Und auf jeden Einzelnen. «Einzelpersonen können Hygienemasken im Detailhandel für wenig Geld selber beschaffen», heisst es im Aargauer Pandemieplan. Aus Sicht der Behörden ist also selbst schuld, wer jetzt keine Schutzmasken parat hat.

SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher (50) – die im Parlament noch belächelt worden war, als sie mit Maske aufkreuzte – kann darüber nur den Kopf schütteln. Aus ihrer Sicht steht klar der Bund in der Pflicht. Der Transport in die Schweiz sei schwierig. «Wir bei der Ems-Chemie haben schon im Januar begonnen, Masken aus China zu kaufen. Das hätte auch der Bund tun müssen», sagt sie zu BLICK.

Auch der Zürcher Grünen-Nationalrat Bastien Girod (39) kritisiert den Bund. «Es ist unbestritten: Nach der Krise muss die Prävention und der Umgang mit Pandemien in der Schweiz massiv überarbeitet werden», sagt er. «Bundesrat und Parlament hätten viel früher viel einschneidendere Massnahmen treffen müssen.»

Bund widerspricht sich selbst

Tatsächlich ist Sinn und Zweck des Maskentragens umstritten – und sogar das Bundesamt für Gesundheit (BAG) widerspricht sich selbst. Im Pandemieplan von 2018 ist noch die Rede davon, dass Schutzmasken das allgemeine Infektionsrisiko reduzierten. «Mister Corona» Daniel Koch (64) sagt hingegen in der aktuellen Krise: «Es ist nicht nachgewiesen, dass Gesichtsmasken einen zusätzlichen Schutz bringen.»

Diese Argumentation stösst auf wenig Verständnis. Die Kommunikation des BAG sei seltsam, kommentiert Martullo-Blocher. «Es stimmt einfach nicht, was sie sagen. Hygienemasken wurden in Amerika umfangreich auf die Übertragung von
Viren getestet. Der Schutz war über 95 Prozent.»

Auch für Bastien Girod ist nicht nachvollziehbar, weshalb in der Schweiz im Gegensatz zu anderen Staaten bis heute der breiten Bevölkerung abgeraten wird, Masken zu tragen. Sein Verdacht: «Ich vermute, der Bund hat diese Informationsstrategie nur gewählt, weil es zu wenig Masken gibt. So will man verhindern, dass es in Spitälern und anderen Orten, wo sie am dringendsten gebraucht werden, zu Engpässen kommt.»

«Wir brauchen Schutzmasken!»

Mehr Verständnis für das BAG hat die Aargauer CVP-Nationalrätin und Gesundheitspolitikerin Ruth Humbel (62). «Ich stehe einer allgemeinen Maskenpflicht skeptisch gegenüber», sagt sie. «Ich sehe Jogger im Wald, die Masken tragen, und kann mir nicht vorstellen, was das nützen soll.» Sie hält das Argument des BAG zudem für einleuchtend, dass man mit einer Schutzmaske riskiere, den Sicherheitsabstand zu vergessen. Zudem seien Masken kein Garant dafür, sich nicht anzustecken – vor allem, weil sie nicht alle richtig anwenden.

Girod hingegen lässt das nicht gelten. Eine gewisse Selbstverantwortung bleibe natürlich bestehen. «Aber nur weil Schutzmasken nicht immer nützen, ist das kein Grund, sie gar nicht zu verwenden.»

Dieser Meinung ist auch Martullo-Blocher. Sie denkt vor allem an die Wirtschaft. Das Ziel müsse sein, diese möglichst schnell wieder zum Laufen zu bringen. «Dafür brauchen wir schnell viele Schutzmasken!»

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