Viel beachtete Bundesrats-Rede in New York
Das sagte Alain Berset vor der Uno – und das meinte er

Bundespräsident Berset hielt gestern Abend vor der Uno-Generalversammlung eine viel beachtete Rede. BLICK erklärt, was er damit aussagen wollte.
Publiziert: 26.09.2018 um 21:16 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 12:14 Uhr
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Bundespräsident Alain Berset hielt vor der Uno-Generalversammlung eine viel beachtete Rede.
Foto: Keystone

Klare Worte sind seine Sache nicht – Bundespräsident Alain Berset (46) bleibt bei öffentlichen Auftritten und in Interviews gern im Vagen. Ausgerechnet auf der grossen Weltbühne – vor der Uno-Generalversammlung in New York – liess der Freiburger gestern Abend aber nichts an Deutlichkeit vermissen.

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Dafür gabs viel Lob. Keiner habe so klar die drängenden Probleme und die schädlichen Tendenzen der Weltpolitik angesprochen, hiess es später. Und tatsächlich bekamen bei Berset einige Staatslenker ihr Fett weg – angefangen beim US-Präsidenten Donald Trump (72), gefolgt von den Oberhäuptern Russlands und Chinas. Selbst Bundesratskollege Ignazio Cassis (57) blieb nicht verschont. Natürlich nannte Berset niemanden beim Namen. Doch aus seinen Aussagen lässt sich schliessen, an wen der Fingerzeig ging:

Kritik an USA und China

«Derzeit ist eine Politik des Handelsprotektionismus und des Egoismus im Trend. Sie suggeriert uns, dass die Welt ein Nullsummenspiel ist. Dass Gewinne nur möglich sind, wenn andere verlieren. ... Eine solche Politik führt zu weniger Handel und folglich zu Wohlstandseinbussen. Sie führt zu mehr Misstrauen und Abschottung. ... Unsere Welt wird geistig und kulturell ärmer werden.»

Hier geht der Wink eindeutig an die Adresse Trumps, der mit seiner abschottenden Wirtschaftspolitik den Welthandel zu lähmen droht. So etwa mit der Einführung und Erhöhung von Zöllen zum Schutz der US-amerikanischen Industrie und der Landwirtschaft. Ein wenig war die Schelte aber auch auf China gemünzt – denn als Reaktion auf Trumps Politik hat auch das Reich der Mitte Zölle eingeführt. Die beiden grössten Volkswirtschaften senden so ein Signal gegen Freihandel und Globalisierung in die Welt. Gar von einem «Handelskrieg» ist die Rede. Einer kleinen und offenen Volkswirtschaft wie der Schweiz kommt das gar nicht gelegen.

Kritik an den Nationalisten

«Kein Mensch und kein Land kann die enormen Herausforderungen und Veränderungen, mit denen wir heute konfrontiert sind, alleine bewältigen. Ich denke hier an die Globalisierung, Ungleichheiten, Kriege und interne Konflikte, an Extremismus, Migrationsbewegungen und Klimawandel, an Gesundheitskrisen oder die digitale Revolution ... Allerdings beobachten wir heute die Tendenz, Lösungen für diese Probleme in einem Rückzug auf das Nationale zu suchen, und wir sehen ein wachsendes Misstrauen gegenüber der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit. Wir erleben eine regelrechte Krise des Multilateralismus.»

In den USA, aber auch in Europa gibt es nationalistische Tendenzen. Trump gewann mit dem Slogan «America first», und viele eifern ihm nach: die AfD in Deutschland, die Schwedendemokraten, FPÖ in Österreich, Lega und Cinque Stelle in Italien. Berset stellt sich in seiner Rede gegen diese Bewegungen. Mit dem Fokus auf die eigenen Interessen lasse sich keiner der zahlreichen Krisenherde befrieden. Berset warnt nicht ganz ohne Eigennutz vor einem schädlichen «Jeder gegen jeden»: Die guten Dienste der Schweiz und die Uno-Stadt Genf leiden, wenn die Weltdiplomatie der Vereinten Nationen geschwächt wird. Gemeinsam mit ihr würde die globale Bedeutung unserer Landes abnehmen.

Kritik an der Uno

Doch Berset kritisiert auch die Uno selbst: «Die Uno ist das Fundament für ein friedliches Zusammenleben aller Staaten nach gemeinsam vereinbarten Regeln. Die Uno ist unentbehrlich, und sie ist ideal positioniert, um die heutigen Probleme anzugehen, insbesondere die bestehenden Ungleichheiten. Die Uno kann ihre Rolle aber nur wahrnehmen, wenn sie stark ist. Wenn sie mit den vorhandenen Mitteln eine möglichst grosse Wirkung erzielen will, muss sie sich an das sich ständig verändernde Umfeld anpassen und ihre Arbeitsweise immer wieder überprüfen.»

Die fehlende Anpassungsfähigkeit der Uno ist für den Romand einer der Gründe für die Probleme, vor denen die Welt steht. Denn sie erweist sich derzeit als zu teuer, zu behäbig und zu ineffizient. UN-Generalsekretär António Guterres (69) hat dem Uno-Koloss immerhin eine Fitnesskur verordnet. Die Schweiz trägt diesen Entscheid mit. Auch für sie müssen die Entscheidungsprozesse im UN-Sicherheitsrats transparenter werden. Und der Generalsekretär soll dank mehr Kompetenzen erstarken.

Versteckte Kritik an Kollege Cassis

Berset verkniff sich aber auch einen Seitenhieb auf Bundesratskollege Ignazio Cassis (57) nicht: «Wir haben beispielsweise aktiv an den Verhandlungen über den Globalen Migrationspakt mitgewirkt und sind dankbar für das Vertrauen, das der Schweiz dabei entgegengebracht wurde. Die Bewältigung der internationalen Flüchtlingsbewegungen ist eine enorme Aufgabe, die die Unterstützung aller betroffenen Akteure erfordert.»

Aussenminister Cassis jedoch hatte im Bundesrat Kritik am Uno-Migrationspakt geübt. Der Tessiner wollte seine Regierungskollegen dem Vernehmen nach gar davon überzeugen, das Abkommen nicht zu unterzeichnen (BLICK berichtete). Er lief im Bundesrat aber zunächst auf. 

Alain Bersets Fazit erstaunt angesichts dieser Kritikpunkte nicht: «Die Welt darf kein Nullsummenspiel sein. Sie soll ein Positivsummenspiel sein, in dem alle von der Zusammenarbeit profitieren.» (sf)

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