Verbot von «tierquälerisch erzeugten Produkten»
Nur noch Vegetarisches für Schweizer Muslime?

Wegen einer angenommenen Motion im Nationalrat könnte der Import von Produkten, die von betäubungslos geschächteten Tieren stammen, bald verboten werden. Das könnte das Aus für Halal- und Koscher-Fleisch bedeuten.
Publiziert: 15.08.2017 um 21:58 Uhr
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Aktualisiert: 20.10.2018 um 21:15 Uhr

Am 7. Juni hat der Nationalrat eine Motion angenommen, die den Import aller «tierquälerisch erzeugten Produkte» verbieten soll. Der Berner SP-Vertreter Matthias Aebischer hatte zuvor einen entsprechenden Vorstoss eingereicht. Dieser soll im nächsten Schritt im Ständerat behandelt werden. 

Das Verbot könnte für Juden und Muslime einschneidende Konsequenzen haben, denn der Verstoss umfasst auch Halal- und Koscherfleisch. Beide Fleischsorten werden durch das Schächten von Tieren – oft ohne Betäubung – erzeugt. In der Schweiz ist dies schon seit 120 Jahren verboten, wird durch Importe aber umgangen. 

Beim Schächten wird lebendigen Tieren mit einem einzigen Schnitt die Kehle durchgeschnitten – ohne Betäubung. Die Tiere verbluten qualvoll. 

Grundsatzentscheid gegen «Qualprodukte» 

Aebischers Motion wurde zusammen mit Alliance Animale, bestehend aus den Tierschutzorganisationen Animal Trust, Tier im Recht und Wildtierschutz Schweiz, erarbeitet. Sie streben einen Grundsatzentscheid gegen alle «Qualprodukte» – nicht nur Halal- und Koscherfleisch – an, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt. «Es kann doch nicht sein, dass wir in der Schweiz strenge Tierschutzvorschriften haben, die dann über Importe umgangen werden», so Aebischer. 

Katharina Büttiker, Präsidentin von Alliance Animale, pflichtet ihm bei: «Es steht ausser Frage, dass Halal- und Schächtfleisch zu den tierquälerisch hergestellten Produkten zählen.» 

Es dürfe nicht sein, dass im Namen der Glaubensfreiheit das Quälen von Geschöpfen gerechtfertigt werde, so Büttiker.

Schächten mit Betäubung ist nicht koscher

Welche Folgen ein Importverbot für Halal- und Koscherprodukte auf die jeweiligen Glaubensgemeinschaften hätte, wurde im Nationalrat nicht thematisiert. 

Deshalb reagierten die jüdischen Gemeinschaften überrascht, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt. «Ein Importverbot von koscherem Fleisch würde die Religionsfreiheit der Juden massiv einschränken», sagt Herbert Winter, Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds. Denn Schächten mit Betäubung entspreche nicht den koscheren Bestimmungen. 

Anders im Islam: Laut Farhad Afshar von der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz sind dort Produkte von zuvor betäubten Tieren nicht verboten. «Ich würde es begrüssen, wenn alles Halalfleisch mit Betäubung produziert würde.» (maz)

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