Vaterschafts-Urlaub löst das wahre Problem nicht
Kinderkrippen lassen Eltern verzweifeln

Einen Krippenplatz in der Schweiz zu finden gleicht einem Wunder. Zusätzlich sind sie teuer und total unflexibel.
Publiziert: 25.05.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 05:00 Uhr
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Schweizer Krippenplätze gehören zu den weltweit teuersten.
Foto: Sobli
Sermîn Faki und Nico Menzato

Gestern haben 140 Verbände und Vereine die Volksinitiative für einen bezahlten Vaterschaftsurlaub lanciert. Damit soll die Schweiz einen Schritt vorwärts machen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. «Der Vaterschaftsurlaub löst aber nur einen Teil des Problems», sagt der Bündner CVP-Nationalrat Martin Candinas. Das dürften viele Eltern ähnlich sehen. Die wahren Probleme beginnen für Familien nämlich später – dann, wenn beide Eltern wieder arbeiten und das Kind fremdbetreut wird. Denn die Kosten für externe Kinderbetreuung in der Schweiz gehören zu den höchsten weltweit. Bei einer Durchschnittsfamilie machen sie schnell ein Viertel des Haushaltseinkommens aus, wie eine Studie im Auftrag des Bundes ergeben hat. Bei Alleinerziehenden ist es sogar ein Drittel.

Krippen zu teuer

Der Hauptgrund dafür ist, dass der Staat Kinderkrippen und Tagesstätten kaum subventioniert: Obwohl ein Krippenplatz im deutschen Frankfurt oder im französischen Lyon teurer ist als in Zürich, zahlen die Eltern dort weniger. In Deutschland und Frankreich finanzieren der Staat, Sozialwerke und Firmen über 80 Prozent der Kosten. In Zürich sind es 34 Prozent. In der Romandie übernimmt der Staat im Schnitt zwei Drittel der Vollkosten. Das wirkt sich auch auf den Arbeitsmarkt aus: Wenn die Krippe den Grossteil vom Lohn wieder wegfrisst, hält das vor allem Frauen davon ab, zu arbeiten. Zwar arbeiten heute 80 Prozent der Mütter, doch häufig mit kleinen Teilzeitpensen unter 50 Prozent. «Das können wir uns eigentlich nicht leisten», sagt Arbeitgeber-­Präsident Valentin Vogt mit Verweis auf die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative. «Das grösste Potenzial auf dem inländischen Arbeitsmarkt liegt darin, die Pensen der Frauen zu erhöhen.»

Mehr Krippen, mehr Flexibilität

Das sieht auch der Bündner CVP-Nationalrat Martin Candinas so. Der dreifache Vater ortet das Hauptproblem aber nicht bei den Kosten, sondern beim Angebot. «Obwohl in den letzten Jahren viele Krippenplätze geschaffen wurden, gibt es noch viel Luft nach oben», sagt er. Vor allem müsse die Flexibilität deutlich erhöht werden. «Es muss möglich sein, dass ein Kind in der einen Woche einen Tag in der Krippe ist, in der anderen zwei oder drei», fordert er. Heute hätten Eltern, die diese Flexibilität ­benötigten, oft schlechte Karten, einen Krippenplatz zu bekommen.

Der Verband Kinderbetreuung Schweiz hält dagegen: Schon heute hätten Kitas im Durchschnitt elf Stunden pro Tag geöffnet, so Geschäftsleiterin Nadine Hoch. Eine Ausweitung würde das Problem verschärfen: «Gerade die Betreuung in Randzeiten würde die Kosten in die Höhe treiben, weil dann die Auslastung tiefer ist.»

Einen Lichtblick am Horizont gibt es für Familien mit Kleinkindern immerhin: Der Bundesrat hat die Thematik erkannt. Für einen befristeten Zeitraum will er daher Eltern, die ihre Kinder fremdbetreuen lassen, mit 100 Millionen Franken unterstützen. Noch in diesem Jahr soll die Vorlage ans Parlament überwiesen werden.

So machens die Nachbarn

Der Vergleich mit unseren Nachbarländern zeigt: Väter haben im Ausland oft flexiblere Möglichkeiten für einen Vaterschaftsurlaub als bei uns. Die Freiheit hat aber auch ihren Preis: Denn finanziell gesehen gibt es grosse Unterschiede – auch innerhalb der EU.

Deutschland: Im grossen Kanton gibt es ein sogenanntes Elterngeld, das aber nur zwei Drittel (67%) des bisherigen Lohns umfasst – einiges weniger als in der Schweiz. Zum Vergleich: Eine Schweizer Mutter bekommt während des Mutterschaftsurlaubs 80 Prozent des bisherigen Lohns. Insgesamt 14 Monate Elternzeit können sich Mutter und Vater in Deutschland beliebig einteilen.

Frankreich: In Frankreich gibt es einen ­Vaterschaftsurlaub von elf ­Tagen plus drei Tage Geburtsurlaub. Der Vaterschafts­urlaub muss innerhalb der ersten vier Monate nach der Geburt bezogen werden. Entlöhnt wird die Papazeit in gleicher Höhe wie der Mutterschaftsurlaub. Nach dem 16-wöchigen Mutterschaftsurlaub dürfen sich die Eltern einen einjährigen Erziehungsurlaub aufteilen. Zwar unbezahlt, dafür aber mit ­Arbeitsplatzgarantie.

Italien: Bis das Kind acht Jahre alt ist, haben Eltern Anspruch auf einen Elternurlaub von maximal elf Monaten. Wenn der Vater mindestens drei Monate des Urlaubs beantragt, wird ein weiterer Monat gewährt. Allerdings werden nur sechs Monate bezahlt – und das nicht gerade fürstlich. Nur 30 Prozent des bisherigen Lohnes werden ausgezahlt. Väter haben zudem das Recht auf einen bezahlten freien Tag binnen fünf Monaten nach der Geburt.

Österreich: Bei unseren Nachbarn in Österreich gibt es zwei Modelle mit insgesamt fünf unterschiedlichen Bezugsvarianten von Elternurlaub. Diese sind aufteilbar zwischen Vater und Mutter. Ein pauschales Kinderbetreuungsgeld gibt es während maximal 30 Monaten. Klingt nach viel, aber: Je länger die Bezugsdauer, desto kleiner der aus­bezahlte Betrag. Bei langen Bezugszeiten sind das manchmal nur einige Hundert Euro pro Monat. Ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld ist für Besserverdienende gedacht, die sich nur kurz aus dem Berufsleben zurückziehen wollen. Hier werden dafür 80 Prozent des letzten Einkommens ausgezahlt.  Michael Sahli

Der Vergleich mit unseren Nachbarländern zeigt: Väter haben im Ausland oft flexiblere Möglichkeiten für einen Vaterschaftsurlaub als bei uns. Die Freiheit hat aber auch ihren Preis: Denn finanziell gesehen gibt es grosse Unterschiede – auch innerhalb der EU.

Deutschland: Im grossen Kanton gibt es ein sogenanntes Elterngeld, das aber nur zwei Drittel (67%) des bisherigen Lohns umfasst – einiges weniger als in der Schweiz. Zum Vergleich: Eine Schweizer Mutter bekommt während des Mutterschaftsurlaubs 80 Prozent des bisherigen Lohns. Insgesamt 14 Monate Elternzeit können sich Mutter und Vater in Deutschland beliebig einteilen.

Frankreich: In Frankreich gibt es einen ­Vaterschaftsurlaub von elf ­Tagen plus drei Tage Geburtsurlaub. Der Vaterschafts­urlaub muss innerhalb der ersten vier Monate nach der Geburt bezogen werden. Entlöhnt wird die Papazeit in gleicher Höhe wie der Mutterschaftsurlaub. Nach dem 16-wöchigen Mutterschaftsurlaub dürfen sich die Eltern einen einjährigen Erziehungsurlaub aufteilen. Zwar unbezahlt, dafür aber mit ­Arbeitsplatzgarantie.

Italien: Bis das Kind acht Jahre alt ist, haben Eltern Anspruch auf einen Elternurlaub von maximal elf Monaten. Wenn der Vater mindestens drei Monate des Urlaubs beantragt, wird ein weiterer Monat gewährt. Allerdings werden nur sechs Monate bezahlt – und das nicht gerade fürstlich. Nur 30 Prozent des bisherigen Lohnes werden ausgezahlt. Väter haben zudem das Recht auf einen bezahlten freien Tag binnen fünf Monaten nach der Geburt.

Österreich: Bei unseren Nachbarn in Österreich gibt es zwei Modelle mit insgesamt fünf unterschiedlichen Bezugsvarianten von Elternurlaub. Diese sind aufteilbar zwischen Vater und Mutter. Ein pauschales Kinderbetreuungsgeld gibt es während maximal 30 Monaten. Klingt nach viel, aber: Je länger die Bezugsdauer, desto kleiner der aus­bezahlte Betrag. Bei langen Bezugszeiten sind das manchmal nur einige Hundert Euro pro Monat. Ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld ist für Besserverdienende gedacht, die sich nur kurz aus dem Berufsleben zurückziehen wollen. Hier werden dafür 80 Prozent des letzten Einkommens ausgezahlt.  Michael Sahli

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