Unternehmen sollen in den Kantonen weniger zahlen
Jetzt geht der Steuer-Wettbewerb wieder los

Die Kantone müssen die Steuerprivilegien für internationale Sondergesellschaften abschaffen. Parallel dazu sollen die normalen Gewinnsteuern auf breiter Front sinken. Nidwalden strebt neu den ersten Platz im Steuerranking an. Die Linke läuft in vielen Kantonen Sturm.
Publiziert: 02.05.2019 um 23:43 Uhr
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Aktualisiert: 06.05.2019 um 20:45 Uhr
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Am 19. Mai entscheidet das Stimmvolk über den nationalen AHV-Steuer-Deal. Die Umsetzung des Steuerteils erfolgt in den Kantonen.
Foto: Keystone
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Der Kanton Nidwalden ist spitze. Zumindest, wenn es um die geplante Umsetzung der der AHV-Steuer-Vorlage in den Kantonen geht. Mit einer angestrebten Gewinnsteuer von nur noch 11,97 Prozent unterschreitet der Halbkanton knapp die 12-Prozent-Hürde und übernimmt damit den Spitzenplatz als helvetische Firmen-Steueroase! Dicht auf den Fersen folgen ihm Zug, Schaffhausen oder Luzern.

Grund für den neuen Steuerwettbewerb: Die Kantone müssen die bisherigen Steuerprivilegien für internationale Statusgesellschaften abschaffen. Die nationale AHV-Steuer-Vorlage, die am 19. Mai an die Urne kommt, bietet die Grundlage dazu. Im Gegenzug soll die normale Gewinnsteuer sinken. Die Folge: Die Kantone drängen nach vorn. Gemäss den aktuellen Umsetzungsplänen befinden sich die vordersten 18 Kantone innerhalb eines Zwei-Prozent-Rahmens (siehe Grafik).

Solothurn als Testfeld für linke Doppelstrategie

In der Deutschschweiz wagt der Kanton Solothurn den grössten Sprung nach vorn – die Gewinnsteuer soll von 21,4 auf 13,1 Prozent sinken. Der Sprung ist gewagt, denn damit entgehen dem Kanton jährlich 120 Millionen Franken.

Die Linke läuft dagegen Sturm. Und das, obwohl die Vorlage sozialpolitische Zückerchen enthält: höhere Familienzulagen, mehr Geld für Familien-Ergänzungsleistungen oder Betreuungsgutscheine für Kinderkrippen. Auch die Erhöhung der Vermögenssteuer vermochte die Linke nicht umzustimmen – denn unter dem Strich bleibt der öffentlichen Hand ein Minus von 80 bis 90 Millionen Franken.

Am 19. Mai stimmt Solothurn über die kantonale Steuervorlage ab – am gleichen Tag wie über den nationalen AHV-Steuer-Deal. Der Kanton wird dabei für die Linke zum Testfeld. Die SP verfolgt nämlich eine Doppelstrategie: Auf nationaler Ebene unterstützt sie die AHV-Steuer-Vorlage, auf kantonaler Ebene hingegen bekämpft sie vielerorts die konkrete Umsetzung – in Bern hat sie sich dabei durchgesetzt. 

«Heizen die Kantone das Steuerdumping an, treten wir dagegen an», sagt der Solothurner SP-Ständerat Roberto Zanetti (64). Er nennt auch die Wurzel des Übels: «Jeder Kanton will sich ständig dem Mittelfeld anpassen – allerdings nur von oben her, womit das Mittel ständig sinkt.» Eine Tiefsteuerstrategie lohne sich nur für den, der sich als erster mit deutlichem Abstand vom Rest absetzen könne. «Wenn aber alle die Steuern massiv senken, dreht sich die Steuerspirale nur noch nach unten – dieser Teufelskreis zerstört die Steuergerechtigkeit und hungert die Kantonshaushalte aus.»

Er hofft deshalb, dass die Solothurner am 19. Mai ein Zeichen setzen: «Ein Nein wäre ein Warnruf an die Kantone, nicht zu forsch an der Steuerschraube zu drehen.»

Das Doppelspiel der SP ärgert die Bürgerlichen. «Die SP macht sich damit unglaubwürdig», sagt FDP-Fraktionschef und Nationalrat Beat Walti (50, ZH). Er macht sich keine Sorgen, dass der Steuerwettbewerb nun allzu stark angeheizt wird. «Die Vergangenheit hat gezeigt, dass auch der Steuerwettbewerb gewisse Grenzen kennt und vom Stimmvolk auch wieder Korrekturen vorgenommen werden», meint er. «Jeder Kanton muss selber entscheiden, welche Instrumente er nutzen will.» Das gelte auch für die sozialen Ausgleichsmassnahmen, so Walti.

Bunter Strauss an Ausgleichszückerchen

Und da lassen sich die Kantone einiges einfallen und mischen verschiedene  Massnahmen bunt durcheinander. Beliebt sind höhere Familienzulagen – in Basel-Stadt steigen diese gleich um 75 Franken pro Monat. Auch höhere Versicherungsprämien- oder Kinderbetreuungsabzüge sind beliebt. Andere Kantone setzen mehr Geld für die Krankenkassen-Prämienverbilligung oder Kinderkrippen ein. Oder senken die Steuern für natürliche Personen.

Manche Kantone locken mit ganz eigenen Zückerchen: Schaffhausen plant für Familien eine Steuergutschrift von 320 Franken pro Kind. Oder St. Gallen erhöht den Fahrtkosten-Steuerabzug um 600 Franken. Und im Tessin gibt es gar eine Kindergeburtsprämie von 3000 Franken. 

Damit wurde die Linke mancherorts ins Boot geholt – etwa in der Waadt, in Basel-Stadt oder St. Gallen. In Solothurn hingegen, aber auch in Genf oder Freiburg wurde das Referendum ergriffen. 

Mindestens acht Kantone verzichten gleich ganz auf einen Sozialausgleich – darunter auch der Kanton Zürich, in welchem das Stimmvolk im September entscheidet. FDP-Mann Walti sieht darin kein Problem: «In der nationalen Vorlage haben wir mit der AHV-Zusatzfinanzierung eine sozialpolitische Massnahme, die für alle gilt. In den Kantonen ist es viel wichtiger, dass die Gemeinden finanziell angemessen berücksichtigt werden.»

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