Umstrittenes Maden-Plakat
Die SVP stösst bürgerliche Partner vor den Kopf

Die SVP bleibt sich treu: Auch ihr neues Wahlkampf-Plakat provoziert – selbst die eigenen Leute. Bürgerliche Partner für die Wahlen sind entsetzt, dass sie als «Maden» verunglimpft werden.
Publiziert: 19.08.2019 um 23:38 Uhr
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Aktualisiert: 27.08.2019 um 10:21 Uhr
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Verantwortlich für die Auswahl: SVP-Wahkampfleiter Adrian Amstutz.
Foto: Keystone
Sermîn Faki, Lea Hartmann

Mit «Wut der Verzweiflung» betitelte der «SonntagsBlick» einen Artikel über die neue Wahlkampagne der SVP. Das Bild zeigt einen roten Apfel, der von Maden befallen ist. Der Apfel, deutlich sichtbar am Schweizerkreuz, symbolisiert das Land. Die Maden – auch sie farblich gekennzeichnet – stehen für die EU, die FDP, die CVP, die Grünen und Grünliberalen sowie die SP. «Sollen Linke und Nette die Schweiz zerstören?», steht darunter, gefolgt vom Aufruf: «Lieber SVP wählen!»

Das «Böse» kommt diesmal von innen

Mit diesem Sujet will die grösste Schweizer Partei in den Wahlkampf ziehen. Eine weitere SVP-Provokation, wie man sie schon kennt? Nur halb. Denn das Böse, gegen das die SVP kämpft, kommt dieses Mal nicht aus der Fremde.

Es geht nicht um kriminelle Kosovaren, burkatragende Islamistinnen, Heerscharen von billigen Arbeitskräften, die die Schweiz überrennen. Nein, dieses Mal richtet sich der Angriff der SVP gegen Miteidgenossen, jene «Froue und Manne», mit denen die SVP auf allen Staatsebenen politisiert. Diesen wirft die Partei vor, das Land von innen zu zerstören.

Die SVP braucht ein Feindbild

Verwundern muss dieses neue Ziel nicht – die Erklärung ist denkbar einfach. Erstens hat die SVP gemerkt, dass sie 2019 bei den Mittewählern kaum einen Stich machen kann. Also konzentriert sie sich darauf, den rechten Rand ihrer Sympathisanten zu mobilisieren, um nicht zu viele Stimmen zu verlieren. Zweitens fehlt ihr derzeit schlicht der Feind von aussen: Es gibt kaum Asylgesuche, die Zuwanderung geht zurück, und die Debatte über die Europapolitik dümpelt vor sich hin.

Mit ihrer Kampagne gibt die SVP offen zu, was ihr seit 20 Jahren vorgeworfen wird: Sie kann nur gegen jemanden oder etwas kämpfen. Ohne Feindbild weiss sie nicht, wohin mit sich. Und notfalls findet sie den Feind eben dort, wo sie sonst Mehrheiten sucht.

Listenpartner fordern eine Erklärung

In drei Deutschschweizer Kantonen kommt die Kampagne besonders schlecht an: Im Thurgau, in Baselland und im Aargau ist die SVP Listenverbindungen mit der FDP eingegangen. Nun verunglimpft sie diesen Partner als zerstörerischen Wurm, der die Schweiz zerfrisst.

«Das Plakat ist unterirdisch», echauffiert sich etwa der Aargauer FDP-Chef Lukas Pfisterer (46). Listenverbindungen seien zwar primär eine mathematische Angelegenheit. «Dennoch werde ich das Gespräch mit der SVP Aargau suchen. Ich möchte wissen, was sie zum Sujet sagt, da sie ja mit uns eine Listenverbindung eingegangen ist.»

Auch der Thurgauer FDP-Präsident David H. Bon (52) findet das Sujet «extrem ärgerlich». Im Thurgau erlebe man die SVP anders: bodenständig – und anständig. Kommentieren will er das Plakat nicht. «Der Wähler kann sich selbst eine Meinung bilden. Ganz besonders im Thurgau, wo der Apfel einen sehr grossen Wert hat.»

«Partner werden verunglimpft»

Das Gespräch mit der SVP gesucht hat auch die Baselbieter FDP-Chefin Saskia Schenker (39). Und ist seitdem beruhigt. «Die Parteispitze der SVP Baselland hat mir versichert, dass sie selbst nicht angetan ist von dieser Kampagne.»

Das stimmt, wie SVP-Kantonalpräsident Dominik Straumann (43) bestätigt. «Unsere eigentlich gute Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Partnern im Kanton erleichtert es natürlich nicht, wenn diese so verunglimpft werden», sagt er leicht zerknirscht. Auch die Basis sei gespalten, das habe man bereits an SVP-Chef Albert Rösti (52) weitergegeben. «Ich bin skeptisch, dass die SVP Baselland diese Plakate aufhängen wird.»

In der SVP rumort es

Straumann ist nicht der einzige SVPler, die Kritik übt. In nahezu allen Ecken des Landes mucken Parteimitglieder auf. Etwa Pascal Messerli (29), Präsident der SVP-Fraktion im Basler Grossen Rat. «Ich bin im Grossen Rat immer für eine harte und scharfe Debatte zu haben, jedoch geht das aus meiner Sicht zu weit», schrieb er am Montag auf Twitter. «Unsere politischen Gegner sollten wir nicht menschlich bekämpfen!»

Sogar in der Bundeshausfraktion schüttelt man den Kopf. Was man bildhaft darstelle, seien weder Linke noch Nette, sondern Gewürm, kritisiert der Zürcher SVP-Nationalrat Claudio Zanetti (52). «Was versprecht ihr euch von dieser unsäglichen Bildsprache? Wer soll einen da noch ernst nehmen?»

Zurücknehmen will die Parteispitze das Plakat dennoch nicht, wie Chef Albert Rösti (52) gestern sagte. Auch Wahlkampfleiter Adrian Amstutz (65) findet  das Sujet nicht entsetzlich. Er meint vielmehr: «Entsetzlich ist das Verschweigen aller anderen Parteien vor den Wahlen, dass sie nach den Wahlen die EU-Kohäsionsmilliarde zahlen und den Uno-Migrationspakt unterschreiben wollen.»

Provokateure vom Dienst

Die Provokation gehört zur SVP wie der Schmutzli zum Samichlaus. Ihre Plakate machen immer wieder Schlagzeilen – sogar international. Für das Inserat mit dem Text «Kosovaren schlitzen Schweizer auf» wurden zwei SVP-Mitarbeiter 2017 vom Bundesgericht wegen Rassendiskriminierung verurteilt.

Mit dem Maden-Bild begibt sich die grösste Schweizer Partei nun erneut in gefährliches Fahrwasser: Im Nationalsozialismus wurde die Made eindeutig für antisemitische Propaganda benutzt, wie etwa der Politikwissenschaftler Hajo Funke (74) sagt.

«Abstossend»

Gegenüber BLICK verweist Funke auf eine Stelle in Hitlers «Mein Kampf», wo es heisst: «Gab es denn da einen Unrat, eine Schamlosigkeit in irgendeiner Form, vor allem des kulturellen Lebens, an der nicht wenigstens ein Jude beteiligt gewesen wäre? So wie man vorsichtig in eine solche Geschwulst hineinschnitt, fand man, wie die Made im faulenden Leibe, oft ganz geblendet vom plötzlichen Lichte, ein Jüdlein.»

Für Funke – einer der angesehensten Antisemitismusforscher Deutschlands – ist diese Denunziation der SVP mit einem Bild aus der Tierwelt «in der Tat abstossend».

SVP streitet Nazi-Vergleich ab

In NS-Propaganda findet man immer wieder Bilder von Juden, die als Made dargestellt werden. Auch jenes des als Made dargestellten Juden im Apfel.

Bei der SVP will man dennoch nichts davon wissen. Fraktionschef Thomas Aeschi (40) sagt, er hab nicht gewusst, dass ein ähnliches Sujet schon von den Nationalsozialisten gebraucht wurde. Wahlkampfleiter Adrian Amstutz (65) sagt hingegen: «Den Nazi-Vergleich kann nur jemand machen, der im Geschichtsunterricht geschlafen hat.» Die SVP wolle die direkte Demokratie retten, die Nazis hätten genau das Gegenteil gemacht. «Übrigens gebrauchen auch die linken Parteien Tiersujets, wie beispielsweise wenn sie über die sogenannte Heuschrecken-Kapitalisten sprechen.»

Auch der SVP sind Tiersujets nicht fremd, man denke etwa an die schwarzen Schafe der Ausschaffungs-Kampagne. Schon 2004 zeigte die SVP die «Linken» auf einem Abstimmungsplakat als rote Ratten.

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Mit dem Maden-Bild begibt sich die grösste Schweizer Partei nun erneut in gefährliches Fahrwasser: Im Nationalsozialismus wurde die Made eindeutig für antisemitische Propaganda benutzt, wie etwa der Politikwissenschaftler Hajo Funke (74) sagt.

«Abstossend»

Gegenüber BLICK verweist Funke auf eine Stelle in Hitlers «Mein Kampf», wo es heisst: «Gab es denn da einen Unrat, eine Schamlosigkeit in irgendeiner Form, vor allem des kulturellen Lebens, an der nicht wenigstens ein Jude beteiligt gewesen wäre? So wie man vorsichtig in eine solche Geschwulst hineinschnitt, fand man, wie die Made im faulenden Leibe, oft ganz geblendet vom plötzlichen Lichte, ein Jüdlein.»

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National- und Ständeratsratswahlen 2019

Am 20. Oktober finden die eidgenössischen Parlamentswahlen in der Schweiz statt. Die insgesamt 200 Sitz im Nationalrat werden nach Anzahl Bevölkerung auf die Kantone verteilt und müssen neu gewählt werden. Auch die 46 Sitze des Ständerats werden neu vergeben.

BLICK bietet rund um die Uhr die aktuellsten Informationen zum Wahlkampf, der politischen Themenagenda der Parteien und Kandidaten, der Sitzverteilung im Parlament und den Wahlergebnissen.

Für die Ständeratswahlen sind die Kantone zuständig. Bei den Nationalratswahlen arbeiten Bund, Kantone und Gemeinden eng zusammen.

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