Hätte man Esther Friedli (42) einst gesagt, sie würde einmal für die SVP als Nationalratskandidatin antreten, sie hätte laut gelacht, ja vielleicht sogar mit dem Zeigefinger ein paar Mal an die Stirn getippt. «Ein Parteiwechsel kommt für mich nicht infrage, nur weil Toni bei der SVP ist», sagte sie, damals CVP-Mitglied, 1999 in einem Interview mit der «Berner Zeitung». Schliesslich bleibe sie ihren Prinzipien treu.
Heute, 20 Jahre später, steht die gebürtige Bernerin auf Platz 8 der SVP-Liste im Kanton St. Gallen. Ihr Lebenspartner Toni Brunner (44) hat sich vergangenen Dezember nach 23 Jahren aus dem Nationalrat verabschiedet, um sich wieder mehr seiner Familie und seinen Kühen zu widmen – und machte so Platz für seine Liebste. Denn Friedli, die nebst dem gemeinsam betriebenen Landgasthof in Ebnat-Kappel SG eine Agentur für politische Kommunikation führt, sagt: «Zusammen im gleichen Rat – das kam für uns nie infrage.» Mit Bett, Beiz und seit einigen Jahren auch dem Parteibüchlein teilt sich das Paar im Leben schliesslich schon genug.
Sie will es ein zweites Mal wissen
Friedli, heute Sekretärin der SVP St. Gallen, ist der Partei vor drei Jahren Knall auf Fall beigetreten. In einer Last-minute-Übung wollte diese mit ihr einen Regierungsratssitz im Kanton retten. Gelungen ist ihr der Coup zwar nicht, doch das Ergebnis konnte sich für einen Polit-Neuling wie sie sehen lassen. Friedli leckte Blut.
Statt andere auf dem Weg ins Bundeshaus zu beraten, spurt sie nun ihren eigenen vor. Die Kandidatur 2016 als einmalige Sache abzutun, wäre angesichts des überraschend guten Resultats «ja schon etwas schade», meint sie.
Ausgerechnet Toni machts ihr schwer
Als jemand, der sich von Berufs wegen mit Wahlkampf befasst, ist Friedli klar, dass ihr der Promibonus Brunners helfen wird – auch wenn sie das nicht zugeben will. Doch Friedli weiss auch, dass weder sie noch die Partei sich darauf ausruhen können. Hat ihr Lebenspartner die SVP in den vergangenen Jahrzehnten zur mit Abstand wählerstärksten Partei im Kanton gemacht, muss die SVP seines Abgangs wegen nun zittern.
Denn mit Brunner ist der Mann weg, der jeweils locker 20'000 Stimmen mehr machte als alle anderen auf der SVP-Liste. Der Partei droht ein Sitzverlust – daran ändert auch nichts, dass das ehemalige SVP-Zugpferd als Wahlkampfleiter amtet. Im Klimawahljahr stehen die Zeichen gut, dass das grüne Lager einen der beiden Sitze zurückholen kann, die man 2015 an die Bürgerlichen verloren hatte.
«Es wird schwierig werden», analysiert Friedli nüchtern. Gerade für sie, die als Neue antritt. Aber ihre eigene Wahl, die stehe auch gar nicht im Vordergrund. «Ich will einen Beitrag leisten, dass wir die fünf Sitze halten können», sagt die SVPlerin. Sie selbst strebe den Platz hinter den Bisherigen an.
So ganz anders als ihr Liebster
Friedli gibt sich betont bescheiden – obwohl sie durchaus Chancen hat, eine oder einen Bisherigen zu überholen und in den Nationalrat zu ziehen. Die gebürtige Bernerin ist kein Plauderi, auch kein Polteri, sondern still und zurückhaltend. Neben SVP-Scharfmachern wie Roger Köppel (54) oder Andreas Glarner (56) wirkt sie blass. Zumindest jetzt noch.
Eines hat die untypische SVP-Kandidatin mit dem Zürcher Köppel, dessen Wahlkampf sie 2015 managte, aber gemeinsam: Trotz der Mitarbeit auf dem Toggenburger Hof ist Friedli, die Politikwissenschaften, Staatsrecht und Volkswirtschaft studiert hat, ein Beispiel für die Akademisierung der ehemaligen Bauernpartei. Ganz anders also als ihr Partner Toni, gelernter Landwirt, der im Bundeshaus gleich redete wie daheim im Kuhstall.
Von der CVP zur SVP
Fraglich bleibt, wie anders Friedli auch inhaltlich tickt. Da sie bislang noch kein politisches Amt innehatte, kann über ihre politische Ausrichtung nur spekuliert werden. Im innersten SVP-Zirkel verkehrend, dürfte diese allerdings kaum so exotisch sein, wie das ihr Berner Dialekt im tiefsten Toggenburg ist.
Das war nicht immer so. Seit ihrer Jugend war Friedli Mitglied der CVP. Mit dem Umzug ins Toggenburg vor gut zehn Jahren rückte die Politologin dann aber nicht nur auf der Landkarte, sondern auch politisch nach rechts – nicht nur, aber sicher auch wegen ihrer Liebe. «Ich stehe dazu: Ich bin rechter geworden im Verlauf der letzten Jahre», sagt Friedli. Und so scheint dank ihr über dem Gasthof Sonne am Wintersberg das SVP-Sünneli weiter.
Am 20. Oktober finden die eidgenössischen Parlamentswahlen in der Schweiz statt. Die insgesamt 200 Sitz im Nationalrat werden nach Anzahl Bevölkerung auf die Kantone verteilt und müssen neu gewählt werden. Auch die 46 Sitze des Ständerats werden neu vergeben.
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