Niemand dreht sich um. Im Pfalzkeller, dem Hauptquartier der St. Galler Regierungsratswahlen, warten gestern kurz nach 13 Uhr alle Anwesenden auf die Ankunft von SVP-Kandidatin Esther Friedli. Doch als sie endlich eintrifft, Arm in Arm mit ihrem Lebenspartner Toni Brunner, wird sie minutenlang gar nicht bemerkt.
Erst als Brunner einen seiner landesweit bekannten Lacher von sich gibt, geht ein Raunen durch die Menge. Dann: warmer Applaus.
Friedli bedankt sich mit einem schüchternen Nicken. Es wirkt, als sei sie froh um die Aufmunterung. Vielleicht gerade, weil sie, die doch erst vor sieben Wochen aktiv in die SVP und die St. Galler Kantonspolitik eingestiegen war, nun relativ knapp an einer Sensation vorbeigeschrammt ist.
Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Mächler und Friedli
Nach drei Vierteln der ausgezählten Gemeinden war sie sogar noch gleichauf gelegen mit FDP-Mann Marc Mächler, dem unbestrittenen Favoriten für den siebten Regierungssitz. Erst mit den Wahlergebnissen aus den Städten Rapperswil-Jona, Wil, Gossau und St. Gallen konnte sich der freisinnige UBS-Banker absetzen. Mächler machte letztlich gut 45'475 Stimmen, Friedli kam auf 39'773 Stimmen.
Damit bleibt in der St. Galler Regierung parteipolitisch alles beim Alten: SP, CVP und FDP bestellen zwei Sitze. Die SVP, mit Abstand stärkste Kraft im Kanton, bleibt mit nur einem Regierungsrat marginalisiert. Die Partei, die sich so gerne auf das Volk beruft, ist in Mehrheitswahlen nicht mehrheitsfähig.
Toni Brunner: «S bescht Wochenänd vo mim Läbä»
Auf diese Diskussion wollte sich Toni Brunner gestern im St. Galler Pfalzkeller indes nicht einlassen. Er bleibt Kampf-Optimist: Tags zuvor habe er das SVP-Präsidium abgegeben und eine Ehringer Kampfkuh erhalten. Nun mache Esther ein so glänzendes Ergebnis, obwohl die SVP wieder einmal ganz alleine gegen alle anderen habe kämpfen müssen. Es sei: «S bescht Wochenänd vo mim Läbä», ruft er.
Auch Friedli gibt sich gefasst: «Vor sieben Wochen galt meine Kandidatur als absolut aussichtslos. Trotzdem ist es uns gelungen, das Rennen nochmals spannend zu machen.»
Friedli hats «scho bitz» den Ärmel reingenommen
Wie es nun mit ihrer politischen Karriere weitergehe? Friedli bleibt vage: Zunächst wolle sie sich auf ihren Job konzentrieren. Sie sei ja noch jung, könne auch in vier, sechs oder zehn Jahren noch kandidieren. Es habe ihr «scho bitz» den Ärmel reingenommen.
Druck hat Friedli jedenfalls keinen. Nach diesem Wahlergebnis wird sie nicht so schnell in Vergessenheit geraten. Und falls doch, wird ihr Toni bestimmt Abhilfe schaffen können. Und sei es nur mit einem gut getimten Lacher.