Für viele ist sie ein Ärgernis: Die halbjährliche Zeitumstellung im EU-Raum. Jetzt will EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (63) die Genervten erhören und die Zeitumstellung abschaffen.
«Die Menschen wollen das, wir machen das», sagt Juncker. Die EU hatte rund 4,6 Millionen Bürger zur Zeitumstellung befragt. Ergebnis: Mehr als 80 Prozent wollen sie loswerden. Seit gestern nun berät die EU-Kommission über das Thema. Und Juncker selbst weibelt fleissig für die Abschaffung: «Das werden wir heute beschliessen», sagte er. Schliesslich sei es sinnlos, die Menschen zu einem Thema zu befragen und dann, wenn es einem nicht passe, dem nicht zu folgen. «Die Menschen wollen das, wir machen das», sagte Juncker.
SVP-Estermann jubelt – aber nur kurz
Darüber so richtig erfreut ist SVP-Nationalrätin und Sommerzeit-Schreck Yvette Estermann (51). Die Innerschweizerin hatte sich den Kampf gegen die Zeitumstellung seit Jahren auf ihre politische Fahne geschrieben. Ihre erste Reaktion, als BLICK sie über die Bewegung in Brüssel informiert: «Endlich kommt mal etwas Gutes aus der EU!»
Doch schnell folgt die Ernüchterung: Juncker will die Sommerzeit als Normalzeit einführen. So bleibt es am Abend länger hell. «Das ist völliger Unsinn», sagt Estermann. «Wir sollten so leben, wie die Sonne steht. Aber viele Pendler müssen schon um sechs auf den Zug. In der Sommerzeit ist es fünf Uhr. Das ist doch mitten in der Nacht!»
Das Schweizer Stimmvolk hatte sich 1979 an der Urne entschieden gegen die Sommerzeit ausgesprochen. Drei Jahre lang war die Eidgenossenschaft eine Zeit-Insel. Die SBB mussten einen Notfall-Plan für rund 15 Millionen Franken erstellen. Estermann: «Für mich gilt noch immer dieser Entscheid. Die Schweizer wollen die Winterzeit beibehalten. Nicht die Sommerzeit.»
Estermann hatte 2012 die Diskussion auch in den Nationalrat gebracht. Sie verlangte mit einem Vorstoss die Abschaffung der Sommerzeit. Die grosse Kammer erstickte die Idee im Keim, verwarf sie mit 23 zu 145 Stimmen wuchtig.
SP-Feri sympathisiert mit SVP-Estermanns Idee
Unter den 23 Fürsprechern waren hauptsächlich Estermanns Parteikollegen. Doch jetzt könnte die Linke, bisher klare Verfechterin der Zeitumstellung, ihre Haltung ändern.
SP-Nationalrätin Yvonne Feri (52) hatte sich 2012 der Stimme enthalten. Jetzt sagt sie: «Ich unterstütze die Abschaffung der Zeitumstellung. Ich stelle mir aber die Frage, warum wir die gültige Zeit nicht einfach beibehalten und es eine ewige Sommerzeit braucht.» Feri betont, dass sie es noch nicht abschliessend beurteilen könne.
Gar nichts von der Debatte hält SP-Bildungspolitiker und Nationalrat Matthias Aebischer (50). «Ich fand die Diskussion schon immer etwas lächerlich. Meine Haltung ist klar: Wenn die EU auf Sommerzeit umstellt, muss die Schweiz mitmachen. Wir können doch nicht im Ernst eine Zeit-Insel werden.»
Und was meint Bildungspolitiker Aebischer zum Argument, Schüler würden unter der Umstellung jedes Jahr besonders leiden. «Das ist an den Haaren herbeigezogen!»
Am Sonntag, 31. März, beginnt Sommerzeit. Um 2 Uhr werden die Uhren in der Schweiz wie in den meisten europäischen Ländern umgestellt. Wieder stellt sich die Frage, in welche Richtung der Zeiger denn nun gedreht wird.
Am Sonntag, 31. März, beginnt Sommerzeit. Um 2 Uhr werden die Uhren in der Schweiz wie in den meisten europäischen Ländern umgestellt. Wieder stellt sich die Frage, in welche Richtung der Zeiger denn nun gedreht wird.