Die Fair-Food-Initiative hat Schweizer Detailhändler und Exportfirmen auf dem falschen Fuss erwischt. Sie verlangt strengere ökologische Standards für Lebensmittel.
Dabei wurden Migros und Coop bisher regelmässig zu den nachhaltigsten Supermärkten der Welt erkoren. Nun aber stehen die beiden orangen Multis im Abstimmungskampf plötzlich als Abzocker da, die unsauberes Essen verkaufen – so sieht es zumindest das Ja-Lager.
Während sich Coop hinter dem Branchenverband IG Detailhandel versteckt, geht Migros zwei Wochen vor dem Urnengang in die Offensive. Gegenüber SonntagsBlick nimmt nun erstmals Konzernchef Fabrice Zumbrunnen (48) Stellung – und greift in höchster Not zu einem öffentlichen Appell an die Vernunft: «Die Initiative ist gut gemeint, lässt sich aber nur mit grossem bürokratischem Aufwand und hohen Kosten umsetzen!»
Migros sieht 20 Prozent Preisanstieg
Zumbrunnen prophezeit, dass auf die Konsumenten hohe Kosten zukommen, wenn sie die Initiative annehmen: «Auf Basis der bisherigen Stellungnahmen der Initianten rechnen unsere Experten damit, dass die Lebensmittel rund 20 Prozent teurer würden.»
Dies habe man seriös abgeklärt, entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Gleichzeitig befürchtet Zumbrunnen weniger Auswahl in den Regalen. «Beim Import dürfte es bei konsequenter Umsetzung der Initiative zu einem reduzierten Angebot kommen.»
Warum das? Bestimmte Lebensmittel wie Parmaschinken oder Feta sind an Herkunftsbezeichnungen geknüpft. Die Lieferanten müssten sich an die von Fair Food geforderten Mindeststandards bezüglich Tierwohl, Arbeitsbedingungen und Ökologie halten. Dies aber sei nicht immer möglich, meinen die Grossverteiler.
Mächtige Gegner
Fair-Food-Initiantin Maya Graf (56) weiss, dass sie es mit einem mächtigen Gegner zu tun hat. «Es ist absolut unverständlich, wie sich die Migros vor den Karren der Importeure der Economiesuisse spannen lässt», schimpft die Baselbieter Landwirtin und Nationalrätin der Grünen. «So gut dokumentiert über den Warenfluss wie die Lebensmittelbranche ist sonst niemand.» Es sei daher kein Problem, strengere Standards zu überprüfen.
Und was sagt sie zum angekündigten Preisschock? «Das ist pure Angstmacherei!»
Nicht nur der Migros-Chef schaltet 14 Tage vor dem Urnengang in den Angriffsmodus. Auch die Exportindustrie macht mobil. In einem Inserat will der Verband Swissmem nächste Woche vor einem Ja am 23. September warnen: Die Schweiz schotte sich ab, heisst es da, sie setze sich selbst auf eine schwarze Liste der Staaten, die internationales Handelsrecht verletzen.
Swissmem-Präsident Hans Hess (63) zu SonntagsBlick: «Wenn die Schweiz protektionistische Massnahmen einführt, sind Handelsstreitigkeiten programmiert.» Die Gefahr sei gross, dass andere Länder Gegenmassnahmen ergreifen – etwa in Form von neuen Zöllen auf Schweizer Produkte.
Parmaschinken, Feta oder andere Käsesorten dürfen ihren Namen nur tragen, wenn sie aus einer bestimmten Region stammen. Beim Ja zur Fair-Food-Initiative muss der Handel Lieferanten finden, die deren Qualitätsanforderungen erfüllen – oder die Produkte auslisten. Das droht auch Trauben, weil die Nachfrage nur mit ausländischen Früchten gedeckt werden kann.
Parmaschinken, Feta oder andere Käsesorten dürfen ihren Namen nur tragen, wenn sie aus einer bestimmten Region stammen. Beim Ja zur Fair-Food-Initiative muss der Handel Lieferanten finden, die deren Qualitätsanforderungen erfüllen – oder die Produkte auslisten. Das droht auch Trauben, weil die Nachfrage nur mit ausländischen Früchten gedeckt werden kann.
Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.
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Sicher ist: Die Gegner der Fair-Food-Initiative sind nervös. Unsicher ist, ob ihre dramatischen Appelle wirken.