Egal, wie der Sommer wird: Dem Schweizer Baugewerbe stehen heisse Monate bevor. Denn der Streit zwischen Gewerkschaftern und Arbeitgebern eskaliert.
Grund ist der Landesmantelvertrag für das Bauhauptgewerbe. Er läuft Ende Jahr aus. Und die Verhandlungen über die Verlängerung ziehen sich ergebnislos hin.
Die wichtigsten Forderungen der Baumeister:
- Erhöhung der möglichen Regelarbeitszeit von 45 auf 50 Stunden pro Woche und bis zu 200 Überstunden
- Tiefere Löhne unter dem Mindestlohn für ältere Bauarbeiter
- Kürzere Kündigungsfristen für ältere Bauarbeiter über 55 Jahren (heute betragen diese das doppelte der normalen Frist, was gemäss den Baumeistern dazu führt, dass Bauarbeiter vermehrt mit 53 oder 54 Jahren gekündigt werden)
Die Gewerkschaften fordern:
- 150 Franken mehr Lohn
- Die Senkung der Regelarbeitszeit auf 8,5 Stunden im Sommer
- Eine Beschränkung der Überstunden auf maximal 40 Stunden
«Der Baubranche geht es ausgezeichnet», so Nico Lutz von der Gewerkschaft Unia. In den letzten zehn Jahren sei mit weniger festangestellten Bauarbeitern 30 Prozent mehr Umsatz erzielt worden. Davon sollten auch die angestellten Büezer profitieren.
Stopp mit der Temporärarbeit
Einen Marschhalt fordern die Gewerkschaften auch bei Temporärarbeit. Denn die sei in den letzten Jahren regelrecht explodiert. Zwischen 2015 und 2016 habe der Anteil der Temporärbeschäftigten auf dem Bau um 15 Prozent zugenommen, bei älteren Bauarbeitern sogar um 20 Prozent.
«Es werden immer mehr ältere Bauarbeiter, die Jahrzehnte für ihre Firmen gearbeitet haben, entlassen. Diese müssen dann als Zeitarbeiter weitermachen», so Lutz. Es gebe Baustellen, auf denen heute über die Hälfte der Bauarbeiter temporär angestellt sind.
Kernstück Rente mit 60
Ein weiterer hart umkämpfter Streitpunkt ist die Frührente auf dem Bau. 2003 eingeführt, hat die Stiftung, die sie finanziert, gröbere finanzielle Probleme. Weil wegen der Baby-Boomer derzeit mehr Geld für Renten ausgegeben wird als durch Beiträge wieder reinkommt.
«Mit über 60 geht man kaputt»Die Baumeister fordern darum, dass die Frührente gekürzt wird: Entweder sollen die Bauarbeiter bis 62 arbeiten oder aber auf einen Drittel ihrer Rente verzichten. Die Gewerkschaften wollen stattdessen die Einnahmen erhöhen. Denn nach 2024 werde das Baby-Boomer-Problem verschwinden. Auch hier ist kein Kompromiss in Sicht.
Streik liegt in der Luft
«Die Bauarbeiter sind wütend», so Lutz. Und dieser Wut werden sie morgen Ausdruck verleihen. In Zürich ist eine Gross-Demo angesagt. Rund 10'000 Bauarbeiter werden zum Hauptsitz des Baumeisterverbands marschieren. Und das ist nicht alles: Beide Bau-Gewerkschaften, Unia und Syna, führen derzeit Streikabstimmungen durch. Bei der Unia haben sich 20'000 Bauarbeiter daran beteiligt. Noch ist nicht ganz ausgezählt. «Aufgrund der bisherigen Auszählung rechnen wir mit einer Zustimmung von 90 Prozent», so Lutz.
Auch die Syna wird nach dem Sommer über Streiks abstimmen. Syna-Bau-Chef Guido Schluep geht auch hier von einer hohen Zustimmung aus, sollte sich bis dahin kein Kompromiss finden. «Der Angriff der Baumeister auf die Rente mit 60 könnte zu leeren Baustellen führen», droht er. «Ich frage mich, ob die Baumeister das wirklich riskieren wollen.» Heisst: Ab Herbst ist mit Protestaktionen und Warnstreiks auf den Baustellen zu rechnen.
Die Baumeister sehen das entspannt: «Wir sind zuversichtlich, dass wir eine vernünftige Lösung mit den Gewerkschaften finden», so Matthias Engel, Sprecher des Baumeisterverbands. Demonstrationen seien eine übliche Ausdrucksform der Gewerkschaften. «Aktuell gilt die Friedenspflicht. Die Lösung finden wir am Verhandlungstisch.»