34 Seiten ist er lang, 23 Ziele umfasst er und 187 Empfehlungen: Der Uno-Migrationspakt ist innert weniger Wochen zum grossen Zankapfel der Schweizer Aussenpolitik geworden. Kommenden Monat soll die internationale Vereinbarung in Marrakesch von der Staatenwelt verabschiedet werden. Ob auch Pietro Mona (40) nach Nordafrika reisen wird, ist ungewiss. Der Botschafter für Entwicklung, Flucht und Migration des Bundes hatte bei den Verhandlungen zum Pakt in New York die Schweizer Delegation angeführt. Nun zittert er um die Zustimmung der Schweiz zum mühselig ausgehandelten Dokument. BLICK hat den Mitverfasser des Paktes in seinem Büro in Bern zum Interview getroffen.
Herr Mona, der Uno-Migrationspakt steht massiv in der Kritik – nicht nur von rechts, sondern bis weit hinein in die politische Mitte. Haben Sie in New York schlecht verhandelt?
Pietro Mona: Der Pakt ist ein Resultat von Verhandlungen unter 192 Staaten. Dass im Parlament nicht alle mit allen Elementen einverstanden sind, verstehen wir. Aber wir haben alles gegeben, um ein möglichst gutes Ergebnis herauszuholen. Und ich persönlich finde, das ist uns gelungen. Der Pakt entspricht unseren Interessen.
Sie führten die Schweizer Delegation in New York an. Mit welchem Ziel flogen Sie in die USA?
Der Beschluss zum Migrationspakt ist 2016 gefasst worden – unter dem Eindruck der grossen, unkontrollierten Flucht- und Migrationsbewegungen auf der Welt. Unser Ziel war es, zusammen mit anderen Staaten Antworten auf diese Herausforderungen zu finden.
Was war der grösste Erfolg, den Sie bei den Verhandlungen verbuchen konnten?
Der Migrationspakt ist das erste internationale Dokument, das festhält, dass Staaten verpflichtet sind, bei der Rückkehr ihrer Staatsbürger mitzuarbeiten. Das ist auch der Schweiz zu verdanken.
Der globale Pakt für eine «sichere, geordnete und reguläre Migration» soll Mitte Dezember in Marokko offiziell verabschiedet werden. Das rechtlich unverbindliche Dokument definiert gemeinsame Eckwerte für eine geordnete Migration. Dazu gehören etwa Hilfe vor Ort, Bekämpfung des Menschenhandels und Menschenschmuggels, sichere Grenzen, Beachtung der Menschenrechte, Rückführung und Reintegration sowie nachhaltige Integration.
Gemäss Bundesrat weicht die Schweiz heute nur in einem Punkt vom Pakt ab. Dabei geht es um die Ausschaffungshaft für Minderjährige ab 15 Jahren. Die Gegner allerdings befürchten, dass der Pakt dazu führt, dass die Zuwanderung nicht mehr eigenständig gesteuert werden kann. Die SVP warnt sogar vor offenen Grenzen und einem weltweiten, freien Personenverkehr.
Umstritten sind auch Passagen zur Berichterstattung über Migration. Der Pakt empfiehlt, keine Medien staatlich zu unterstützen, die systematisch Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus fördern. Die Gegner warnen daher vor Zensur.
An vorderster Front bekämpft die SVP den Pakt. Auch FDP und CVP sind skeptisch oder haben gewisse Vorbehalte. SP und Grüne hingegen sind für den Pakt. Die staatspolitischen Kommissionen von National- und Ständerat fordern nun, dass der Bundesrat dem Pakt vorerst nicht zustimmt, sondern das Parlament – und allenfalls das Volk – darüber entscheidet.
Einige Länder haben bereits angekündigt, ihre Zustimmung zu verweigern – so etwa die USA, Österreich, Ungarn, Polen, Tschechien oder Australien.
Der globale Pakt für eine «sichere, geordnete und reguläre Migration» soll Mitte Dezember in Marokko offiziell verabschiedet werden. Das rechtlich unverbindliche Dokument definiert gemeinsame Eckwerte für eine geordnete Migration. Dazu gehören etwa Hilfe vor Ort, Bekämpfung des Menschenhandels und Menschenschmuggels, sichere Grenzen, Beachtung der Menschenrechte, Rückführung und Reintegration sowie nachhaltige Integration.
Gemäss Bundesrat weicht die Schweiz heute nur in einem Punkt vom Pakt ab. Dabei geht es um die Ausschaffungshaft für Minderjährige ab 15 Jahren. Die Gegner allerdings befürchten, dass der Pakt dazu führt, dass die Zuwanderung nicht mehr eigenständig gesteuert werden kann. Die SVP warnt sogar vor offenen Grenzen und einem weltweiten, freien Personenverkehr.
Umstritten sind auch Passagen zur Berichterstattung über Migration. Der Pakt empfiehlt, keine Medien staatlich zu unterstützen, die systematisch Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus fördern. Die Gegner warnen daher vor Zensur.
An vorderster Front bekämpft die SVP den Pakt. Auch FDP und CVP sind skeptisch oder haben gewisse Vorbehalte. SP und Grüne hingegen sind für den Pakt. Die staatspolitischen Kommissionen von National- und Ständerat fordern nun, dass der Bundesrat dem Pakt vorerst nicht zustimmt, sondern das Parlament – und allenfalls das Volk – darüber entscheidet.
Einige Länder haben bereits angekündigt, ihre Zustimmung zu verweigern – so etwa die USA, Österreich, Ungarn, Polen, Tschechien oder Australien.
Was haben wir konkret davon?
Der Migrationspakt gibt uns ein zusätzliches Instrument in die Hand, das uns bei den Verhandlungen über Rückübernahmeabkommen helfen wird – zum Beispiel mit Ländern wie Eritrea. Wichtig hierfür ist die Zusammenarbeit mit den Herkunftsstaaten. So müssen wir etwa Entwicklungszusammenarbeit und Migration im gleichen Kontext betrachten und die Herkunftsländer beispielsweise bei der Hilfe vor Ort unterstützen oder die Ursachen irregulärer Migration angehen. Das entspricht übrigens dem Mandat des Parlaments und wird ebenfalls im Pakt verankert.
Und wo konnte sich die Schweiz nicht durchsetzen?
Es gibt sicherlich einzelne Passagen, die wir anders formuliert hätten. Darum war es auch wichtig, dass der Bundesrat klar festgehalten hat, wie er gewisse Umsetzungsinstrumente interpretiert.
Sie sprechen die Ausschaffungshaft für Minderjährige an, gegen die sich der Pakt ausspricht – an der die Schweiz aber trotzdem festhalten will.
Genau. Dieser Punkt wurde sehr intensiv debattiert. Es waren die südamerikanischen Staaten, die ihn unbedingt im Pakt haben wollten, nachdem herauskam, dass die USA Migrantenkinder getrennt von ihren Eltern festhielten.
Man wollte also ein Zeichen gegen die Migrationspolitik der USA setzen. Es ist allerdings nicht sehr wirkungsvoll, wenn dann die Schweiz kommt und sagt: Wir halten uns auch nicht dran.
Schlussendlich ist der Pakt rechtlich nicht verbindlich. Er enthält 23 Ziele und eine Liste von Umsetzungsinstrumenten, um diese zu erreichen. Die Instrumente, die man nutzen will, kann man nutzen – die anderen nicht.
Aber warum sollen wir einem Pakt überhaupt zustimmen, wenn sowieso nichts verbindlich ist?
Der Pakt ist für die Schweiz eine Bestätigung unserer Migrationspolitik. Ich bin überzeugt, dass er uns in Zukunft helfen wird, unsere Interessen besser durchzusetzen. Denn gerade als kleiner Staat sind wir auf internationale Kooperation angewiesen. Die Tatsache, dass wir uns schon an die 23 Ziele halten, soll uns auf keinen Fall daran hindern mitzumachen. Nicht zuletzt geht es auch um Glaubwürdigkeit. Wir können nicht von anderen Staaten verlangen, sich an etwas zu halten, wofür wir uns nicht verpflichten wollen.
Das sehen nicht alle so. Die Zustimmung der Schweiz steht derzeit auf der Kippe. Hand aufs Herz: Haben Sie mit solch heftigem Protest gerechnet?
Migration ist ein sehr emotionales Thema, das ist uns bewusst. Dass wir das Ganze unterschätzt haben, würde ich nicht sagen. Schliesslich bringt es nichts, wenn wir in der Uno etwas verhandeln, dann aber keine innenpolitische Diskussion stattfindet. Der Bundesrat hat seine Position klar kommuniziert. Nun laufen im Parlament die Konsultationen mit den Kommissionen.
Pietro Mona (40) ist seit September 2017 Botschafter für Entwicklung, Flucht und Migration in Bern. Der Diplomat hat in Genf studiert und arbeitete mehrere Jahre für die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) in Nigeria. Vor seiner Ernennung zum Botschafter war Mona stellvertretender Leiter der Abteilung Migration und Entwicklung bei der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza).
Pietro Mona (40) ist seit September 2017 Botschafter für Entwicklung, Flucht und Migration in Bern. Der Diplomat hat in Genf studiert und arbeitete mehrere Jahre für die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) in Nigeria. Vor seiner Ernennung zum Botschafter war Mona stellvertretender Leiter der Abteilung Migration und Entwicklung bei der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza).