Die SRG bleibt trotz Widerstand aus Politik und Wirtschaft bei ihrer harten Linie: Sie verlegt die Informationsabteilung des Radios von Bern nach Zürich.
Davon betroffen sind 170 Journalisten und Techniker, die unter anderem die Sendungen «Echo der Zeit» oder «Rendez-vous» produzieren. In Bern verblieben einzig die Bundeshausredaktion und das «Regionaljournal Bern/Freiburg/Wallis».
Aufschrei der Empörung
In Bern sorgt der Entscheid für einen Aufschrei der Empörung. In einer gemeinsamen Medienmitteilung warnen Stadt und Kanton Bern sowie die Hauptstadtregion, dass die SRG an Rückhalt in der Bevölkerung zu verlieren drohe. «Wir sind besorgt über die Konzentration der News-Medien in Zürich.»
Für den Berner Stadtpräsidenten Alec von Graffenried (56), Regierungsrat Christoph Ammann (49) und den Freiburger Stadtammann Thierry Steiert (55) ist das «kompromisslose Vorgehen» des gebührenfinanzierten öffentlichen Medienunternehmens «sachlich falsch und politisch unsensibel».
«Mit diesem Vorgehen wird sich die SRG mittelfristig schwächen, nicht stärken», wird Ammann zitiert. Die SRG-Spitze stosse nicht nur die Region Bern vor den Kopf, sondern verabschiede sich zunehmend von der Grundidee eines regional verankerten Service public.
SP-Aebischer: «SRG erweist sich einen Bärendienst»
«Die SRG erweist sich mit diesem Entscheid einen Bärendienst», sagt SP-Nationalrat Matthias Aebischer (50) zu BLICK. «Der Goodwill zu Gunsten der SRG nach dem klaren Nein zu No Billag dürfte somit bei vielen Leuten und auch auf dem politischen Parkett verflogen sein.»
Auch SVP-Nationalrat Erich Hess (37) bedauert den Entscheid: «Ich finde es falsch, wenn die Bundesstadt das SRG-Radiostudio verliert.»
Auf Twitter gehen die Wogen hoch
Auch auf Twitter gehen bei den sonst ruhigen Bernern für einmal die Wogen hoch. «Die SRG verspielt mit der Verlegung des Radiostudios nach Zürich ihre staatspolitische und publizistische Glaubwürdigkeit», schimpft FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen (37).
Grünen-Chefin und Nationalrätin Regula Rytz (56) zeigt sich frustriert: Der partei- und kantonsübergreifende Kampf sei vergeblich gewesen. «Dieser Entscheid wird die SRG schwächen. Dem sagt man Eigentor.»
CVP-Darbellay: «Falsch, unsensibel, apolitisch»
Doch nicht nur im Kanton Bern hagelt es Proteste. Der frühere CVP-Chef und heutige Walliser Staatsrat Christophe Darbellay (47) fährt seinem Parteikollegen und SRG-Präsidenten Jean-Michel Cina (55) an den Karren: «Falsch, unsensibel, apolitisch! Schade, all das nach No Billag.»
Journalisten protestieren
Nicht nur Politiker, sondern Journalisten protestieren. «Mit dem Entscheid, grosse Teile der Informationsabteilung des Radios von Bern nach Zürich umzusiedeln, schwächt der SRG-Verwaltungsrat die regionale Verankerung und gefährdet die inhaltliche Vielfalt in der Berichterstattung der grössten Service-public-Anbieterin der Schweiz», schreibt das Schweizer Syndikat Medienschaffender (SSM).
Die Journalisten-Gewerkschaft gibt sich noch nicht geschlagen. Sie will nun die Rechtmässigkeit des definitiven Umzugentscheids prüfen, denn: «Dieser wurde gefällt, ohne dass dem SSM sein im Gesamtarbeitsvertrag verbrieftes Recht auf Anhörung zugestanden worden ist.»
Die betroffenen SRG-Mitarbeiter am Standort Bern, die sich in der Gruppe Pro Radiostudio Bern zusammengeschlossen, reagieren enttäuscht auf den Entscheid. «Der Wechsel grosser Teile der Radio-Redaktionen von Bern nach Zürich wird in vielen Belangen negative Konsequenzen haben», schreibt sie in einer Stellungnahme. Die Berichterstattung von Radio und Fernsehen werde sich angleichen, weil die publizistischen Entscheide im Newsroom in Zürich getroffen werden, befürchtet die Gruppe. «Die journalistische Vielfalt verschwindet.»
Zudem kritisieren die Betroffenen, «dass weder das SRG-Management noch der Verwaltungsrat der SRG auf unsere Gesprächsangebote eingegangen sind und das Gespräch über unsere konstruktiven Vorschläge, wie man den Standort Bern beibehalten oder gar stärken könnte, verweigert hat.» Diese Gesprächsverweigerung sei ein Affront gegenüber den Mitarbeitenden.