Ein Superpuma suchte mit einer Wärmebildkamera nach einem Pilzsammler – mit Erfolg. (Archiv)
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Spesenexzesse an Armee-Spitze
Alpenbitter-Orgie, Heli-Taxi für Frauen und Privat-Konzert

Die Armeespitze pflegte lange einen lockeren Umgang mit Steuergeldern. Ein Spesenreglement, das ihren Ausschweifungen Einhalt geboten hätte, fehlte. Das zeigt ein Untersuchungsbericht zu den Spesen im Armeekader.
Publiziert: 12.11.2018 um 09:56 Uhr
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Aktualisiert: 13.11.2018 um 09:59 Uhr
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Bundesrat und VBS-Chef Guy Parmelin wollte den Bericht geheim halten.
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Die Geschichte beginnt im Dezember 2016: Damals wurde Oberfeldarzt Andreas Stettbacher von einem Tag auf den anderen freigestellt. Wegen eines teuren Weihnachtsessens – 15'000 Franken für 32 Personen – war er unter Beschuss geraten. «Vermögens- und Amtsdelikte» lautete der Verdacht, der sich dann aber in Luft auflöste.

Stettbacher ist wieder in Amt und Würden. Doch seine überbordenden Ausgaben brachten einen Stein ins Rollen. Es wirft ein schiefes Licht auf die Armeespitze. Denn Stettbacher war nicht der Einzige, der den Umgang mit Steuergeldern locker handhabte. Er packte aus: Auch seine Vorgesetzten glänzten mit Spesenexzessen.

Helikopterflüge und viel Alkohol

Der Untersuchungsbericht des Zürcher Ex-Staatsanwalts Cornel Borbély, über den der «Tages-Anzeiger» und «La Liberté» heute berichten, zeigt, wie die Dreisterne-Generäle über die Stränge schlugen. Beispiele:

  • Bei den Seminaren der höheren Stabsoffiziere werden alle zwei Jahre auch die Freundinnen und Ehefrauen eingeladen. 2017 wurde der Anlass in Crans-Montana VS durchgeführt. Armeechef Philippe Rebord liess 18 Partnerinnen seiner höheren Stabsoffiziere mit dem Helikopter aus Dübendorf, Emmen, Bern, Payerne und Lausanne ins Wallis fliegen. Auf dem Programm stand der Besuch eines unterirdischen Sees und am nächsten Tag ein kostenloser Golfkurs für die Frauen. Die Frauen mussten einen Unkostenbeitrag von je 100 Franken bezahlen – damit war der Mehraufwand von 7000 Franken für Nachtessen oder Übernachtung aber bei weitem nicht gedeckt. Dieser Anlass sei eine «Tradition» verteidigte sich Rebord im Bericht. Man schaue bei solchen Anlässen, dass die Kosten tief bleiben. Und die Piloten müssten ja sowieso auf ihre Flugstunden kommen.
  • Die Armeespitze trifft sich mehrmals jährlich zu gediegenen Seminaren. Laut Insidern gebe es «anständige» Mehrgänger, «limitless Alkohol», mit «Plättli» und Drinks später in der Bar, alles auf Staatsrechnung. Auch Partnerinnen und Ehefrauen seien öfters eingeladen zu diesen «Wertschätzungsübungen».
  • 2015 lud Korpskommandant Daniel Baumgartner – damals Chef in der Logistikbasis der Armee (LBA) und Stettbachers Vorgesetzter, heute Ausbildungschef – zum Jahresrapport ins Velodrome nach Grenchen. Stettbacher spricht von «exorbitanten Kosten». 3500 Mitarbeiter und 500 Gäste kamen. Sängerin Fabienne Louves sorgte für Unterhaltung. Das Ganze kostete über eine halbe Million Franken.
  • Stettbacher berichtet auch von «Appenzeller-Alpenbitter-Orgien» bei einem LBA-Führungsseminar 2014 in Elm. Baumgartner verteidigt sich in der Befragung, es sei bloss ein «lustiger und aufgestellter Abend» gewesen. Der Untersuchungsbericht liefert die Zahlen, was die 28 Teilnehmer damals konsumierten: «7 Biere, 82 Einheiten Spirituosen (1 Kaffee Zwetschgen Luz, 53 Appenzeller, 17 Grappa Barolo, 4 Scotch Whisky, 6 Vieille Prune Morin, 1 Williams Theiler Pianta), 10 Flaschen Weisswein, 12 Flaschen Rotwein, damit total Fr. 1735.20 für alkoholische Getränke, somit Fr. 78.87 pro Mitarbeiter (ohne Gäste).» Auch neun Zigarren kommen noch auf die Rechnung.
  • Bei Kader-Weihnachtsessen zeigt sich Baumgartner ebenfalls grosszügig. Oft sind es 250 Franken und mehr pro Mitarbeiter, denn Gattinnen und Gatten waren stets auch eingeladen. Dass auch die Kosten für die Partnerinnen und Partner übernommen werden, ist für Borbély «nicht nachvollziehbar». Doch die Kontrollstellen akzeptierten diese Praxis.
  • Korpskommandant Baumgartner verschenkte vier Helvetia-Goldmünzen aus dem 19. Jahrhundert an Mitarbeiter. Kostenpunkt: Rund 1200 Franken pro Stück. Bei seinem Abschied als LBA-Chef erhielt Baumgartner ebenfalls eine solche Münze auf Staatskosten geschenkt.

Keine personellen Konsequenzen

Borbély kommt zwar zum Schluss, dass die «ernsthafte Verdachtslage» bestehe, «dass dem Grundsatz der Sparsamkeit zuwidergehandelt wurde». Personelle Konsequenzen gibt es aber keine. Rebord habe sich «korrekt verhalten», so Borbély. Denn: Es fehlte eine Spesenreglement, das ein solches Verhalten untersagt hätte. Erst seit 1. September 2018 ist ein solches in Kraft. 

Bei Baumgartner wird eine Disziplinaruntersuchung durchgeführt. Deren Fazit ist differenzierter: Die Weihnachtsessen waren «aus damaliger Sicht regelkonform». Die Alkohol-Rechnungen hingegen lagen bei zwei Anlässen «über dem Zulässigen». Die Goldmünzen-Geschenke an die Mitarbeiter aber waren «sorgfaltswidrig» und jenes an ihn selber war gar «rechtswidrig». Ein Strafverfahren gibt es aber keines. Auch Baumgartner bleibt im Amt.

VBS wollte Bericht geheim halten

Sowieso ist die Sache dem VBS und seinem Chef Guy Parmelin mehr als unangenehm. Am liebsten hätte es den Mantel des Schweigens über das Ganze ausgebreitet.

Den Bericht wollte es nämlich geheim halten. Erst auf Empfehlung des Öffentlichkeitsbeauftragten des Bundes, Adrian Lobsiger, erhielten die beiden Zeitungen Einsicht. (rus)

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