Sie ist die meistgesuchte Separatistin Spaniens: die Katalanen-Führerin Marta Rovira (41), Generalsekretärin der linksnationalistischen ERC-Partei.
Vor drei Wochen hätte sie in Madrid vor Gericht erscheinen müssen. Stattdessen tauchte sie ab – und wurde von der spanischen Justiz europaweit zur Fahndung ausgeschrieben. Der Vorwurf: Aufruhr und Rebellion.
In einem offenen Brief schrieb sie am Tag nach dem geplatzten Gerichtstermin: «Ich kann das Ausmass an Traurigkeit nicht ausdrücken, das ich empfinde, weil ich so viele Menschen, die mich lieben, zurücklassen muss.» Und: Der Weg ins Exil sei hart, aber nur so könne sie ihre politische Stimme weiter erheben.
Erstmals wendet sich Rovira an die Öffentlichkeit
Seither wurde viel über ihren Verbleib geschrieben, viel spekuliert. Auch darüber, dass sie sich in die Schweiz abgesetzt haben könnte. Rovira selbst schwieg.
Bis jetzt. BLICK hat die Unabhängigkeits-Führerin getroffen. Erstmals seit ihrer Flucht wendet sie sich an die Öffentlichkeit und bestätigt: «Ja, ich halte mich in Genf auf.»
Im Gespräch in einem Café am Lac Léman redet die Spitzenpolitikerin schnell. Als wollte sie ihren Erinnerungen entfliehen. Erinnerungen an die Eskalation der Katalonien-Krise, an die prügelnden Polizisten während des Autonomie-Referendums, an die Verhaftungen ihrer Mitstreiter und Freunde.
Ihre Flucht soll eine nach vorn sein. Aus der Schweiz heraus will Rovira weiterhin als Generalsekretärin der Linksnationalisten amten. Das Ziel bleibt dasselbe: Die Independencia, die Unabhängigkeit Kataloniens.
Hauptgrund für die Flucht: ihre siebenjährige Tochter
Der Hauptgrund für den Gang ins Exil heisst jedoch Agnès. Agnès ist sieben Jahre alt und Roviras Tochter. «Ihr muss ich alles geben, was ich kann», sagt sie. «Im Gefängnis kann ich das nicht.» Rebellion wird in Spanien mit bis zu 30 Jahren Gefängnis bestraft.
Noch ist Agnès in Barcelona, wird dort das Schuljahr beenden. Im Sommer soll sie ihrer Mutter in die Schweiz folgen. «Es tut weh, so weit von ihr entfernt zu sein.» Wo in Genf die Familie unterkommt, sagt die Katalanin nicht. Sie hat Angst, dass spanische Journalisten sie belagern und noch mehr Angst, verhaftet zu werden. Und das nicht unbegründet: Spätestens jetzt, wo Roviras Aufenthaltsort bestätigt ist, dürfte Spanien vom Bund ihre Auslieferung verlangen.
Darum ist die Schweiz in der Klemme
Damit bringt Madrid Bern in die Bredouille. Bisher trat die Schweiz im Katalonien-Konflikt in der Vermittlerrolle auf. Das Aussendepartement bot den zerstrittenen Kontrahenten eine Mediation an. Im Fall Rovira muss sich der Bund jedoch entscheiden: Reicht man der sezessionistischen Aufrührerin die Hand? Oder hilft man der zunehmend autoritär agierenden spanischen Justiz?
Das Bundesamt für Justiz will sich zum Fall nicht äussern. In den letzten Monaten hat Bern jedoch durchblicken lassen, dass es niemanden ausliefert, wenn die Delikte, die einer Person vorgeworfen werden, politischer Natur sind. Zumindest bei den Tatbeständen Aufruhr und Rebellion dürfte das der Fall sein.
Vorteilhaft für Rovira ist auch, dass ihr nicht Veruntreuung öffentlicher Gelder vorgeworfen wird – im Unterschied zu Carles Puigdemont (55). Der frühere katalanische Regionalpräsident wurde vor einer Woche nach mehreren Tagen U-Haft in Deutschland zwar auf freien Fuss gesetzt und vom Vorwurf der Rebellion befreit. Doch noch immer klären die dortigen Behörden ab, ob der Katalanen-Chef aufgrund der ihm vorgeworfenen Veruntreuung an Spanien ausgeliefert werden kann.
In Kontakt mit Puigdemont
Rovira, die gelernte Anwältin ist, verfolgt den Fall von Puigdemont aufmerksam. Vor einigen Tagen hat sie mit ihm telefoniert. Er sei ein «Kämpfer» und werde nicht aufgeben. Sie hofft nun, dass die Schweiz ihr Schutz bietet. «Ich bin dankbar, hier zu sein», sagt sie, hier im «Land der Menschenrechte.»
Die Katalanin macht sich auf schwierige Monate gefasst, schwierige Jahre. Die Repression gegen die Unabhängigkeitsbewegung in ihrem Heimatland mache ihr Angst. «Spanien ist keine Demokratie mehr, Madrid muss endlich in den Dialog mit uns treten.»
Einschüchtern lassen will sie sich davon aber nicht, sondern weiterkämpfen, egal, wo. So wie Puigdemont. Rovira bleibt, was sie immer war: radikal separatistisch.
Neben Marta Rovira werden vier weitere katalanische Politiker von der spanischen Justiz per internationalen Haftbefehl gesucht. Ex-Gesundheitsminister Antoni Comín, Ex-Agrarministerin Meritxell Serret, Ex-Kulturminister Lluís Puig flohen nach Belgien. Das Trio hat sich bei der belgischen Polizei gestellt. Ob sie nach Spanien ausgeliefert werden, ist noch offen.
Ex-Bildungsministerin Clara Ponsatí war erst nach Belgien, dann nach Schottland gereist. Dort stellte sie sich nach kurzer Zeit der schottischen Polizei. Über ihren Verbleib soll demnächst entschieden werden. Genau wie Marta Rovira hat es auch Anna Gabriel nach Genf verschlagen. Gabriel wird aber nicht international gesucht. Der Grund: Ihr wird nur Ungehorsam vorgeworfen, keine Rebellion. Sie muss daher nicht mit einer Auslieferung rechnen.
Neben Marta Rovira werden vier weitere katalanische Politiker von der spanischen Justiz per internationalen Haftbefehl gesucht. Ex-Gesundheitsminister Antoni Comín, Ex-Agrarministerin Meritxell Serret, Ex-Kulturminister Lluís Puig flohen nach Belgien. Das Trio hat sich bei der belgischen Polizei gestellt. Ob sie nach Spanien ausgeliefert werden, ist noch offen.
Ex-Bildungsministerin Clara Ponsatí war erst nach Belgien, dann nach Schottland gereist. Dort stellte sie sich nach kurzer Zeit der schottischen Polizei. Über ihren Verbleib soll demnächst entschieden werden. Genau wie Marta Rovira hat es auch Anna Gabriel nach Genf verschlagen. Gabriel wird aber nicht international gesucht. Der Grund: Ihr wird nur Ungehorsam vorgeworfen, keine Rebellion. Sie muss daher nicht mit einer Auslieferung rechnen.
Kein Teil mehr von Spanien sein, sondern unabhängig. Danach sehnten sich viele Katalanen. Um die Abspaltung offiziell zu machen, gab es das Unabhängigkeitsreferendum im Oktober 2017. Hier stimmten rund 90 Prozent der Wähler für eine Abspaltung.
Das Problem: Das spanische Verfassungsgericht hatte die Abstimmung zuvor für illegal erklärt. Und: Die spanische Regierung hatte mit heftigen Polizeiaufgebot versucht, das Referendum aufzuhalten. Es kam zu Ausschreitungen. Es soll ein Kompromiss gesucht werden. Regierungschef von Katalonien, Carles Puigdemont, versucht einen Dialog mit der Zentralregierung in Madrid zu finden und scheitert.
Die Regierung Puigdemont wird abgesetzt, in Katalonien werden Neuwahlen ausgerufen. Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Puigdemont und andere der abgesetzten Regierung. Einige werden verhaftet, andere können fliehen.
Kein Teil mehr von Spanien sein, sondern unabhängig. Danach sehnten sich viele Katalanen. Um die Abspaltung offiziell zu machen, gab es das Unabhängigkeitsreferendum im Oktober 2017. Hier stimmten rund 90 Prozent der Wähler für eine Abspaltung.
Das Problem: Das spanische Verfassungsgericht hatte die Abstimmung zuvor für illegal erklärt. Und: Die spanische Regierung hatte mit heftigen Polizeiaufgebot versucht, das Referendum aufzuhalten. Es kam zu Ausschreitungen. Es soll ein Kompromiss gesucht werden. Regierungschef von Katalonien, Carles Puigdemont, versucht einen Dialog mit der Zentralregierung in Madrid zu finden und scheitert.
Die Regierung Puigdemont wird abgesetzt, in Katalonien werden Neuwahlen ausgerufen. Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Puigdemont und andere der abgesetzten Regierung. Einige werden verhaftet, andere können fliehen.