Seit Jahren werden die Zürcher von ihrer Regierung an der Nase herumgeführt: Die offizielle konstituierende Sitzung des Regierungsrates ist nämlich nur ein Schauspiel. Die Direktionen werden schon kurz nach den Wahlen in einer Geheimsitzung bestimmt. Dieses wohlgehütete Geheimnis lüftete die Zürcher SP-Regierungsrätin Jaqueline Fehr (56) im «Tages-Anzeiger».
«Man druckst zwar herum und behauptet, dass die Geheimsitzung bloss vorbereitenden Charakter habe. Dass alles vorläufig und informell sei», enerviert sich Fehr: «Gleichzeitig wird klar festgehalten: Wir haben unseren Beschluss getroffen, die Abtretenden können jetzt auf ihre Nachfolger zugehen für die Amtsübergabe.»
«Da wird gehörig Theater gespielt»
Die offizielle Konstituierungssitzung zum Beginn der neuen Legislatur ist dann nur noch Formsache. Die Regierung schummelt sogar, was das Beschlussprotokoll angeht. Dieses sei in Tat und Wahrheit nämlich jenes der Vorbereitungssitzung. «Wort für Wort», sagt Fehr: «So was liesse sich in derart kurzer Zeit ja auch gar nicht verfassen. Da wird von allen Beteiligten gehörig Theater gespielt.»
Nun, nachdem die im März wiedergewählte Regierungsrätin dieses Theater bereits zweimal mitspielte, hat sie offenbar genug: Fehr will diesen «alten Zopf» abschneiden. «Das heutige Vorgehen ist unehrlich. Ich bin dagegen, dass wir als Regierung in einer Dunkelkammer agieren.»
Regierungsräte täuschten selbst engste Mitarbeiter
Tatsächlich nimmt die Geheimniskrämerei jeweils absurde Züge an. Denn: «Alle Informierten sind gezwungen, über Wochen ihr Umfeld zu täuschen.» Niemand dürfe etwas von der Ämtervergabe wissen. Fehr schildert ein besonders krasses Beispiel. Es spielte sich vor vier Jahren ab, als an der vorbereitenden Sitzung beschlossen worden sei, dass Ernst Stocker (64, SVP) von der Volkswirtschaft zu den Finanzen wechselt.
«Damit niemand Verdacht schöpfte, musste er am letzten Tag als Volkswirtschaftsdirektor den Schreibtisch so belassen wie immer», sagt Fehr: «Er musste den Eindruck hinterlassen, dass er am Montag an den Dossiers weiterarbeiten würde. Es ist nicht würdig für einen Regierungsrat, wenn er vor seinen engsten Mitarbeitenden ein solches Theater spielen muss.»
Fehr fordert Ende der Geheimniskrämerei
Darunter leide auch die Amtsübergabe, meint die Regierungsrätin. «Man muss sich im Geheimen mit dem Amtsvorgänger treffen und tauscht sich dabei nur oberflächlich aus», so Fehr. Einen Amtschef kennenzulernen oder interne Unterlagen einzusehen, sei dabei fast unmöglich. Dazu kommt noch, dass die Verwaltung nicht wisse, wie es weitergehe.
Fehr fordert deshalb, dass die Ämterverteilung künftig sofort kommuniziert wird – ohne vorherige Geheimniskrämerei. Ihr Vorschlag: Die konstituierende Sitzung soll künftig bereits zehn Tage nach den Wahlen stattfinden. Dann folgte die Einarbeitungszeit, bis man am Tag der Legislatureröffnung vereidigt würde.