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SP-Reaktion auf schlechte Wahlprognosen
Mehr Levrat, weniger Funiciello

Nach der SVP verliert die SP am zweitmeisten im aktuellen Wahlbarometer, den das Forschungsinstitut Sotomo für die SRG erstellt hat. Die Genossen sind sich einig: Parteichef Christian Levrat und Fraktionschef Roger Nordmann müssten sich öfter zeigen.
Publiziert: 22.02.2019 um 23:35 Uhr
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Die SP verliert im SRG-Wahlbarometer. Woran liegts?
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Pascal TischhauserStv. Politikchef

Das SRG-Wahlbarometer sagt der SP Wählerverluste von 1,4 Prozentpunkten voraus. Für SP-Wahlkampfleiterin Nadine Masshardt (34) ist das ein «Warnsignal». Und Nationalrat Fabian Molina (28) nennt die Umfragewerte einen «Weckruf».

Geht es aber darum, nach den Gründen der Verstimmung der Wähler zu suchen, wollen die Parteimitglieder nicht mit Namen hinstehen – das könne der SP im Wahlkampf schaden. Anonym äussern sie sich aber und sind sich einig: Parteichef Christian Levrat (48) und Fraktionschef Roger Nordmann (45) seien in der Deutschschweiz viel zu wenig aktiv, wird beklagt.

Leute sollen sich an Funiciello und Co. ein Beispiel nehmen

Stattdessen seien Figuren wie Tamara Funiciello (28) oder Cédric Wermuth (33) omnipräsent. «Das sind politische Talente, verstehen Sie das nicht falsch. Aber wie Helmut Hubacher zu sagen pflegte: ‹Sie kamen direkt vom Hörsaal in den Plenarsaal›», zitiert ein altgedientes Mitglied den früheren Parteipräsidenten. Die Sprache der Büezer und mittleren Kader, die einst die Sozialdemokraten wählten, sprächen sie nicht. Sie repräsentierten die Lebenswelt der Städter, nicht die der Leute auf dem Land. «Auf nationaler Ebene funktioniert ihre Ideologie alleine nicht.»

Präsentiere die Linke nur noch solche Leute, schrumpfe ihre Wählerbasis – das sei das Schlimme: Nicht, dass mal anderthalb Prozent von der SP zu den Grünen wechselten. Es brauche nicht zwingend weniger Funiciello und Wermuth, vielmehr müssten sich die anderen Genossen ein Beispiel an diesen nehmen und sich ebenfalls vermehrt öffentlich in Szene setzen. «Vielleicht ist es daher gut, dass mit dem Bündner Jon Pult im Herbst wohl einer gewählt wird, der den Sprung nach Bern nicht gleich geschafft hat, sondern nach dem Studium arbeiten musste», hofft ein Genosse.

In der Deutschschweiz fehlt eine Generation

Kommt hinzu: Von wenigen Ausnahmen abgesehen, habe die SP in der Deutschschweiz ein Personalproblem. «Da haben wir die guten Politiker über 55 und die Talente unter 35. Dazwischen fehlt eine ganze Generation.»

Woran das liegt, umschreibt eine Parlamentarierin so: «Offenbar war die SP eine Zeit lang im deutschsprachigen Teil nicht attraktiv genug, um sich bei uns politisch zu betätigen.» Es sei zu begrüssen, dass sich das wieder geändert habe.

Das Campaigning der SP müsse besser werden

Kaum bestritten wird, dass die Klimawandel-Debatte Wechselwähler aus dem linken Lager veranlasse, sich für einmal den Grünen zuzuwenden. Aber dass die SP in Sachen Umweltschutz nicht mehr wahrgenommen werde, habe sie sich wohl selbst zuzuschreiben: Die Partei sei stark in der parlamentarischen Arbeit. «Save the planet»-Aufkleber und «Wir lieben unseren Planeten»-Events seien kurzfristig aber öffentlichkeitswirksamer. «Das können die Grünen besser.»

Hier müsse die SP zulegen und ihre Arbeit besser verkaufen. Beim CO2-Gesetz etwa seien die wirkungsvollsten Vorschläge von den Genossen gekommen. Seit man das Gesetz nach der Verwässerung durch die FDP habe versenken müssen, sei es nicht mehr gelungen, die Leistung der Partei zu vermitteln. «Hier müssen wir über die Bücher.»

War es die EU-Frage?

Interessant ist: Es glaubt kaum jemand in der SP, dass die Verweigerungshaltung beim EU-Rahmenabkommen der Partei geschadet habe. Ein Mitglied: «Die Haltung nützt uns doch! Denn: Nur wenn der Lohnschutz bleibt, hat das Abkommen überhaupt eine Chance.» Hier spreche die SP dem Arbeiter aus der Seele. «Selbst Gewerbler und Konservative haben wir hinter uns.»

Was aber alle zu bedenken geben: Die SP müsse beim Rahmenabkommen die Kurve kriegen. Das werde man, aber es brauche Zeit.

Stark, weil die SP ihre linke Flanke nicht aufgegeben hat

Cédric Wermuth kennt die Kritik an ihm und den späteren Juso-Präsidenten, teilt sie aber nicht: «Ich habe mich immer für eine breite Partei starkgemacht», sagt er. Anders als in anderen europäischen Staaten seien die Sozialdemokraten in der Schweiz nach wie vor eine Macht. «Das ist die SP, gerade weil sie an ihrer linken Politik festgehalten hat – und daran hat gerade unsere Generation einen starken Anteil.»

Wermuth ist zuversichtlich, dass die SP im Herbst wie vor vier Jahren ihre Anhänger wieder überdurchschnittlich gut mobilisieren kann und deshalb erneut ein besseres Ergebnis erzielt, als ihr derzeit zugetraut wird.

Die Genossen gehen davon aus, dass schon die Zürcher Wahlen im März ein ganz anderes Bild zeigen als das aktuelle Wahlbarometer. Und dass man im Vergleich zum letzten Barometer im Oktober 2018 von einem Plus von 0,5 Prozentpunkten auf ein Minus von 1,4 Punkten einbreche, scheint so manchem SP-Mitglied wenig nachvollziehbar.

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