Der ungarische Parlamentspräsident László Kövér besucht heute das Bundeshaus – und verfolgt dabei heute Morgen auch die Nationalratsdebatte.
Doch dabei kam es zum Eklat: Als SP-Nationalratspräsidentin Marina Carobbio Guscetti (52, TI) die ungarische Delegation auf der Besuchertribüne begrüsste, verliessen fast die ganze SP-Fraktion wie auch Grüne aus Protest gegenüber der ungarischen Politik den Saal.
SP-Nordmann: «Ich verstehe meine Kollegen»
«Es war eine spontane Aktion aus Abneigung gegenüber Viktor Orbans Regime, welches immer mehr autoritäre Züge annimmt», sagt SP-Fraktionschef Roger Nordmann (45, VD) zu BLICK. Er selbst sei davon überrascht gewesen.
«Ich bin aber im Saal geblieben, aus Respekt gegenüber dem ungarischen Parlament als Institution. Denn eine Parlament ist wichtig als Gegengewicht zu einer autoritären Regierung», so Nordmann. Zudem müsse man auch mit jenen reden, mit denen man nicht gleicher Meinung sei. Verurteilen will er die Aktion seiner Parteischäfchen aber nicht. «Ich verstehe meine Kollegen.»
Auch die Grünen verweigerten sich dem Ungarn: «Wir hatten keine Diskussionen oder keinen Beschluss im Vorfeld, aber ich und einige andere haben spontan den Saal verlassen», erklärt Grünen-Fraktionschef Balthasar Glättli (47, ZH). «Orbans Fidesz und ihre menschenrechtswidrige und illiberale Politik brauchen meinen Applaus nicht.» Den Saal zu verlassen sei ihm aber «diplomatischer erschienen als demonstrativ nicht zu klatschen».
SVP-Rösti: «Unangebrachte Beleidigung»
Kein Verständnis für die Aktion der Linken hat SVP-Präsident Albert Rösti (51, BE): «Ich erachte dies als völlig unangebrachte, grosse Beleidigung und Missachtung der Gepflogenheiten gegenüber einem demokratisch gewählten Parlamentspräsidenten.»
Dies umso mehr, «als wir Ungarn sehr dankbar sein können, dass sich zumindest dieses Land an das Dublin-Abkommen gehalten hat». Es habe «seine Aussengrenze gegen Wirtschaftsmigranten gesichert und damit die Asylmisere für ganz Europa zumindest kurzfristig entschärft», lobt Rösti die Osteuropäer.
Gespräche über europäische Themen
Beim Besuch in Bern sind übrigens weitere Gespräche zwischen Carobbio Guscetti und Kövér geplant. Dabei werden die bilateralen und interparlamentarischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Ungarn im Vordergrund stehen.
Die beiden werden sich aber auch mit Themen befassen, die Europa derzeit bewegen, wie der Brexit, die Europawahlen 2019, die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU sowie die Migration.
Neue Ungarn-Gruppe im Parlament
Just heute Montag wurde auch die parlamentarische Gruppe Schweiz–Ungarn ins Leben gerufen. Diese will die Beziehungen zum ungarischen Parlament intensivieren.
«Die ungarische Aussenpolitik zeigt den Willen für eine partnerschatliche Zusammenarbeit innerhalb der EU, nicht aber auf Kosten der eigenen Souveränität», sagt SVP-Nationalrat Andreas Glarner (56, AG), der die Gruppe präsidiert. «Ich bin überzeugt, dass sich die Schweiz von dieser Haltung inspirieren lassen und anderseits wiederum im Widerstand gegen die Entmachtung der Nationalstaaten Rückhalt bieten kann.»