Herr Levrat, die SP ist Wahlsiegerin. Ein ungewohntes Bild.
Christian Levrat: Es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung und ein nötiges Korrektiv zum Rechtsrutsch im letzten Jahr. Die rechte Mehrheit im Bundeshaus sorgt für höhere Ausgaben für Armee, Landwirtschaft und Strassenbau, kürzt bei Bildung und Entwicklungshilfe und plant ein Rentenmassaker. Das Wahlresultat ist eine erste Quittung für die rechte Politik.
Hat die nationale Politik eine derartige Wirkung?
Es ist immer eine Mischung aus kantonalen und nationalen Themen. Im Aargau spielten sicher auch die Sparprogramme der Bürgerlichen eine Rolle. Und die SP hat einen sackstarken Wahlkampf geführt.
Mit SP-Nationalrat Cédric Wermuth als Aargauer Co-Kantonalpräsident. Was also können Sie von Wermuth lernen?
Dass wir den eingeschlagenen Weg fortführen müssen. Es braucht eine starke Basiskampagne mit systematischem Kontakt zu den Wählern und mehr Präsenz auf der Strasse.
Der Aargauer Ständerat Philipp Müller hatte als FDP-Chef die SP als zweitstärkste nationale Kraft ablösen wollen – erfolglos. Jetzt hat die SP im Aargau die FDP abgehängt. Schadenfreude?
Schadenfreude wäre zu viel gesagt. Ich habe Müllers Kampfansage schon immer als Witz verstanden.
Was Ihnen aber nicht passen kann: Verloren hat die Mitte, Ihr wichtigster Bündnispartner im Bürgerblock.
Das sind selbstverschuldete Verluste. Der neue Rechtskurs von CVP-Präsident Gerhard Pfister wird hart bestraft. In Basel ist die CVP eine Wahlallianz mit der SVP eingegangen, das wurde nicht belohnt, sondern kostet Stimmen. Die Pfister-CVP wird als Juniorpartnerin der SVP wahrgenommen.
Vielleicht hat die CVP ja die Quittung dafür erhalten, dass sie bei der Rentenreform mit der SP gemeinsame Sache macht.
Dann hätte aber die Rechte zulegen müssen, nicht die SP. Der Mitte ist die sozial eingestellte Wählerschaft weggebrochen. Ich hoffe, dass die CVP ihren SVP-Schmusekurs überdenkt.
In zwei Wochen folgt die nächste Nagelprobe bei den kantonalen Wahlen in Freiburg. Bleibt der gestrige SP-Erfolg bloss ein Strohfeuer?
Nein, die SP ist solid unterwegs. In Freiburg wird es aber kein Spaziergang. Wie in Basel marschieren SVP, FDP und CVP geeint, um der Linken einen Sitz in der Regierung abzujagen. Wie in Basel stehen wir einer bürgerlichen Boygroup gegenüber. Mathematisch haben sie zwar eine Übermacht von über 70 Prozent, ich bin aber optimistisch, dass die Wählerschaft die rechten Machtspiele nicht goutiert. Wir werden unsere drei Sitze verteidigen.
Was auffällt: Die SVP konnte von der laschen nationalrätlichen Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative nicht profitieren. Überrascht Sie das?
Nein. Die Bevölkerung weiss, dass wir die Initiative nicht wortwörtlich umsetzen können. Der Preis dafür wäre die Aufgabe der Bilateralen – und dieser Preis ist dem Volk zu hoch.
Sehen Sie den Inländervorrang light damit als vom Volk bestätigt an?
Ich sehe es vielmehr als Bestätigung dafür, dass die Hetze der SVP nicht greift. Die Leute sind klüger, als die SVP annimmt. Sie wissen, dass wir das Maximum herauszuholen versuchen, um die Zuwanderung eigenständig zu steuern, ohne die Bilateralen zu gefährden.
Was liegt noch drin?
Es braucht sicher noch eine weitere Verschärfung. Die Schweizer Arbeitsplätze müssen wirksamer geschützt werden. Es reicht nicht, dass ein Arbeitgeber begründen muss, warum er keinen Inländer anstellt. Da bleiben wir auf dem halben Weg stehen. Wir müssen dafür sorgen, dass ein Arbeitgeber begründen muss, warum er einen Angestellten entlassen will – insbesondere bei langjährigen und älteren Angestellten.
Der nächste linke Härtetest an der Urne kommt mit der Abstimmung über die Unternehmenssteuer-Reform III im Februar. Da stehen Sie wieder einer bürgerlichen Front gegenüber. Das linke Referendum dürfte scheitern.
Da bin ich mir nicht so sicher. Grossunternehmen und reiche Aktionäre erhalten ein 3 Milliarden Franken schweres Steuergeschenk. Dazu gibt es neue Privilegien, deren Auswirkungen unklar sind und die ausser ein paar Steuerberatern niemand durchschaut. Die Zeche bezahlt der Mittelstand – entweder durch massiven Leistungsabbau oder durch Steuererhöhungen.
Ihre Alternative?
Wir fordern eine Reform, die keine Milliardenausfälle bringt und von der Wirtschaft selbst gegenfinanziert wird. Das begreift auch die Bevölkerung.