Foto: KARL-HEINZ HUG

So tickt die grüne Bundesrats-Kandidatin Regula Rytz
Alles andere als ein Mauerblümchen

Ihr Markenzeichen ist ein goldener Ohrring – nur am linken Ohr. Eine Annäherung an eine Politikerin, die bei den Bundesratswahlen mehr als ein Schmuckstück sein will.
Publiziert: 23.11.2019 um 00:35 Uhr
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Aktualisiert: 04.09.2020 um 07:17 Uhr
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Im BLICK-Talk: Regula Rytz mit den Polit-Redaktoren Pascal Tischhauser und Lea Hartmann.
Nico Menzato und Ladina Triaca

Man hört, es sei ihr liebstes Stück. Der runde, goldene Ohrring ist Regula Rytz' (57) Markenzeichen – und aus ihrem Gesicht kaum mehr wegzudenken. Schon seit Jahrzehnten trägt die Grünen-Präsidentin den Goldschmuck unkonventionell nur am linken Ohr.

Ein asymmetrisches Gesicht wirke interessanter, heisst es in der Modewelt. Doch das dürfte bei ihrer Accessoire-Wahl nicht ausschlaggebend gewesen sein. Die Grünen-Präsidentin erhielt den Ohrring von einem Goldschmied und Freund der Familie.

Der Mann hat seinen Job inzwischen an den Nagel gehängt. Nicht so Regula Rytz. Die Bernerin startet erst gerade richtig durch. Seit Freitag ist sie offiziell Bundesratskandidatin.

Regula Rytz tritt zur Bundesratswahl an
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Rede im Video:Hier kündigt Rytz ihre Kandidatur an

Vater im Rollstuhl

Aufgewachsen ist die Vegetarierin in Hünibach am Thunersee – als Tochter einer Musikerin und eines Architekten. Ihr Vater Rudolf erlitt 2008 einen Schlaganfall und ist seither querschnittgelähmt. «Das hat das Leben der ganzen Familie vorübergehend auf den Kopf gestellt», erzählte Rytz vor drei Jahren der «Schweizer Illustrierten».

Klein Regula wollte Lehrerin werden und machte im Alter von 21 Jahren das Patent am Lehrerseminar in Thun BE. Sie unterrichtete aber nur sechs Jahre und begann dann mit dem Geschichtsstudium in Bern.

Seit 32 Jahren in festen Händen

Schon damals an Rytz' Seite war Michael Jordi (59) – ihr langjähriger Lebenspartner. Das Paar führt ein bescheidenes Leben. Seit 25 Jahren leben die beiden in derselben 3½-Zimmer-Altbauwohnung im Berner Breitenrain-Quartier.

«Meine Grossmutter hat immer gesagt, Geld kann man nicht essen», sagte Rytz kürzlich an einem Podium. Die passionierte Velofahrerin besitzt keinen Führerschein, und ins Flugzeug steigt sie nur in Ausnahmefällen – bisher bloss fünf Mal in ihrem Leben.

«Regula ist sehr clever»

Zur Kandidatur seiner Freundin will sich Partner Michael Jordi, beruflich Generalsekretär der Gesundheitsdirektorenkonferenz, auf BLICK-Anfrage nicht äussern. Gesprächiger ist Rytz' älterer Bruder Christof (61), ein FDP-Mitglied. «Regula ist sehr clever. Und sie kann gut zuhören», sagt er. Am meisten bewundert er aber, wie viel Energie seine jüngere Schwester habe.

Auch grüne Fraktionskollegen loben den Power von Rytz. Sie arbeite mindestens zehnmal mehr als normale Nationalräte, sei trotzdem enorm effizient und sehr präzise – höchstens manchmal etwas «tüpflischiisserisch».

Frau mit Bundesratsformat

Mit 25 Jahren beginnt ihre politische Karriere, als sie in Bern das grüne Bündnis mitbegründet. Mit 32 zieht sie ins Berner Kantonsparlament ein, mit 39 wird sie Zentralsekretärin des Gewerkschaftsbundes. Vier Jahre später ist Rytz Exekutivpolitikerin. Sie übernimmt die Direktion für Tiefbau und Verkehr der Stadt Bern.

Ehemalige Regierungskolleginnen waren und sind voll des Lobes. «Regula Rytz hat absolut das Format zur Bundesrätin», sagt Barbara Hayoz (57, FDP), die mit ihr acht Jahre in der Regierung sass. Sie sei kollegial, lösungsorientiert, dossierfest und habe nie hinterhältige Spiele getrieben.

Frühstück im Alki-Stübli

«Beeindruckend war zudem, dass Rytz nicht vom Schreibtisch aus, sondern nahe bei den Leuten regiert hat», so die ehemalige Gemeinderätin. Sie erzählt, wie Rytz die gesamte Regierung einmal um halb fünf in der Früh aufgeboten hat, um eine Abfallentsorgungs-Truppe zu begleiten. Frühstück gab es im damaligen Alki-Stübli.

«Rytz wäre sicher eine gute Bundesrätin», sagt auch die damalige Regierungskollegin Edith Olibet (67, SP). Sie sei immer sehr kompetent, gut vorbereitet und dossierfest gewesen. «Und sie konnte gut kommunizieren.»

2011 gelang der zierlichen Frau mit der sanften Stimme der Sprung in den Nationalrat. Die Historikerin ist alles andere als ein Mauerblümchen: Zusammen mit Adèle Thorens (47) übernimmt sie nach wenigen Monaten das Parteipräsidium. Acht Jahre später folgt der historische Wahlsieg.

Alles nur Deko?

Gut möglich, dass der Wahlsieg ihr Karriere-Höhepunkt war. Letztes Wochenende scheiterte sie im Ständeratsrennen deutlich. Das Präsidium der Grünen gibt sie aufgrund einer Amtszeitbeschränkung ab. Und die Chancen, als erste grüne Bundesrätin in die Geschichtsbücher einzugehen, sind nicht besonders hoch.

Doch selbst wenn die SP ihre grüne Partnerin geschlossen unterstützen sollte, sind die Grünen zusätzlich auf den Support der Grünliberalen und von Teilen der CVP angewiesen. Ob Rytz diesen bekommt, ist fraglich. Vielleicht bleibt sie am 11. Dezember die Grüne mit dem einen Ohrring.

Blocher pfeift Aeschi zurück

Die Hierarchie ist wieder hergestellt: SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (40) wollte der Grünen Regula Rytz (57) den SP-Bundesratssitz von Simonetta Sommaruga (59) geben. Auf seinem Online-TV machte Parteivordenker Christoph Blocher (79) dann aber klar, dass er nichts davon hält. Flugs informierte die SVP-Fraktion, man greife keine bisherigen Bundesräte an. Und auch bei den Grünen ist die Halbwertszeit gewisser Aussagen kurz: Eben noch versprach Rytz, keine Magistratinnen anzugreifen, und schon macht die Fraktion klar, FDP-Mann Ignazio Cassis (58) zwar ins Visier zu nehmen. Sollte das aber scheitern, werde man auch auf Karin Keller-Sutter (55, FDP) zielen. Die SP sagt zur Bundesratswahl bisher gar nichts – aber allenfalls morgen. Und die CVP diskutiert die Nachfolge für den abgewählten Fraktionschef Filippo Lombardi (63) und erst heute die Bundesratswahl. Die GLP schweigt. Und dafür will die FDP laut Fraktionschef Beat Walti (51) alle Bundesräte wiederwählen – nach dem Motto: Wir lassen euch in Ruh, also stimmt unsrem Cassis zu.

Die Hierarchie ist wieder hergestellt: SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (40) wollte der Grünen Regula Rytz (57) den SP-Bundesratssitz von Simonetta Sommaruga (59) geben. Auf seinem Online-TV machte Parteivordenker Christoph Blocher (79) dann aber klar, dass er nichts davon hält. Flugs informierte die SVP-Fraktion, man greife keine bisherigen Bundesräte an. Und auch bei den Grünen ist die Halbwertszeit gewisser Aussagen kurz: Eben noch versprach Rytz, keine Magistratinnen anzugreifen, und schon macht die Fraktion klar, FDP-Mann Ignazio Cassis (58) zwar ins Visier zu nehmen. Sollte das aber scheitern, werde man auch auf Karin Keller-Sutter (55, FDP) zielen. Die SP sagt zur Bundesratswahl bisher gar nichts – aber allenfalls morgen. Und die CVP diskutiert die Nachfolge für den abgewählten Fraktionschef Filippo Lombardi (63) und erst heute die Bundesratswahl. Die GLP schweigt. Und dafür will die FDP laut Fraktionschef Beat Walti (51) alle Bundesräte wiederwählen – nach dem Motto: Wir lassen euch in Ruh, also stimmt unsrem Cassis zu.

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