SKOS-Präsident warnt vor Steuerfuss-Erhöhungen
Corona-Krise treibt Tausende in die Sozialhilfe

Der Erwerbsausfall im Corona-Lockdown hat für viele ärmere Menschen harte Konsequenzen. Weil der Lohn zum Leben nicht mehr reicht, sind sie nun auf Sozialhilfe angewiesen. Die Schweizerische Konferenz der Sozialdirektoren ist beunruhigt.
Publiziert: 21.06.2020 um 12:44 Uhr
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Aktualisiert: 05.11.2020 um 07:48 Uhr
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Die Corona-Krise trieb Tausende in die Sozialhilfe.
Foto: Keystone

Seit Ausbruch der Corona-Krise sind rund 8300 Personen zusätzlich in die Sozialhilfe abgerutscht. Auf Sozialhilfe angewiesen sind jetzt auch Selbständigerwerbende, die sich vor der Krise knapp über Wasser halten konnten, und Arbeitnehmende in Kurzarbeit. Das sagt Christoph Eymann, Präsident der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS), in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag».

Die SKOS sei davon ausgegangen, dass sich die Corona-Krise während der ersten Wochen und Monate in der Sozialhilfe noch nicht bemerkbar machen werde, sondern erst mit einer zeitlichen Verzögerung. Jetzt stelle man aber fest, dass die Zahl der Sozialhilfebezüger und -bezügerinnen bereits zwischen Anfang März und Ende Mai leicht gestiegen sei, sagt Eymann. In absoluten Zahlen sei die Zahl der Bezüger um rund 8300 gestiegen.

Zahl der Bezüger nimmt weiter zu

Betroffen sind laut Eymann zum Beispiel selbständige Taxifahrer. Daneben müssten aber auch Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auf Kurzarbeit Sozialhilfe beziehen – aus dem einfachen Grund, dass der Lohn für ihren Lebensunterhalt auf einmal nicht mehr reiche.

Die SKOS rechnet nicht mit einer raschen Verbesserung der Situation. Man habe für die nächsten zwei Jahre drei verschiedene Szenarien errechnet. Ein mittleres Szenario geht laut Eymann bis 2022 von einer Zunahme um rund 75'000 Sozialhilfebezügerinnen und -bezüger aus.

Gemeinden drohen ins Minus zu rutschen

Bemerkbar macht sich die Entwicklung vor allem in Gemeinden, in denen bereits jetzt viele Sozialhilfebeziehende leben. Hier sei es nicht ausgeschlossen, dass der Steuerfuss erhöht werden müsse.

«Zur Entlastung der Gemeinden braucht es in allen Kantonen einen innerkantonalen Lastenausgleich», sagt Eymann. Dieser sei unabdingbar, sonst gerieten einzelne Gemeinden in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten.

Laut Eymann kommen zudem zusätzliche Ausgaben auf die Gemeinden und Kantone zu, weil der Bund die Sozialhilfe für viele Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene nicht mehr finanziert. «Wir gehen davon aus, dass diese Gruppe etwas mehr als einen Viertel aller Personen ausmacht, die 2022 neu Sozialhilfe beziehen», so Eymann.

Sollten sich die Szenarien der SKOS bewahrheiten, brauche es ein nationales Hilfspaket. Dann könnte man die Forderung stellen, dass der Bund die Kantone und Gemeinden unterstützt, indem er zwei weitere Jahre für die Sozialhilfe im Asylbereich aufkomme.

Regelung für Sans-Papiers nötig

Für den SKOS-Präsidenten ist nicht zuletzt die Situation der Sans-Papiers, die keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben, völlig unbefriedigend. «Viele von ihnen arbeiten ja auch, und zwar unter inakzeptablen Bedingungen. Deshalb ist es Zeit, hier eine Regelung zu finden.»

Wie diese genau aussehen könnte, sei ihm selbst noch nicht ganz klar. «Ich finde aber, dass es für die Sans-Papiers zumindest während der Corona-Krise eine zusätzliche staatliche Unterstützung braucht», sagt Eymann. (SDA)

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