Das Tessin wartet nicht auf den Bund. «Wir sind zwei Wochen weiter als der Rest der Schweiz», sagt Regierungsrat Norman Gobbi (42, Lega). Daher hat die Tessiner Kantonsregierung am Freitag verfügt: Baustellen und Industrieunternehmen müssen ihren Betrieb einstellen, wenn sie die Hygienemassnahmen und die Abstandsregeln für die Corona-Krise nicht einhalten. «Das können nur wenige», so Gobbi. Nur wer systemrelevant sei, wie die Lebensmittelversorgung und Pharmaunternehmen, dürfe den Betrieb weiterführen.
BLICK liegt der entsprechende Beschluss des Tessiner Staatsrats vor, unterschrieben von Regierungspräsident Christian Vitta (47, FDP). Mit diesem wird die Schliessung praktisch aller privaten Handels- und Produktionsaktivitäten besiegelt. Zunächst für eine Woche von Montag, 23., bis Freitag, 29. März.
Im Tessin drohen Strafverfahren
Baustellen und Produktionsbetriebe müssen beweisen, dass sie Abstands- und Hygienemassnahmen strikt einhalten. Nur dann bleiben sie offen. Selbst Pannen und Ausfälle dürfen nur durch eine Notfalltruppe behoben werden. Der Staatsrat ist strikt: Industrieunternehmen, die nicht sofort abstellen können, dürfen lediglich noch die «notwendigen Arbeiten zur Stilllegung der Produktionslinien» durchführen.
Allein der kantonale Führungsstab kann Ausnahmen gewähren – wenn eine Aktivität dringlich und im öffentlichen Interesse ist. Vor allem aber kündigt der Staatsrat an, hart durchzugreifen: Krisenstab und Polizei würden die Einhaltung der Anweisungen überwachen. Bei Verstössen drohen «unverzügliche Strafverfahren».
Fünfer-Regel reicht dem Tessin nicht
Der Bundesrat hatte diese Woche klar gemacht, dass er die Wirtschaft nicht abwürgen will. Wie BLICK berichtete, hatten die Kantone Waadt und Genf zuvor Druck auf den Bund gemacht, eine Ausgangssperre zu erlassen. Bekanntlich verzichtete die Landesregierung am Freitag dennoch auf einschneidende Massnahmen. Die Regierung beliess es bei einem Verbot von öffentlichen Versammlungen mit mehr als fünf Personen.
Das reicht den Tessinern nicht. Zusammen mit den anderen Kantonen treffen sie sich laut Gobbi am Montag mit Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (59, SP). Sie werden den Bund auffordern, weitergehende Massnahmen zu erlassen. Es gehe um Menschenleben. Waadt und Genf seien der selben Ansicht wie das Tessin. Auch sie sähen ähnliche Massnahmen vor, sagt Gobbi.
Gemeinden machen Druck
In der Südschweiz ist es nicht nur die Nähe zur Lombardei und die grössere Verbreitung des Coronavirus', die das Tessin zum Handeln bringt. «Bei uns sind es die Gemeinden, die voranschreiten und uns zu diesem Schritt veranlassen. Schweizweit sind es die Kantone, die den Bund zum Handeln zwingen», so der Tessiner.