SGB-Chefökonom Daniel Lampart
«Wir brauchen kein Rahmenabkommen!»

Die grössten Turbos für ein Rahmenabkommen sitzen in der Bundesverwaltung, weil sie keine Konflikte mit der EU wollen. Sie sind bereit, dafür flankierende Massnahmen preiszugeben. Obwohl die Schweiz schon heute für ausländische Dienstleister offen ist, wie kaum ein anderes EU-Land.
Publiziert: 20.01.2018 um 11:17 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 14:10 Uhr
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Gewerkschafter Daniel Lampart: «Die EU-Kommission will das Rahmenabkommen, weniger die Mitgliedstaaten.
Foto: Lunax
René Lüchinger

Herr Lampart, EU-Präsident Jean-Claude Juncker tituliert das institutionelle Rahmenabkommen, das die EU unbedingt will als «Friedensabkommen». Kann ein Abkommen, welches die Schweiz zur automatischen Rechtsübernahme zwingt, friedlich sein?
Daniel Lampart:
Für uns ist entscheidend, dass der Europäische Gerichtshof nicht über die flankierenden Massnahmen urteilen kann. Denn er hat in den letzten Jahren verschiedentlich gegen den Arbeitnehmerschutz entschieden. Das haben wir damals dem Bundesrat in aller Deutlichkeit mitgeteilt, als das Verhandlungsmandat beschlossen worden ist. Der Bundesrat hat gesagt, die flankierenden Massnahmen seien von den Verhandlungen über das Rahmenabkommen ausgeschlossen.

Also kann es abgeschlossen werden?
Aus unserer Sicht ist das Rahmenabkommen nichts, was die Schweiz haben müsste. Es ist die EU-Kommission, die das will und weniger die Mitgliedstaaten. Aus ökonomischer Sicht besteht für uns kein dringender Handlungsbedarf.

Warum nicht?
Ein Stromabkommen als Gegenleistung für ein Rahmenabkommen ist für uns sicher kein Thema. Das wäre mit einer vollen Strommarktöffnung im Inland verbunden, was wir ablehnen.

Warum ist dann die EU-Kommission so erpicht darauf?
Für viele Juristen ist es ein Schönheitsfehler, dass es kein Gericht gibt, welches abschliessend über Anwendungsprobleme bei den Bilateralen entscheidet. Dabei existieren ja die gut funktionierenden gemischten Ausschüsse.

Also sind Sie dagegen?
Wir sind nicht per se gegen ein Rahmenabkommen. Aber wir wollen nicht, dass der Europäische Gerichtshof über Arbeitsbedingungen in der Schweiz richten oder entscheiden kann.

Herrscht da Konsens in der Schweiz?
Nein. Es gibt sogar Leute, etwa in der Bundesverwaltung, die einen Teil der flankierenden Massnahmen preisgeben würden, wenn sie dafür ihr Rahmenabkommen heimtragen und diesen Pokal in die Vitrine stellen könnten.

Warum das?
Es sind die, die mit der EU-Kommission möglichst wenig Konflikte wollen und deshalb das Rahmenabkommen ansteuern.

Machen sich diese zu Gehilfen der EU?
Das Problem ist, dass der Europäische Gerichtshof Urteile gefällt hat, die auf Kosten von Arbeitnehmerschutz und Löhne gingen. Wir machen uns Sorgen, dass wenn diese Institution über schweizerische Belange richten könnte der Druck auf die flankierenden Massnahmen zunehmen würde.

Will die EU erleichterten Zugang auf Aufträge aus der Schweiz?
Die Beweggründe sind vielfältig. Es ist sicher auch eine Prinzipienfrage. Für gewisse Juristen ist es wohl unerträglich, dass kein Gericht, sondern gemischte Ausschüsse Differenzen zu bereinigen haben. Aber es gibt natürlich auch den Druck, den Zugang auf Arbeit in der Schweiz für Anbieter aus der EU zu vereinfachen. Das ist bedenklich. Schon heute kommen viele ausländische Firmen in die Schweiz, um hier Dienstleistungen zu erbringen. Umgekehrt ist es kaum der Fall. Gemessen an der Bevölkerung existiert ausser Luxemburg kein Land in Europa, welches für Unternehmen aus dem Ausland so offen ist wie die Schweiz.

Daniel Lampart ist Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes.

EU: Es droht mehr als nur fremde Richter

Parteipräsidentin Petra Gössi (42) fordert überlegtes Handeln: Ihre FDP will erst die offenen Fragen klären, bevor die Schweiz das Rahmenabkommen, also den EU-Grundvertrag, forciert. Ihr Aussenminister Ignazio Cassis (56) nimmt eine Auslegeordnung vor. So können Lösungen zur Streitschlichtung und Regeln für die automatischen Rechtsübernahme gefunden werden.

Ein dicker Hund in der Verhandlungsmasse

Aber – anders als bislang bekannt – hat Brüssel noch nicht zugesichert, dass die Schweiz mit dem Rahmenabkommen nicht auch die Unionsbürgerschaft übernehmen muss. Es war bislang die Strategie der Schweizer Diplomaten, sich in den Verhandlungen mit der EU um diese Frage herumzumogeln, statt Garantien zu verlangen.

Gössi macht nun klar: «Die Unionsbürgerschaft muss definitiv vom Tisch.» Denn diese «Ergänzung zur Staatsbürgerschaft», wie die Unionsbürgerschaft in Brüssel heisst, würde EU-Ausländern einfacheren Zugang zu unserem Sozialsystem und das Wahlrecht bringen – zumindest auf Gemeindeebene.

Blocher: «Man kann es nicht ausschliessen»

Gepaart mit der automatischen Rechtsübernahme, die das Rahmenabkommen ja regeln soll, könnte dereinst dazu führen, dass EU-Bürger genauso behandelt werden müssen wie Schweizer Bürger.

Ein gefundenes Fressen für die Kritiker des Rahmenabkommens. Solange nichts anderes vereinbart ist, können diese vor der «Gefahr» warnen. «Ich sage nicht, dass mit dem Rahmenabkommen die Unionsbürgerschaft zwingend kommt, weil wir nicht sicher sind, ob die EU dies beschliesst», sagt etwa Christoph Blocher (77). «Aber ausschliessen können wir das eben nicht. Das ist der springende Punkt», so der SVP-Vordenker.

Womit klar ist: Solange die EU-Bürgerschaft nicht weg ist, ist das Rahmenabkommen bei der Bevölkerung chancenlos. Pascal Tischhauser

Blick

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Aber – anders als bislang bekannt – hat Brüssel noch nicht zugesichert, dass die Schweiz mit dem Rahmenabkommen nicht auch die Unionsbürgerschaft übernehmen muss. Es war bislang die Strategie der Schweizer Diplomaten, sich in den Verhandlungen mit der EU um diese Frage herumzumogeln, statt Garantien zu verlangen.

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