Seltsame Taktik vor Abstimmung über Homo-Gesetz
Gegner verheimlichen eigenes Gutachten

Die Gegner der erweiterten Anti-Rassismus-Strafnorm warnen vor einer Einschränkung der Meinungsfreiheit – und nehmen dazu ein eigens in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten zu Hilfe. Doch was wirklich drinsteht, wollen sie nicht sagen.
Publiziert: 12.01.2020 um 23:11 Uhr
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Aktualisiert: 08.02.2020 um 12:24 Uhr
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Der neue Gesetzesartikel, über den am 9. Februar abgestimmt wird, stellt die Hetze gegen Homo- und Bisexuelle unter Strafe.
Foto: Keystone
Lea Hartmann

Sie warnen vor Zensur – und üben selbst Informationskontrolle aus: die Gegner der erweiterten Anti-Rassismus-Strafnorm. Mit einem Rechtsgutachten kämpfen sie gegen die Gesetzesänderung, die am 9. Februar zur Abstimmung kommt. Dieses zeige, dass das ausgeweitete Gesetz mit der Meinungs-, Gewissens- und der Gewerbefreiheit kollidiere. Wie die Gutachterin aber zu diesem Urteil gelangt und wie genau sie argumentiert, darf die Öffentlichkeit nicht erfahren.

Worum geht es?

Mit der Ausweitung der Strafnorm soll die Hetze gegen Schwule, Lesben und Bisexuelle genauso unter Strafe gestellt werden wie Hass und Diskriminierung aufgrund einer Rasse, Ethnie oder Religion. Dagegen hat ein Komitee, angeführt von der Jungen SVP und der EDU, das Referendum ergriffen.

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Die Gegner sprechen von einem reinen «Zensurgesetz» – und verweisen dafür auf das Rechtsgutachten. In Auftrag gegeben hat es die Stiftung Zukunft CH, die zum Referendumskomitee gehört. Die christlich-konservative Vereinigung kämpft auch gegen die «Ehe für alle».

Gutachten bleibt unter Verschluss

Verfasserin des Gutachtens ist die Zürcher Professorin und Anwältin Isabelle Häner (61), die sich immer wieder mit Auftragsarbeiten einen Zustupf verdient. So zum Beispiel für die Stadtzürcher Regierung. Fachgebiete hat Häner viele – Strafrecht gehört eigentlich nicht dazu. Trotzdem hat die Organisation sie engagiert. Angesichts der langjährigen Erfahrung Häners dürfte sie tief in die Stiftungskasse gegriffen haben.

BLICK wollte wissen, wie genau die Rechtsexpertin zu ihrer Einschätzung des neuen Gesetzesartikels gelangt ist. Doch: Obwohl die Verschärfungsgegner offensiv mit dem Gutachten werben, halten sie das Dokument trotz mehrfacher Nachfrage unter Verschluss.

Anian Liebrand (30), der die Nein-Kampagne koordiniert, verweist an die Stiftung Zukunft CH. Deren Sprecher teilt mit, dass man das Gutachten zum jetzigen Zeitpunkt «aus abstimmungstaktischen Gründen» nicht veröffentlichen will. Er verweist zudem auf eine Medienmitteilung, in der einige Aussagen und Folgerungen aus dem Dokument zitiert werden. Das Gutachten wird dort als «sachlich, nüchtern und hochprofessionell» gelobt. Professorin Häner reagiert weder auf telefonische noch schriftliche Anfragen.

«Hass ist keine Meinung»

Dass das Gutachten geheim gehalten und nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, macht es wenig glaubwürdig. So ist für die Befürworter der Gesetzesänderung klar: «Wahrscheinlich steht im Gutachten noch ganz viel, was unsere Gegner lieber nicht publik machen wollen, weil es uns helfen würde», sagt Roman Heggli (28), Geschäftsleiter der Schwulenorganisation Pink Cross. Als Co-Leiter der Kampagne «Ja zum Schutz vor Hass» betont er zudem, es stimme einfach nicht, dass das Gesetz Zensur übe. «Kritische Meinungen bleiben weiterhin erlaubt. Aber Hass ist keine Meinung.»

Die Gegner liessen im Gutachten eigenen Angaben zufolge 38 tatsächlich vorgekommene und fiktive Fälle von der Rechtsanwältin beurteilen. Zum Beispiel wird der Fall einer Adoptionsvermittlung geschildert, die ihre Dienste nur heterosexuellen Paaren anbieten will. Wie das Gutachten zeige, wäre diese Diskriminierung künftig strafbar, heisst es in einer Medienmitteilung.

Sinnlos bei geltender Rechtslage

Allerdings bleibt unerwähnt, dass es Schwulen und Lesben heute normalerweise gar nicht erlaubt ist, ein Kind zu adoptieren. Einzige Ausnahme ist die Adoption des Kindes der lesbischen Partnerin oder des schwulen Partners. Das Beispiel, das die Gutachterin zu beurteilen hatte, macht somit nach geltender Rechtslage gar keinen Sinn.

Aus Sicht der Befürworter ist die Rassismus-Strafnorm ebenso wie deren Ausweitung wichtig. «Denn sie ist ein Instrument, mit dem der Staat dem Hass klare Grenzen setzen kann», findet Heggli. Im Zeitalter der Hasskommentare, die das Internet fluten, sei das so nötig wie nie.

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