Selfie-Skandal um Badens Stadtammann Geri Müller
Das Volk hat verziehen

In Baden AG hat Stadtammann Geri Müller trotz Nacktselfies Chancen auf seine Wiederwahl. Trotz Seitensprung hat Christophe Darbellay im Wallis geglänzt.
Publiziert: 12.03.2017 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 19:17 Uhr
Die Sünden vergeben: Badens Stadtammann Geri Müller.
Foto: Keystone
Peter Hossli

Hämisch waren im Herbst die Kommentare. Der verheiratete CVP-Politiker Christophe Darbellay (46) zeugte ein Kind mit einer Frau, mit der er nicht verheiratet ist. Seine Karriere schien zu Ende.

Politisch bleibt der Seitensprung folgenlos. Glänzend schnitt er letzten Sonntag bei den Wahlen in den Walliser Regierungsrats ab.

Geri Müller tritt wieder an

Offenbar betrachten nicht nur Walliser das Private als privat. Chancen auf eine Wiederwahl malt sich der Badener Stadtammann Geri Müller (56, Grüne) aus. Obwohl er die Hosen runterliess: Die mittlerweile eingestellte «Schweiz am Sonntag» berichtete im Sommer 2014, Müller habe Nacktselfies an eine Frau verschickte. Riesig war hernach der Wirbel um die kleine Stadt.

Nachtragend sind die Badener offenbar nicht. Wer sich bei ihnen umhört, merkt schnell: Sie haben ihm verziehen. Der Presserat kritisierte die enthüllenden Journalisten.

Foto: KEY

Müller selbst punktete, da er sich nie versteckte. Wie an Teflon perlt der Selfieskandal an ihm ab. An der Fasnacht hört er sich bissige Schnitzelbänke an, die ihn verhöhnen.

Für den Stadtammann ist klar: «Ich trete bei den Wahlen im September wieder an.» Er habe einiges bewegt und die Verwaltung innovativer gemacht. Trotz Einbruch bei den Einnahmen gerieten die Finanzen nicht aus dem Ruder. «Der Stadtrat hat einen guten Job gemacht», sagt Müller. «Daher rechne ich mir Wahlchancen aus.»

Jeder hat eine private Geschichte

Wie er verwalte, nicht Selfies würden die Wahl entscheiden. «In der Schweiz will man nicht, dass private Sachen an die Öffentlichkeit gelangen», so Müller, «weil sie eben privat sind.» Zumal «jeder eine private Geschichte hat, von der er nicht will, dass sie öffentlich wird».

Der linke Müller ist optimistisch, weil das politische Klima eine Wiederwahl begünstigt. Die Stadt erlebte bei den Aargauer Grossratswahlen letzten Herbst einen Linksrutsch.

Zudem taktiert das bürgerliche Lager ausgesprochen ungeschickt. Es scheint nicht in der Lage, einen Topkandidaten als Gegner von Müller aufzubauen. FDP-Stadtrat Roger Huber (43) gab letzte Woche den Rücktritt bekannt. Die Freisinnigen verlieren ihr Aushängeschild. Vor vier Jahren unterlag er Müller bei der Stadtammann-Wahl mit nur 34 Stimmen.

Nach Hubers Abgang sieht die CVP die FDP nicht mehr als verlässliche Partnerin. Wobei die CVP selbst Mühe bekundet, einen Spitzenkandidaten ins Rennen zu schicken.

Gesetzt wäre der bisherige Vize-Ammann Markus Schneider (51). Politikneuling Bernhard Schmid (41) fordert ihn parteiintern heraus. Falls die CVP ihn als Stadtammann aufstellt, zieht sich der 2013 bestgewählte Stadtrat Schneider zurück. Die CVP wäre zerrissen, die Bürgerlichen sässen vor einem Scherbenhaufen.

Der Profiteur: Geri Müller. Konkurrenzlos ist er jedoch nicht. Insbesondere linke Frauen stellen sich hinter den parteilosen Badener Stadtrat Erich Obrist (56).

Der Aargauer FDP-Nationalrat Thierry Burkart (41) zweifelt an Müllers Wiederwahl. «Es geht nicht um private Fehltritte, aber als Stadtammann hat Geri Müller nichts getan, was diese Stadt weitergebracht hat», so der Badener Burkart. «Ich glaube nicht, dass er als Ammann wieder gewählt wird.»

Rente nach Abwahl

Foto: KEY

Für den aus Baden stammende SP-Nationalrat Cédric Wermuth (31) geht es um Grundsätzliches. «Nach der Publikation der Geschichte habe ich gehofft, dass Christophe Darbellay im Walls gewählt wird», sagt Wermuth. «Nicht wegen seiner Politik, sondern, um zu beweisen, dass solche Geschichten nicht wirken.»

Völlig abgeflacht sei in Baden die Selfie-Story, so Wermuth. «Als nationale Medien plötzlich auf Baden schauten, provozierte das in der Bevölkerung Unverständnis und Wut.» Viele hätten um den Ruf ihrer Stadt gebangt. Heute sei die Wut verflogen. «Als Heimwehbadener wünsche ich mir, dass die Stadt jetzt zwischen Leistung im Amt und privatem Verhalten trennt.»

Müller geht auf jeden Fall als Sieger hervor. Gewinnt er, bleibt er Stadtammann. Verliert er, erhält er noch zwei Jahre lang eine fürstliche Rente – weil er abgewählt worden ist.

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