Das Ergebnis ist mehr als nur ein Tolggen im Reinheft der Streberin Schweiz: Hiesige Schülerinnen und Schüler können immer schlechter schreiben, wie der Pisa-Test gerade gezeigt hat. Ein wichtiger Grund dafür ist der digitale Wandel. Tablet und Laptop lenken Schüler mehr ab, als bei der Stoffvermittlung zu helfen. Zudem belegt Pisa, dass erschreckend viele Schüler Mühe haben, zwischen Fakt und Fiktion zu unterscheiden.
Umso wichtiger wäre da das neue Schulfach «Medien und Informatik» (MI). Es ist Teil des Lehrplans 21, mit dem inzwischen praktisch alle Deutschschweizer Kantone begonnen haben. Schüler sollen in diesem Fach nicht nur den Umgang mit Computer und Internet besser lernen, sondern auch in Medienkompetenz geschult werden.
Lehrer warnen vor «undurchschaubarer Situation»
Doch das klappt hinten und vorne nicht! Die Lehrkräfte schlagen Alarm. Die Situation sei «undurchschaubar», Tausende Lehrpersonen «nur unzureichend vorbereitet», klagt der Lehrerdachverband LCH in seiner Zeitschrift.
So gibt es zwischen den Kantonen riesige Unterschiede darin, wie das neue Modul in den Unterricht integriert wird. Oberwalliser Schüler haben beispielsweise nur in der siebten Klasse eine Lektion MI pro Woche, Solothurner Schüler hingegen von der dritten bis in die neunte Klasse – also siebenmal mehr. In anderen Kantonen gibt es gar kein eigenes Fach «Medien und Informatik». Die Inhalte sollen dort «fächerübergreifend» vermittelt werden.
Run auf Weiterbildungen
Ein wildes Durcheinander herrscht auch bei der Aus- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer. Je nach Kanton beziehungsweise pädagogischer Hochschule sind Weiterbildungskurse unterschiedlich lang. Und auch inhaltlich unterscheiden sie sich. Das bemängelt der Berufsverband. «Man hat sich bis heute nicht auf einen Standard geeinigt», sagt Beat A. Schwendimann (44), Leiter der Pädagogischen Arbeitsstelle des LCH.
Nachdem ein Kanton den Lehrplan 21 eingeführt hat, haben die Lehrer meist fünf Jahre Zeit, um den Kurs zu absolvieren, der sie fürs neue Modul fit macht. Doch schon vorher unterrichten sie das Fach. Für Schwendimann ist das eine «sehr unbefriedigende Situation».
Den Lehrerinnen und Lehrern kann diese Situation aber nicht angelastet werden: Die Nachfrage nach den Kursen ist riesig. Hochschulen sprechen von einem regelrechten «Run» auf die Weiterbildungskurse. Doch: «Die Lehrgänge sind zum Teil bis 2021 praktisch ausgebucht», sagt LCH-Präsidentin Dagmar Rösler (48).
«Kantone müssen sich besser koordinieren»
Die Weiterbildung der Lehrperson ist das eine, das richtige Lehrmittel das andere. Doch auch hier sind mehrere Kantone noch gar nicht parat. Alles in allem spricht der Berufsverband von einer «toxischen Mischung». Präsidentin Rösler fordert: «Kantone beziehungsweise Hochschulen müssen sich untereinander dringend besser koordinieren.»
Handlungsbedarf sehen auch die obersten kantonalen Bildungsverantwortlichen. BLICK hat die Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz (D-EDK) mit der Kritik der Lehrer konfrontiert.
Auf der Suche nach Lösungen
Zum Vorwurf, dass Schüler in einigen Kantonen viel mehr MI-Unterricht haben als in anderen, sagt die D-EDK bloss, die Schüler arbeiteten «an denselben Kompetenzen, egal in welchen Unterrichtsgefässen». Sie räumt das Offensichtliche aber ein: «Eine Vereinheitlichung auch in diesen Bereichen würde den interkantonalen Schulwechsel sicher noch weiter vereinfachen.» Die D-EDK reicht den Schwarzen Peter an die einzelnen Kantone weiter: Die Umsetzung des Lehrplans, also auch die Organisation des neuen Schulfachs, liege in deren Kompetenz.
Zumindest in einem Bereich kündigen die Bildungschefs an, über die Bücher zu gehen. Man bedaure die Tatsache, dass die Weiterbildungskurse für Lehrer teilweise ausgebucht sind, so die EDK. «Die Kantone nehmen diese Umstände ernst und suchen nach Lösungen.» Ein rasches Anpacken der Probleme klingt anders. Doch schon in drei Jahren steht die nächste Pisa-Studie an.