Schweizer Nachrichtendienst rekrutiert wie wild Spione
Die Schlapphut-Schwemme

Erstmals wird publik, wie hoch der Personalbestand des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) wirklich ist. Neue Zahlen belegen somit einen heimlichen und kontinuierlichen Vollzeitstellen-Ausbau, welcher bereits seit mehreren Jahren im Gang ist.
Publiziert: 19.03.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 03:55 Uhr
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Der Nachrichtendienst rekrutiert so viele Spione wie noch nie.
Foto: Getty Images
Von Ruedi Studer

Privaträume verwanzen, Telefone abhören, Mails durchkämmen, Computer hacken! Das vom Nationalrat beschlossene Geheimdienst-Gesetz gibt dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) massiv mehr Mittel im Kampf gegen Terroristen, Gewaltextremisten und fremde Spione in die Hand. 20,5 neue Vollzeitstellen bekommt der NDB dafür.

Doch schon in den letzten Jahren haben SVP-Vertei­digungsminister Ueli Maurer und sein Geheimdienst-Chef Markus Seiler den Schnüffelapparat heimlich und kontinuierlich ausgebaut. 

Das belegen neue Zahlen, die BLICK vorliegen. 2010 startete der aus In- und Ausland-Geheimdienst neu entstandene NDB mit 237 Vollzeitstellen.

Ende 2014 waren es 266 – bei einem 63,3-Millionen-Franken-Budget. Anfang Jahr bewilligte der Bundesrat sechs weitere Stellen zur Dschihadismus-Bekämpfung: Damit steigt der Stellen-Etat 2015 auf mindestens 272, das Budget auf 65 Millionen.

Und es ist kein Ende in Sicht! Kommt das neue Gesetz durch, steigt der Personalbestand wohl per 2018 auf über 290 Stellen. Doch Maurer will noch mehr. Insgesamt 80 neue Vollzeitstellen seien nötig, um alle Wünsche der Geschäftsprüfungsdelegation erfüllen zu können, sagte er im Nationalrat. Sollten sich nun auch die Finanzpolitiker «mit dem gleichen Feuer für diese 80 Stellen einsetzen, nehme ich diese gern an, das muss ich sagen». Und er fügte hinzu: «Dann wird der Nachrichtendienst schlagkräftiger.» Damit würde Maurers Schnüffeltrupp auf gut 350 Stellen anwachsen.

Eine Zahl, welche die Schlapphüte eigentlich hätten unter dem Deckel behalten wollen. Jahrelang wurde der Stellen-Etat als Staatsgeheimnis gehütet. Dass der NDB just zur grossen Lauschangriffdebatte Transparenz schafft, geschieht denn auch nicht freiwillig.

Grund dafür ist ein neues Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, welches eine BLICK-Klage teils gutgeheissen hat. 2012 verlangte BLICK  gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz Auskunft über die Stellen-Statistik. Der Geheimdienst lehnte das Gesuch aber ab: «Schon allein die Kenntnis über die Zahl der Mitarbeitenden auf Bundesebene oder in den jeweiligen Kantonen lässt Rückschlüsse auf die operativen Fähigkeiten des NDB zu», argumentierte er. «Im Ergebnis würde mit einer Offen­legung die Qualität der inneren Sicherheit insgesamt sinken.»

Doch nun zwingt das Bundesverwaltungsgericht Maurers Schnüffeltrupp zur Räson. Und noch mehr: Auch über die Staatsschutzbeiträge an die Kantone muss der NDB künftig Auskunft geben. 8,4 Millionen Franken zahlt der Bund den kantonalen ­Polizeikorps und der Stadt­polizei Zürich jährlich, damit diese vor Ort für den NDB aufklären, überwachen und Informationen beschaffen kann.

Erstmals wird der konkrete Verteilschlüssel publik. Insgesamt finanziert der Bund 91 kantonale Staatsschutz-Vollzeitstellen (siehe Tabelle). Spitzenreiter ist der Kanton Bern mit 14,1 Stellen, gefolgt von Genf mit 12,75 sowie Kanton und Stadt Zürich mit 12,4.

Im idyllischen Appenzell-Innerrhoden hingegen ist der Staatsschutz praktisch inexistent. Hier berappt der Bund bloss ein Vier-Prozent-Pensum.

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